Hagen. Mit Fleiß und Motivation: Der Hagener (23) kann seine Berufskraftfahrer-Ausbildung vorzeitig beenden und kriegt einen festen Job. Wir fahren mit.
„Von nix kommt nix“, sagt Awet Gerezgher. Er sitzt auf dem Fahrersitz des gelben Lkw, und dann sagt er einen Satz, der für ihn vielleicht selbstverständlich klingt: „Das Erste, was man machen muss, wenn man in ein anderes Land geht: geduldig bleiben und die Sprache lernen. Man muss offen sein. Das war ich immer.“
Awet Gerezgher ist 23 Jahre alt, stammt gebürtig aus Eritrea und lebt erst seit ein paar Jahren in Deutschland. In diesen paar Jahren hat er seinen Realschulabschluss geschafft, lernte am Cuno-Berufskolleg und arbeitet mittlerweile als Berufskraftfahrer für die Deutsche Post in Hagen.
„Ich bin natürlich nach Deutschland gekommen, um ein besseres Leben zu haben. Das war aber nicht der Hauptgrund. Eritrea ist eine Diktatur, die Menschen haben keine Freiheit, können ihre Meinung nicht sagen. Meine Familie hatte immer ein Haus, Essen und war gut gebildet. Aber ich musste mich jahrelang vor dem Militär verstecken, weil ich kein Soldat sein wollte. Das war kein Leben mehr. Deswegen bin ich geflohen“, sagt Awet Gerezgher.
Ausbildung ein halbes Jahr verkürzt
Jetzt muss er sich nicht mehr verstecken, wenn er morgens aufsteht und in Dortmund aus der Haustür tritt. „Ich habe ein freies Leben, das ist viel wert. Ich kann Auto fahren und Musik hören - besser geht es doch nicht.“ Der 23-Jährige grinst. Er ist ein fröhlicher Mensch. Fleißig und hoch motiviert, sagt sein Ausbilder Markus Strauß über ihn: „Er konnte seine Ausbildung sogar ein halbes Jahr verkürzen - wir sind froh, dass wir ihn haben. Er hat immer gute Arbeit gemacht.“
Als Berufskraftfahrer hat Awet Gerezgher verschiedenste Aufgaben im Schichtdienst. Sein Tag startet eigentlich immer damit, dass er von der Transportaufsicht einen Fahrauftrag kriegt. Heute: Ware am Briefzentrum abholen und sie zum Paketzentrum bringen, wo sie dann sortiert und weiterverschickt wird. Neben Gerezgher gibt es vier weitere Azubis in diesem Bereich, im August steigen drei neue ein. Außerdem bildet die Post in 15 weiteren Berufen aus, erklärt Markus Strauß.
„Lkw fahren macht Spaß - aber man muss es lernen“, sagt der 23-Jährige mit Blick auf seine Ausbildung. Etwa 350 Kilometer Strecke legen die Fahrer am Tag etwa zurück, schätzt Strauß. Sie holen Ware ab, fahren teils bis nach Winterberg. Oder aber machen Kurzstreckenfahrten, um Lieferungen vom Brief- zum Paketzentrum zu bringen, sie rangieren, beladen die Lkw und entladen sie. Sie sind ein wichtiger Schnittpunkt im Versandnetz der Post. „In der Ausbildung musste ich aber nicht nur fahren, sondern auch Rechnen und Wirtschaftliches lernen. Das war spannend, aber auch anstrengend.“ Awet Gerezgher lacht wieder.
Eltern seit sieben Jahren nicht gesehen
Er kam allein nach Deutschland. Hat mittlerweile viele Freundschaften geschlossen und engen Kontakt zu seinem Bruder, der in der Schweiz lebt. „Meine Eltern habe ich jetzt seit sieben Jahren nicht gesehen, aber ich denke immer an sie“, sagt der 23-Jährige. Er war noch jugendlich, als er nach Deutschland kam, lebte zunächst am Borsigplatz in einer Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge. „Das war nicht immer leicht, aber auch die Zeit hatte was Schönes.“
Jetzt hat er seine eigene Wohnung. Einen festen Job. Ein festes Einkommen. Unterstützt seine Familie in der Heimat. „Ich liebe meine Arbeit. Ich hatte mal eine Ausbildung zum Altenpfleger angefangen, das war nichts für mich - es war zu traurig. Hier bin ich glücklich“, sagt Awet Gerezgher.
Er wisse nicht, ob er jemals zurück nach Hause könne. „Aber natürlich wünsche ich mir, meine Eltern wiederzusehen und sie mal zu besuchen. Vielleicht auch woanders. Außerdem habe ich die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, das wäre auch ein Wunsch von mir.“