Hagen. Die peinliche Verwaltungspanne rund um zu opulent gezahlte Aufwandsentschädigungen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende der kleineren Parteien und Wählergemeinschaften zieht immer größere Kreise.
Nachdem das Amt des Rates bereits einräumen musste, dass nicht nur in dieser noch jungen Legislaturperiode, sondern bereits in der Ägide von Oberbürgermeister Peter Demnitz über fünf Jahre einigen Mandatsträgern insgesamt 100 000 Euro zu viel auf ihre Konten überwiesen wurden, hat nach Informationen unserer Zeitung die Teppichetage darüber hinaus noch weitere fünfstellige Beträge für die Ära von OB Wilfried Horn nacherstattet.
Konkret geht es um den heutigen Fraktionssprecher der Grünen, Jochen Riechel, der in der Zeit zwischen 1995 und 2004 bereits als Fraktionsvize an der Seite von Hildegund Kingreen im Rat agierte. Ihm wurden von Peter Königsfeld, unter Horn und Demnitz Leiter des Amtes des Rates, nachträglich für die Jahre 2000 bis 2004 etwa 23 000 Euro erstattet. Ein Betrag, der sich jetzt als fataler Irrtum entpuppt, weil man seinerzeit offenbar nur in die NRW-Entschädigungsverordnung, aber nicht in die maßgebliche Gemeindeordnung blickte.
Er sei im November 2004, so erläutert Riechel im Gespräch mit unserer Zeitung, vom Kreisverbandskassierer der Grünen gefragt worden, warum er - im Gegensatz zu seinem Fraktionsvize-Nachfolger Rüdiger Ludwig - bislang deutlich weniger Geld an die Partei gespendet habe. Bei den Grünen ist es nämlich Usus, dass 76,5 Prozent der Bezüge aus politischer Arbeit fix in die Parteikasse fließen. Angesichts dieser argwöhnischen Nachfrage musste der seinerzeit zum Fraktionschef aufgestiegene Riechel erfahren, dass seinem Vize - im Gegensatz zu ihm selbst - plötzlich der doppelten Aufwandsentschädigungssatz von der Stadtkasse überwiesen wurde.
Daraufhin erkundigte sich Riechel bei Amtsleiter Königsfeld, der darauf verwies, dass die Grünen es seinerzeit angeblich versäumt hätten, überhaupt einen Fraktionsvize zu deklarieren. Doch die Partei konnte ein Papier aus dem Jahr 1995 vorlegen, nachdem man sehr wohl Riechel als Stellvertreter gemeldet und somit offenkundig das Amt des Rates das Dokument verschlampt habe. Daraufhin, so die Darstellung von Riechel, habe er rückwirkend die ausgebliebenen Aufwandsentschädigungen geltend gemacht und von der Stadt mit Hinweis auf Verjährungsfristen für drei Jahre 13 298 Euro auch tatsächlich nachüberwiesen bekommen. Da er ja nicht der Verursacher dieser Zahlungspanne gewesen sei, mahnte der Grüne Frontmann im Nachgang seine Ansprüche für die gesamte Legislaturperiode Horn an, und die Stadt zahlte nach Angaben von Riechel für die Jahre 2000 und 2001 noch einmal etwa 9000 Euro nach, so dass dem Kommunalpolitiker am Ende etwa 23 000 Euro nachgezahlt wurden.
Darüber hinaus profitierte noch Markus Hammer (Bürger für Hagen) von einer entsprechenden Nachforderung. Als Vize hinter Fraktionschef Hans-Otto Marscheider konnte er rückwirkend für wenige Monate während der Horn-Legislaturperiode jedoch bloß eine Summe von gut 2000 Euro geltend machen.
„Ich habe in gutem Glauben gehandelt”, versichert Riechel, dass es ihm - auch vor dem Hintergrund der bei den Grünen geübten Spendenpraxis - keineswegs um eine persönliche Bereicherung gegangen sei. „Immerhin handelt es sich bei diesen Zahlungen um einen offiziellen Verwaltungsakt, auf den ich mich als ehrenamtlicher Politiker verlassen können muss.” Verbittert zeigt sich Riechel darüber, dass ausgerechnet jene Leute jetzt mit dem Finger auf ihn zeigen, denen er sonst besonders scharf auf dieselben guckt: „Aber damit muss ich wohl leben.”
Unklar bleibt derweil, ob und in welchem Umfang die Stadtverwaltung die überbezahlten Aufwandsentschädigungen an die Vize-Fraktionsvorsitzenden der kleineren Ratsgruppen zurückfordern wird. „Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, entsprechende Rückforderungen zu stellen”, erläutert Markus Funk, Bürochef von OB Jörg Dehm, „hier wurden Leistungen ohne Rechtsgrundlage gewährt.” Hier sollen individuelle Lösungen gefunden werden. Doch den Betroffenen wurde bereits signalisiert, dass sie, wenn sie die „Einrede der Verjährung” erklären, lediglich mit Rückforderungen für die vergangenen drei Jahre rechnen müssen.
Eine Eigenschadenversicherung der Stadt kann das offenkundig fehlerhafte Verhalten eines Spitzenbeamten in der Verwaltung an dieser Stelle übrigens kaum heilen. Die entsprechende Police wurde im Rahmen der Konsolidierungsbemühungen bereits vor fünf Jahren gekündigt . . .