Hagen. Die 48er-Revolution hat auch Auswirkungen in und um Hagen herum gehabt. Die Bedeutung der Ereignisse erklärt der Historiker Dr. Ralf Blank.

Der Hagener Historiker Dr. Ralf Blank hat zuletzt gleich mehrere Beiträge zur Revolution von 1848 veröffentlicht. Dabei geht es in der Publikation der Historischen Kommission von Westfalen nicht um die Ereignisse von nationaler Bedeutung in den Metropolen wie Berlin oder Frankfurt, sondern um Persönlichkeiten, die sich vor für eine Abkehr der bestehenden Verhältnisse stark gemacht haben. Über die Ereignisse in jener Zeit in und um Hagen sprach unsere Zeitung mit dem Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museen und Archiv der Stadt Hagen.

Worum ging es im Kern bei der 48er-Revolution?

Die Forderungen der durch den Berliner Barrikaden-Aufstand am 18. März 1848 entzündeten Revolution waren so vielschichtig wie ihre Vertreter. Während es in bürgerlichen Kreisen um politische Mitwirkung bis hin zu einem demokratischen System in einer Republik bzw. konstitutionellen Monarchie z.B. nach britischem Vorbild und freiheitliche Rechte ging, forderten Unternehmer wirtschaftliche Zugeständnisse und Reformen. Von Seiten der Arbeiter kamen Forderungen nach besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie Schutz vor Entlassungen und Lohneinbußen durch die fortschreitende Mechanisierung und den Maschineneinsatz. Große Teile der großbürgerlichen Unternehmer und des Adels wollten dagegen die Monarchie und die Klassengesellschaft beibehalten und lehnten die Revolution ab.

Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Museen und Archive der Stadt Hagen, hat mehrere Beiträge zur 48er-Revolution veröffentlicht.
Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Museen und Archive der Stadt Hagen, hat mehrere Beiträge zur 48er-Revolution veröffentlicht. © WP | Michael Kleinrensing

Wie muss man sich Hagen im Jahr 1848 vorstellen?

Die damalige Kreisstadt Hagen erleben gegen Mitte des 19. Jahrhunderts einen „take-off“ in Richtung Industrialisierung. Der Anschluss an das Netz der Bergisch-Märkischen Eisenbahn im Revolutionsjahr 1848 bedeutete einen enormen Standortvorteil gegenüber der Nachbarstadt Iserlohn, die zu den einwohnerstärksten Kommunen in Westfalen zählte. Hagen übernahm in den folgenden 20 Jahren die Rolle Iserlohns als Bevölkerungs- und Industriezentrum des märkischen Gewerbegebiets.

Abgesehen von einigen Umzügen durch demonstrierende Arbeiter aus örtlichen Fabriken blieb es in der Stadt und im Kreis Hagen ruhig.
Dr. Ralf Blank - Historiker

Wie hat sich die Revolution hier vor Ort ausgewirkt?

Abgesehen von einigen Umzügen durch demonstrierende Arbeiter aus örtlichen Fabriken blieb es in der Stadt und im Kreis Hagen ruhig. Im Hagener Kreisblatt wurden nach dem Berliner Barrikaden-Aufstand erste Artikel, die nun nicht mehr der Zensur durch die Obrigkeit unterworfen waren, und Revolutionsgedichte veröffentlicht. Das Kreisblatt entwickelte sich in den folgenden Wochen und Monaten zu einem zentralen Medium für die politische Diskussion und revolutionäre Berichterstattung in und außerhalb Hagens. Im April 1848 kam es zu den ersten freien Wahlen für die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und der Preußischen Nationalversammlung in Berlin.

Inwiefern haben die Ereignisse die Menschen in Hagen und Umgebung überhaupt bewegt?

