Hagen. Das Land bewertet die Schulen in Hagen nach einem Sozialindex. Warum das Schulen nützt und nicht schadet und was es mit den Zahlen auf sich hat.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat seinen Schulsozialindex neu aufgelegt. Die Schüler, die die Sekundarstufe II besuchen, werden nun nicht mehr berücksichtigt. Warum der Index dennoch für Schulen in der Stadt an Bedeutung gewinnt - dazu äußern sich Bildungsdezernentin Martina Soddemann und Regina Pott, Leiterin des Fachbereichs Schule, im Interview.

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Stigmatisiert der Schulsozialindex in Städten nicht bestimmte Schulen?

Soddemann: Nein. Zunächst einmal muss man festhalten, dass diese Indikatoren keinerlei Aussagen treffen über die Qualität der Arbeit, die an der jeweiligen Schule geleistet wird. An einer hochbelasteten Schule ist sehr wohl ein sehr qualitätsvoller Unterricht möglich.

Warum braucht es denn dann einen solchen Index?

Soddemann: Das Land NRW, das den Schulsozialindex noch einmal überarbeitet hat, nutzt diesen jetzt, um Mittel aus dem Startchancen-Programm des Bundes zu verteilen. Das Prinzip dahinter: Tatsächlich Ungleiches soll so letztlich auch ungleich behandelt werden. Eine solche Indizierung bietet dazu die Möglichkeit. Es geht letztlich darum, Ressourcensteuerung zu gewährleisten. Ein solcher Index sagt etwas über die Rahmenbedingungen aus, unter denen Schule stattfindet. Er bietet die Möglichkeit, auf besonders schwierige Bedingungen entsprechend zu reagieren.

Haben Sie die Ergebnisse überrascht?

Soddemann: Nein. Das kann man nicht sagen. Zumal wir ja seit einigen Jahren einen eigenen Sozialindex pflegen und die Ergebnisse nicht elementar voneinander abweichen. Wenn man so möchte, waren wir dem Land voraus.

Regina Pott, Leiterin des Fachbereichs Bildung bei der Stadt Hagen.
Regina Pott, Leiterin des Fachbereichs Bildung bei der Stadt Hagen. © WP | Michael Kleinrensing

Warum braucht es denn einen eigenen Index? Ergibt das Sinn?

Pott: Ja. Es ist so, dass wir als Kommune auf Daten zurückgreifen können, die beim Sozialindex des Landes keine Rolle spielen. Wir können noch stärker auf die spezifischen Quartiere und ihre Probleme schauen. Und wir haben nicht nur den Raum betrachtet, in dem die jeweilige Schule liegt, sondern können auch berücksichtigen, aus welchen Gebieten die Kinder kommen, die die Schule besuchen. Wenn man nur mal auf das Beispiel der Grundschule Volmetal in Dahl blickt, so bringen wir Kinder ja teilweise mit Bussen aus anderen Stadtteilen dorthin. An der Freiherr-vom-Stein-Schule in Vorhalle ist das ganz ähnlich. Unser Index war und ist noch genauer als der, den das Land jetzt in zweiter Auflage herausgebracht hat.

Wozu hat denn der Hagener Index gedient?

Pott: Wir haben ihn beispielsweise in der Corona-Zeit auch zur Hilfe genommen, als es darum ging, Mittel aus den Pauschalen rund um das Thema „Aufholen nach Corona“ auf die verschiedenen Schulen zu verteilen. Wobei man sagen muss, dass der Index für uns nicht das einzige Kriterium war, um zu gucken, wo der Bedarf besonders groß ist.

Sorgt das nicht für Frust bei vermeintlich „etablierten“ Schulen, die dann leer ausgehen oder weniger bekommen?

Pott: Wir sind ja von Beginn an sehr transparent vorgegangen. Wir haben unseren Hagener Index ja nicht nur der Politik vorgestellt, sondern auch den Vertretern der Schulen. Es ist für alle klar nachvollziehbar, wie die Werte zustande gekommen sind. Das erhöht die Akzeptanz.

Soddemann: Innerhalb der Schulgemeinschaft haben alle Schulen einen gewissen Grad an Belastung. Aber es wird durchaus anerkannt, dass Schulen, die beispielsweise einen bestimmten Anteil an Flüchtlingskindern aufgenommen haben, noch einmal vor anderen Herausforderungen stehen. Es herrscht eine gewisse Solidarität. Letztlich ist unser Index ja nicht das einzige Kriterium.

Index des Landes oder Index der Stadt - an welchem orientieren Sie sich denn nun?

Soddemann: Es ist ja nicht so, dass der eine nun den anderen ersetzt. Wir sind froh, dass auch das Land einen Sozialindex vorlegt. Das schafft auch eine Vergleichbarkeit zwischen den Städten. So wird beispielsweise deutlich, dass es selbst zwischen den Kommunen des Ruhrgebiets deutliche Unterschiede gibt.

Können Sie abschätzen, um welche Fördersummen es für Hagen am Ende geht?

Soddemann: Nein. Da haben wir noch keine Vorstellungen. Aber da wir ja in Hagen schon eine ganze Menge von Schulen haben, deren Index bei acht oder neun liegt, gehen wir schon davon aus, dass diese am Ende auch spürbar profitieren.

Wofür darf man denn die Gelder verwenden?

Soddemann: Es gibt drei Säulen. Es geht um Investitionen in Gebäude, um Schulentwicklung und Personal. Im Fokus steht die Förderung von Basiskompetenzen. Aber auch die Zahl der Schüler, die die Mindestkompetenz in Deutsch und Mathematik verfehlen, soll halbiert werden. Das Positive aus unserer Sicht: Das Startchancen-Programm ist auf zehn Jahre ausgelegt. Das erhöht die Verlässlichkeit für die Schulen enorm und gibt den Kommunen die Chance, im Bereich Bauen Dinge in Ruhe zu planen und dann auch umzusetzen.

Also ist das Programm ein Segen für Hagen?

Soddemann: Wir können das Geld - in welcher Höhe auch immer - gut gebrauchen. Zumal von einem Eigenanteil der Kommunen bislang nicht die Rede ist. Es ist ja kein Geheimnis, dass Hagen aufgrund der Zuwanderungssituation und seiner finanziellen Lage dringend Unterstützung benötigt. Und diese Hilfen sind - was aus Sicht einer Bildungs- und Sozialdezernentin kaum verwundert - besonders gut angelegt, wenn wir bei den Kleinsten beginnen und ihnen die Chance ermöglichen, gut in der Schule anzukommen. Daneben - auch wenn das nicht Bestandteil der Förderung ist - gilt dasselbe natürlich für die Kitas in den Quartieren. Stadt und Land sind da in einer gemeinsamen Verantwortung.

Wie geht es denn jetzt weiter?

Pott: Es ist nicht so, dass die Stadt nun hergeht und bestimmt, welche Schulen profitieren. Diese Auswahl trifft das Land. Wir gehen davon aus, dass zum Start des kommenden Schuljahrs nicht alle Schulen gleichzeitig Geld erhalten, sondern dass es einen gestaffelten Ablauf gibt und die Schulen nach und nach profitieren.