Hagen/Iserlohn. Die Proben zum Jugendstück "Dream Team" laufen derzeit auf Hochtouren. Das Besondere: Bei diesem Theaterstück arbeitet das Jugendtheater Lutz mit der JVA Iserlohn und deren Gefangenen zusammen. Am 7. November feiert "Dream Team" in Hagen Premiere.

Es ist ein bisschen so wie beim Kinobesuch der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Premiere von Sönke Wortmanns „Sommermärchen”. Es ist auch ein bisschen so wie ein Musicalbesuch von Udo Jürgens bei „Ich war noch niemals in New York”. In beiden Fällen dreht sich auf der Leinwand oder auf der Bühne fast alles um die genannten Gäste im Publikum. Das ist auch hier so. Aber eigentlich ist dann doch wieder alles ganz anders:

Auf einer Bühne im Hagener Theater proben die Schauspieler des Jugendtheaters Lutz das Stück „Dream Team”.

Bruno und Tom

Werner Hahn, Leiter des Hagener Jugendtheaters Lutz, möchte, dass die Mauer zwischen Theater- und Knastwelt bröckelt. Foto: Michael Kleinrensing
Werner Hahn, Leiter des Hagener Jugendtheaters Lutz, möchte, dass die Mauer zwischen Theater- und Knastwelt bröckelt. Foto: Michael Kleinrensing © WP Michael Kleinrensing

Das „Dream Team” sind die Figuren Bruno und Tom. Bruno war ein Jahr im Knast, ist gerade zwei Tage draußen. Mit seinem Kumpel Tom plant er den Neustart ins Leben. Doch dann geht alles schief. Tom klaut ein Handy, Bruno streckt den Besitzer mit einer Kopfnuss nieder. Und steht damit schon wieder mit einem Bein im Knast.

Im Publikum ist es still. Nur selten wird gelacht, dafür umso häufiger gedacht. Das Publikum sind sieben Häftlinge der JVA Iserlohn und ihre Begleiter Sabine Häusl und Peter Nuttebaum. „Was wir hier machen, ist für uns total aufregend”, sagt „Dream Team”-Regisseurin Sarah Nemitz und meint damit die Zusammenarbeit mit den Gefangenen. Es ist tatsächlich eine Zusammenarbeit: Vor kurzem war das Theater-Team in der JVA in Drüpplingsen, um das Stück vorzustellen und ließ das Drehbuch im Gefängnis zurück. Die Häftlinge sollten es lesen, und es, wenn sie mögen, mit ihrem Alltag abgleichen. Für daraus resultierende Anregungen hatten die Schauspieler dann ein offenes Ohr.

Respekt

Und das haben sie auch nach der geprobten Szene noch. Kaum ist sie beendet, reißt es die Jugendlichen von den Sitzen und zu den Schauspielern auf die Bühne. Was jetzt im Theater passiert, ist nicht mehr gespielt: „Respekt!”, ruft ein Gefangener und schlägt mit dem Bruno-Darsteller ein. „Danke. Hat's dir gefallen?”, erwidert der mit einer Frage. „Klar!”, ist die Antwort. Der Kontakt zwischen Ensemble und Häftlingen ist locker, wirkt fast freundschaftlich. „Wir verstehen uns, sprechen die gleiche Sprache”, sagt Gefangenensprecher Dominik K..

Die Mauer zwischen Theater- und Knastwelt bröckelt an diesem Abend. Und genau das ist Werner Hahns Ziel. Der Lutz-Leiter ist von der Idee der gesellschaftliche Grenzen sprengenden Zusammenarbeit fasziniert. „Ich habe die Jungs beobachtet. Sie haben das Stück in sich 'rein gesogen und waren von der Ehrlichkeit gefesselt”, schildert Hahn seine Eindrücke. „Mit dieser Aktion zeigen wir den Gefangenen, dass es draußen Leute gibt, die sich mit ihrer Situation auseinandersetzen.”

Keine Belehrung

Belehren möchte er die Häftlinge nicht: „Natürlich sollen sie sich identifizieren. Aber die Geschichte lebt von ihrer Ehrlichkeit, nicht vom erhobenen Zeigefinger”, so Hahn weiter.

„Es ist super, dass man so eine Perspektive geboten bekommt. Viele von uns haben so etwas wie Theater noch nie erlebt”, sagt Dominik K. nach der Probe. Hat er sich in den Figuren wiedergefunden? „Natürlich versetzt man sich irgendwo in den Bruno rein. Wir haben ja alle das Ziel, ein straffreies Leben zu führen.” Dass das Theaterprojekt zum Erreichen dieses Zieles beitragen kann, ist für Peter Nuttebaum und Sabine Häusl beschlossene Sache. Der Koordinator der Lernwerkstatt der JVA und die Diplom-Pädagogin organisieren das Projekt. „Damit kommt auch ein Stück mehr Freiheit und Menschlichkeit ins Gefängnis. Man merkt, wie die Jungs Selbstvertrauen tanken.”

Premiere am 7. November

Mit dem Besuch der Proben ist die Zusammenarbeit von Lutz und JVA nicht abgeschlossen. Am 7. November feiert „Dream Team” in Hagen Premiere. Im Publikum werden dann erneut Strafgefangene aus Drüpplingsen sitzen. Nach jeder Vorstellung soll ein Häftling im Gespräch mit Werner Hahn seine persönlichen Erfahrungen schildern. Und Hahn plant bereits den nächsten Schritt: „Wir wollen demnächst ein Stück realisieren, bei dem Strafgefangene selbst auf der Bühne stehen”, sagt Hahn, der erst jüngst für sein Engagement für Jugendliche mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.