Hagen. Er meint es offenbar ernst: OB Jörg Dehm kündigte im Rat eine konsequente Konsolidierungspolitik an.

Die Einbringung eines Haushaltsentwurfs ist gewöhnlich die Stunde des Kämmerers. Doch bevor der diesmal ans Mikro durfte, erteilte sich der Oberbürgermeister in der Ratssitzung selbst das Wort. Um in eindringlichen Worten die Bürger auf das einzustimmen, was sie angesichts der Finanzlage der Stadt in naher Zukunft erwartet und den Rat zu mahnen, einen konsequenten Konsolidierungskurs mitzugehen.

Die Entwicklung der Schuldenlage beschrieb Jörg Dehm an handfesten Beispielen: In jeder Minute steigen sie um den Wert eines Fernsehgerätes, in jeder Stunde um den eines Wagens der unteren Mittelklasse und in 24 Stunden um den eines prächtigen Einfamilienhauses. 421 000 Euro jeden Tag.

Überschuldet

Im laufenden Jahr beträgt das strukturelle Defizit 154 Millionen Euro, der aktuelle Kassenkreditbedarf liegt bei 920 Millionen Euro. Der Oberbürgermeister: „Allein hierfür müssen 2010 ca. 31 Millionen Euro an Zinsen aufgebracht werden sowie zusätzlich 7,5 Millionen Euro für unsere Investitionskredite. Und das gilt nur, wenn das Zinsniveau auf niedrigem Niveau bleibt.” Dehm erinnerte daran, dass die Stadt seit Mitte letzten Jahres überschuldet sei, also die Schulden alle Vermögenswerte deutlich übersteigen. Der OB: „Eigentlich müssten wir ein Schild an die Rathaustür hängen: Wegen Pleite geschlossen!”

Vor diesem Hintergrund sei es unabdingbar, die Sparpotenziale der Zukunftskommission in Höhe von 90,5 Millionen Euro abzurufen. Die Sparvorgaben lauten u.a.: 33 Millionen Euro im städtischen Personalbereich, 6,5 Millionen Euro bei der Gebäudewirtschaft, 21 Millionen Euro bei den Beteiligungen, mindestens 2,5 Millionen Euro im Kultursektor, drei Millionen Euro im Bereich Soziales und Sport, 7,5 Millionen Euro Sachkosten sowie weitere 14 Millionen Euro durch Ertragssteigerungen und sonstige Konsolidierungspotenziale.

Katastrophale Lage

Ausdrücklich betonte Dehm, dass die katastrophale Finanzlage nicht ausschließlich hausgemacht und Hilfe von außen notwendig sei. Es führe aber kein Weg daran vorbei, die Stadt durch eigene Anstrengungen an die aktuellen Gegebenheiten und eine Infrastruktur anzupassen, die sich mittelfristig an 170 000 Einwohnern orientieren müsse und nicht länger an einer Einwohnerzahl von weit über 200 000. Jörg Dehm: „Wir brauchen künftig nicht mehr die große Zahl an Schulen, Sportplätzen oder Kindergärten, wie es heute der Fall ist. Und wir können auch kein kulturelles Angebot für weit über 200 000 Einwohner mehr vorhalten. Das ist einfach unbezahlbar. Und das müssen wir auch gegenüber unseren Mitbürgern klar und deutlich vertreten.”

Der Oberbürgermeister will dies in Bürgerversammlungen in den Stadtteilen tun und dabei die Bürger von der Notwendigkeit des eisernen Sparens überzeugen. Dehm: „Ich werde es auch den Sportlern sagen, den Künstlern und den jungen Menschen. Weil ich davon überzeugt bin, dass dieser Weg der richtige ist.”

Schonungslos die Wahrheit sagen

Das erwarte er im Übrigen auch von jedem einzelnen Ratsmitglied. Dafür sei jeder am 30. August gewählt worden. Nicht, um der einen oder anderen Interessengruppe nach dem Mund zu reden, sondern vielmehr den Menschen schonungslos die Wahrheit zu sagen, dass nur noch ein bedingungsloser Konsolidierungskurs der Stadt wieder Spielräume eröffne.

Von den Bürgern erwarte er die Einsicht, dass sie ihren Teil dazu beitragen und sich aktiv beteiligen müssten, wenn es um die Zukunft der Stadt gehe. Diese Verantwortung könne man nicht von sich weisen, wenn man über Jahre und Jahrzehnte die Segnungen und Angebote seitens der Stadt immer dankend angenommen habe. Der Oberbürgermeister: „Der Wille zu bürgerschaftlichem Engagement muss noch deutlicher ins Bewusstsein gerückt und dazu noch intensiver von uns gefördert werden. Und dass das wunderbar funktionieren kann, dafür gibt es schon heute eine Vielzahl bester Beispiele.”