Hagen. Ein 54-Jähriger wird im Hagener Lennetal in der Firma erschossen - sein Stiefbruder sitzt in U-Haft. Jetzt werden weitere Hintergründe bekannt.
Der tödliche Schuss im Lennetal - was steckt dahinter? Aus dem nahen Umfeld des Altmetallhandels verlautet: Eine familiäre Tragödie, der Kampf um den millionenschweren Wertstoffhof und die große Angst vor einer Pleite.
Weil der mutmaßliche Schütze (77) sein Lebenswerk bedroht gesehen haben soll, hätte er zur Pistole gegriffen und seinen Stiefbruder (54) getötet. „Polizeibeamte nahmen den 77-jährigen Einzeltäter fest“, erklären Polizei und Staatsanwaltschaft am Samstag. Oberstaatsanwalt Bernd Haldorn geht derzeit von einem heimtückisch begangenen Mord aus.
Mitarbeiter und Sohn durch Schüsse aufgeschreckt
Der rekonstruierte Tathergang: Das Opfer stand, wie unsere Zeitung aus sicherer Quelle erfuhr, hinter seinem Schreibtisch im Büro und sackte, nachdem es von der Kugel getroffen worden war, blutig zu Boden. Tot. Durch das Schussgeräusch aufgeschreckt, eilten der Sohn des Getöteten (23) und ein Firmen-Angestellter (48) ins Büro. Sie wurden dort mit einer regelrechten Schuss-Salve empfangen und lebensgefährlich getroffen.
Wie die Staatsanwaltschaft am Montag nach Vorliegen der Obduktionsergebnisse bestätigt, wurde das 54-jährige Opfer von insgesamt vier Schüsse getroffen. Ein Durchschuss an der Lunge und Lungenarterie sei letztlich tödlich gewesen. Der Mitarbeiter - seine Lage gilt als stabil - wurde von einem Schuss getroffen, der 23-Jährige nach Angaben der Staatsanwaltschaft von drei Schüssen. Er sei mittlerweile außer Lebensgefahr.
Auch bei den Schüssen auf die Mitarbeiter bzw. den Sohn soll der 77-Jährige, der nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hagen einen Waffenschein besaß, Schütze gewesen sein.
Pistole am Tatort gefunden
Kriminalbeamte fanden später die mutmaßliche Tatwaffe auf dem Firmengelände - es handelte sich um eine Pistole. In der Nacht zu Montag sei es, so bestätigt die Polizei, zu einem versuchten Einbruch auf dem Gelände gekommen. Eine Sicherheitsfirma hatte die Polizei verständigt. Beamte fanden Hebelspuren am Fensterrahmen des amtlich versiegelten Containers. „Ob ein Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt besteht, ist jetzt Gegenstand der weiteren Ermittlungen“, so Polizei-Sprecher Tino Schäfer. Auch ein Polizeihubschrauber und Hunde waren in der Nacht zu Montag im Einsatz. Die Aufnahmen einer Videoüberwachungsanlage wurden sichergestellt.
Vor einigen Jahren hatte sich der 77-Jährige im Rahmen eines millionenschweren Steuerstrafverfahren in Hagen vor Gericht verantworten müssen. Dabei war herausgekommen, dass er den Wertstoff-Hof am Rande der Sauerlandlinie A 45 offenbar sehr erfolgreich führte. Mit Edelmetallen und Schrott verdiente er Millionen, es gab Ärger mit dem Finanzamt.
„Der Hintergrund der Tat wird zum jetzigen Zeitpunkt in den geschäftlichen und familiären Beziehungen vermutet“, so die Staatsanwaltschaft zu dem Fall. Aus dem Umkreis der Firma heißt es, dass gesundheitliche Probleme den Unternehmer schließlich im Juni vergangenen Jahres zwangen, die Firma an seinen Stiefbruder zu übertragen. Die Hoffnung, dass der Schrotthandel im bewährten Sinne weitergeführt werden würde, entpuppte sich nach Insider-Angaben schnell als Illusion: Bereits bei der Übergabe des Unternehmens sei es zwischen den beiden Stiefbrüdern zum Streit gekommen.
Stiefbruder will Firma wieder zurückkaufen
Auch in der Folgezeit soll der neue Chef seine Machtposition maßlos ausgenutzt und sich als Lebemann aufgespielt haben. Schnelles Geld und das Protzen mit Luxus wären sein Ding gewesen, heißt es aus dem Umkreis der Firma.
Damit kam der alte Firmeninhaber, der weiterhin auf dem Grundstück wohnte, offenbar überhaupt nicht klar. Er soll sein einstiges Lebenswerk bedroht gesehen und sich daraufhin in die Befürchtung hineingesteigert haben, dass sein Halbbruder den alteingesessenen Schrotthandel in die Pleite treiben würde. Schließlich erlitt er einen Herzinfarkt.
Haftbefehl wegen Mordes erlassen
Ein letzter Versuch, die Firma von seinem Halbbruder zurückzukaufen, soll gescheitert sein. Auch der zweistellige Millionenbetrag, den der 77-Jährige ihm dafür angeboten haben soll, führte nicht dazu, dass der 54-Jährige seinen Chefsessel wieder räumen wollte, heißt es aus dem Umkreis der Firma weiter. War dies der Grund dafür, dass er schließlich erschossen wurde?
Die eingesetzte Mordkommission wird dieser Frage jetzt nachgehen. Samstagnachmittag hat das Amtsgericht einen Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Der Tatverdächtige hätte ruhig und gelassen darauf reagiert, so sein Wahlverteidiger Dirk Löber (Lüdenscheid): „Zu den Tatvorwürfen hat sich mein Mandant aber bisher nicht geäußert.“