Hagen. Ein tragischer Familienkonflikt eskaliert im Januar in Hagen zu einer tödlichen Bluttat: Jetzt kommt ein 77-Jähriger auf die Anklagebank.

Acht Schüsse peitschten durchs Büro - ein Schuss davon traf tödlich, zwei weitere Personen wurden durch Kugeln schwer verletzt. Was sich am 19. Januar auf dem Gelände eines Wertmetallhofs in Hagen final zugespitzt hatte, war offensichtlich ein Drama um Geld und Macht. Auf den mutmaßlichen Schützen (77), der seinen Halbbruder (54) am Schreibtisch regelrecht hingerichtet haben soll und der sich derzeit im Justizkrankenhaus Fröndenberg befindet, kommt eine Anklage zu. Sie lautet auf Mord sowie zweifachen Mordversuch und wurde jetzt dem Schwurgericht vorgelegt.

Neue Einzelheiten des tragischen Falles: Der erste Schuss traf nicht, wie die Ermittler zunächst noch geglaubt hatten, den Getöteten. „Zuerst wurde ein 48-jähriger Büroangestellter getroffen“, erläutert Oberstaatsanwalt Bernd Haldorn, „dann der Sohn des Getöteten, der ist 23 Jahre alt.“ Bei der Tatpistole handelt es sich um eine Walther 7,65. Sie wurde kurz nach der Tat von Kriminalbeamten auf dem Firmengelände gefunden.

Angst ums Lebenswerk

Die Geschichte des lukrativen Altmetallhandels ist eng mit der Bluttat verknüpft. Im Juni 2023 war der langjährige Senior-Firmenchef gegen seinen jüngeren Stiefbruder als Geschäftsführer ausgetauscht worden. Als Grund dafür gelten Auseinandersetzungen mit den Steuerbehörden. Richtig loslassen konnte der 77-Jährige aber nicht: Er verlor mehr und mehr an Einfluss, fühlte sich regelrecht um sein Lebenswerk gebracht. Hinzu kam die ständige Angst vor einer großen Pleite.

Nach den Schüssen sperrte die Polizei den Tatort weiträumig ab, weil die Lage völlig unklar blieb.
Nach den Schüssen sperrte die Polizei den Tatort weiträumig ab, weil die Lage völlig unklar blieb. © Alex Talash | Alex Talash

Nur wenige Wochen vor der Schießerei erlitt der 77-Jährige einen Herzinfarkt. Ein Brief der Stadt brachte dem älteren Mann zusätzlichen Ärger: Er müsse sein Zuhause umgehend räumen. Das Firmengelände, auf dem er seit Jahren lebte, sei ein Gewerbegebiet und dort dürfe er nicht wohnen. Die Situation eskalierte dann am Tattag gegen 14.45 Uhr: „Da sollte der Zugangscode zur Tür der Verwaltung geändert werden“, weiß Oberstaatsanwalt Haldorn. Das mögliche Tatmotiv? Es könnte zumindest der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Anklage spricht von Heimtücke

Die Anklage, die das Gericht noch zulassen muss, geht von heimtückischem Mord aus: Der 77-Jährige soll um sich geschossen haben. Er soll seinen Stiefbruder getötet, zwei weitere Personen, die sich mittlerweile außer Lebensgefahr befinden, schwer verletzt haben. Mit einer Pistole, die er ganz legal besitzen durfte. Denn er hatte einen Waffenschein.

Der Prozessauftakt soll voraussichtlich im Juli stattfinden.