Hagen. Kein Fernseher, kein Internet und trotzdem glücklich und zufrieden: Familie Wöffen besinnt sich auf das, was wirklich wichtig ist im Leben.

Gibt es das, das Paradies auf Erden? Nein, gibt es nicht. Aber so stellt man es sich vielleicht vor: ein verwunschener Garten, fröhlich spielende Kinder, deren Eltern gesundes Obst und Gemüse anbauen. Einen Fernseher gibt es nicht. „Auch das Internet funktioniert hier nicht einwandfrei“, sagt Bianca Wöffen (45): „Und das ist auch gut so. Unser Garten ist wie eine Kapsel. Wir leben ganz bewusst so.“

In der Kleingartenanlage Wehringhausen-Klutert befindet sich die Parzelle von Familie Wöffen. Der Vater gibt seinen Kindern Tipps bei der Beetpflege.
In der Kleingartenanlage Wehringhausen-Klutert befindet sich die Parzelle von Familie Wöffen. Der Vater gibt seinen Kindern Tipps bei der Beetpflege. © WP | Michael Kleinrensing

Die Familie Wöffen hat mit ihrem Schrebergarten auf der Klutert in Haspe das große Los gezogen. Wer hätte das gedacht, dass man als moderne Familie so ganz ohne digitalen Anschluss und ohne die Kinder nachmittags von Termin zu Termin zu chauffieren, glücklich sein kann?

Dabei sind die Wöffens keine Zivilisationskritiker, sie haben sich nur auf die Grundlagen des Zusammenseins besonnen: „Wir spielen viel zusammen, oder wir lesen etwas vor“, sagt Björn Wöffen (47): „Ganz ehrlich: Für uns ist es im Garten wie im Urlaub. Wir könnten in den Ferien auch ans Meer fahren, aber was sollen wir da? Hier ist es viel schöner. Die Kinder toben nach Herzenslust.“

Ein Märchengarten, der die Phantasie anregt

Eigentlich wollten sich Björn und Bianca Wöffen einen Wohnwagen anschaffen und ihre Freizeit auf einem Campingplatz verbringen. Das war der Plan, als der älteste Sohn geboren wurde und sie überlegten, was für sie als Familie wichtig wäre. Sie gelangten jedoch zu der Überzeugung, dass ein Wohnwagen „zu wenig“ wäre: „Wir wollten etwas erschaffen, etwas ernten. Deshalb haben wir den Schrebergarten auf der Klutert gepachtet.“

Das Eingangstor der Parzelle, hier erfolgt der Eintritt ins Märchenreich.
Das Eingangstor der Parzelle, hier erfolgt der Eintritt ins Märchenreich. © WP | Michael Kleinrensing

Dabei sind die Eheleute nicht einmal gärtnerisch vorbelastet, sie hatten als Kinder keine Beziehung zum Pflanzen und Säen. Doch Bianca Wöffen merkte schnell, wie gut es ihr tut, in der braunen Erde zu wühlen und zu beobachten, wie rundherum alles wächst und gedeiht. Ihren Beruf hat sie aufgegeben, um sich ganz der Erziehung ihrer vier Kinder zu widmen. „Wir machen natürlich Fehler, aber daraus lernen wir“, sagt die Mutter. Sie habe in den vergangenen Jahren viel erfahren über Bodenbeschaffenheit und die Ansprüche, die verschiedene Pflanzen an den Untergrund stellten: „Ich fühle mich hier geerdet. Der Garten ist auch eine Ruhezone.“

Die Figuren sind nicht nur Gartenschmuck, sie lassen die Phantasie der Kinder sprudeln.
Die Figuren sind nicht nur Gartenschmuck, sie lassen die Phantasie der Kinder sprudeln. © WP | Michael Kleinrensing

Der Garten ist noch mehr. Es ist ein Märchengarten. Wie von einem Zauber berührt erscheinen jene Ecken und Winkel zwischen Büschen und Teichen, in denen sich Zwerge, Elfen und andere heimliche Wesen ein Stelldichein geben. Die Figuren regen die Imagination der Kinder an, abends sitzen sie vor der Laube bei ihren Eltern auf dem Schoß und spinnen die Geschichten aus dem Reich der Phantasie weiter.

Blindschleichen und andere tierische Mitbewohner

Dann sind alle ausgepowert, Papa und Mama von der Gartenarbeit, die Kinder vom ununterbrochenen Toben und Spielen. Manchmal übernachtet die gesamte Familie in dem Ein-Raum-Häuschen, Björn Wöffen hat Hochbetten gezimmert und eine Schlafcouch aufgestellt.

Im Teich leben Molche und Wasserläufer.
Im Teich leben Molche und Wasserläufer. © WP | Michael Kleinrensing

Was gibt es aber auch alles zu entdecken in diesem Garten hoch über der Stadt, deren Häuser von unten in der Sonne blinken: Bienen, Erdhummeln, Würmer, Molche und sogar Blindschleichen, die sich in einem halb verwilderten Karree heimisch fühlen. Finja (6) hat genau aufgepasst, als ihr Vater den Mini-Teich anlegte, der allerlei Getier anzieht: „Da sind Wasserläufer, die gehen nicht unter“, sagt das Mädchen.

Von der Philosophie des Kleingärtnerns

Die Parzelle ist grundsätzlich dreigeteilt, besteht, wie die meisten der knapp 3000 Kleingärten in Hagen, aus einem Drittel Nutzgarten, in dem Essbares angebaut wird, einem Drittel Ziergarten, in dem Azaleen, Ranunkeln, Hyazinthen und andere Blumen blühen, und einem Drittel Rasenfläche.

Björn Wöffen bei der Arbeit, jedes Jahr experimentieren er und seine Frau im Garten.
Björn Wöffen bei der Arbeit, jedes Jahr experimentieren er und seine Frau im Garten. © WP | Michael Kleinrensing

Die Übergänge sind fließend, man sieht, dass die Eltern beim Anlegen der Beete nicht mit Schnur und Holzpflöcken vorgehen. „Der Sinn des Gartens ist doch Erholung. Einerseits“, sagt Björn Wöffen. „Es gibt auch den sozialen Aspekt. Man gehört einem Verein an, hockt aber nicht ständig aufeinander. Und natürlich die Kinder, die lernen sollen, Respekt vor Umwelt und Natur zu haben. Das kommt von ganz allein, man muss sie nur ab und zu mal anleiten und ansonsten spielen lassen.“

Das hört sich an wie eine Philosophie des Kleingärtnerns, und das soll es wohl auch sein. Wenn sie mal einen Familienausflug machten, erzählt Mutter Bianca, in den Moviepark in Bottrop zum Beispiel, dann sei das ja ganz nett, aber anschließend ziehe es alle doch mit Macht wieder in den Garten. Zuhause ist die Familie in einem Haus ohne Garten und Balkon in Eckesey, und an den langen Wintertagen darf natürlich auch der Fernseher nicht fehlen.

Aber davon ist jetzt keine Rede mehr. Der Frühling ist da. Alle zieht es ans Licht, die Kleinen und die Großen, darin sind die Wöffens den Pflanzen und Geschöpfen, die in ihrem Garten leben, sehr ähnlich.