Das kam auf die persönliche Sichtweise an. Sicherlich stand ein Großteil der Bevölkerung nicht nur in Hagen der Revolution zumindest abwartend und mit Blick auf ihren Alltag auch desinteressiert gegenüber. Auf der anderen Seite gab es Personen in und um Hagen, meist aus dem Bürgertum und Unternehmer, die sich aktiv beteiligten, den sich gebildeten politischen Vereinen beitraten sowie ihre Vorstellungen und Forderungen in Zeitungsartikeln, Flugblättern und Veranstaltungen äußerten. So nutzten der radikaldemokratische Unternehmer Carl Post aus Eilpe und der konservativ-monarchistische Kaufmann Johann Caspar V. Harkort das Hagener Kreisblatt für eine sich über mehrere Wochen erstreckende, teilweise heftige Diskussion, die auf ein großes Interesse gestoßen war.

Wer waren die prägendsten Köpfe hier vor Ort? Was hat sie ausgezeichnet?

Zu den zentralen Figuren der Revolution in Hagen zählte der Arzt Friedrich Wilhelm Grevel, der auch Vorsitzender des demokratischen Hagener Bürgervereins war. Überregional bekannter waren Caspar Butz, der seit März 1848 als Redakteur beim Hagener Kreisblatt tätig war sowie eine demokratisch-republikanische Haltung vertrat und eine konstitutionelle Monarchie unter preußischer Führung forderte, und der Unternehmer Carl Post, der entgegen seines Standes eine radikaldemokratische bis sozialistische Einstellung an den Tag legte, um mit Karl Marx und Ferdinand Freiligrath befreundet zu sein. Auf der anderen Seite standen Vater und Sohn Johann Caspar V. und VI. Harkort, durch die die Revolution abgelehnt wurde. Friedrich Harkort, eher konservativ-monarchistisch eingestellt, und der liberaldemokratische Unternehmer Funcke waren als Abgeordnete in die Preußische Nationalversammlung, der Gutsherr und frühere Landrat Georg von Vincke war in das Frankfurter Paulskirchen-Parlament gewählt worden.

Am 10. Mai 1849 entzündete die Meuterei von Landwehrsoldaten in Hagen noch am gleichen Tag einen Aufstand im benachbarten Iserlohn. Er wurde am 17. Mai 1849 durch preußisches Militär niedergeschlagen und die Region bis August des Jahres unter Belagerungszustand gestellt.
Dr. Ralf Blank - Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museen und Archive

Was ist aus diesen Köpfen geworden?

Nach der gescheiterten Reichsverfassungs-Kampagne und der durch den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 abgelehnten deutschen Kaiserkrone als Oberhaupt einer konstitutionellen Republik kam es in verschiedenen deutschen Bundesstaaten zu Aufständen und Revolten. Am 10. Mai 1849 entzündete die Meuterei von Landwehrsoldaten in Hagen noch am gleichen Tag einen Aufstand im benachbarten Iserlohn. Er wurde am 17. Mai 1849 durch preußisches Militär niedergeschlagen und die Region bis August des Jahres unter Belagerungszustand gestellt. Die Hagener Revolutionäre Caspar Butz, Carl Post und Friedrich Wilhelm Grevel ergriffen noch am Tag vor der Eroberung des verbarrikadierten Iserlohns die Flucht über Holland und Frankreich in die USA. Währen Butz und Grevel dort verstarben, kehrte Carl Post in seinen letzten Jahren nach Hagen zurück, wo er 1906 als wohlhabender Privatier diese Welt verließ.

Was ist von der Revolution vor Ort geblieben?

Die Revolution 1848/49 wird in der Region Hagen vorwiegend durch die Rezeption des „Iserlohner Aufstands“ bestimmt. Hinzu kommt die Erinnerung an das Wirken von Caspar Butz, der in den USA zu den Mitbegründern der Republikaner, im US-amerikanischen Bürgerkrieg einer der schärfsten Gegner des US-Präsidenten Abraham Lincoln war sowie zu den wichtigsten Deutsch-Amerikanischen Lyrikern zählte. Des Weiteren war Butz auf politischem Gebiet aktiv. Er brachte es zu mehreren Staatsämtern, um seine Karriere 1879 als Verwaltungschef von Chicago zu beschließen. In Hagen selbst ist die Revolution 1848/49 heute nur noch ein Thema für Historikerinnen und Historiker, während sie für die regionale Erinnerungs- und Gedenkkultur eine nur noch untergeordnete Rolle spielt.