Hagen. Die blaue Kuppel ist ein Hagener Wahrzeichen. Ein Besuch auf dem historischen Rathausturm - und seine Geschichte:
Die schmale Holztreppe im kleinen Archiv knarrt und ächzt unter den Schritten. Am Ende der Treppe öffnet eine schwere Tür den Einblick in einen verlassenen Turm. Hunderte von Menschen schlendern täglich an ihm vorbei, ohne ihn aktiv wahrzunehmen. Er gehört zum Stadtbild dazu. Ein echtes Hagener Wahrzeichen, von dem nur die wenigsten die Geschichte kennen. Oder jemals oben waren.
„Es ist nicht der Kölner Dom, der historische Rathausturm wird auch nicht touristisch genutzt. Schätzungsweise waren vielleicht 0,2 Prozent der Hagener je hier oben“, sagt Peter Mook, Ehrenamtsbeauftragter der Stadt Hagen.
Aufstieg in eine andere Welt
Und weil der Turm eben nicht touristisch genutzt wird, wirkt der Aufgang im gelben Licht der Lichtstrahler wie ein Aufstieg in eine andere Welt. Ohne Schnickschnack, ohne Deko. Die Wände sind grau, unverputzt - und an einigen Stellen auf dem Boden sind noch Überreste von Taubenkot zu sehen. Der Zahn der Zeit nagt an den Böden und Wänden.
„Damals hat man nur knapp zwei Jahre für den Bau benötigt, es war alles noch pragmatischer, heute wäre das nicht mehr denkbar“, sagt Peter Mook zu dem Turm, der im Krieg schwer beschädigt wurde (siehe Box). Er wurde Jahre später wieder aufgebaut. Mittlerweile ist er seit vielen, vielen Jahren verlassen.
Über graue Steintreppen geht es weiter hinauf in einen kleinen Zwischenraum. Dort steht ein verlassener Holzstuhl vor einem Holzgewinde, das erst eine Etage weiter oben interessant wird. Denn von diesem Raum aus gelangt man zu einer kleinen Zwischenetage, auf der sich die noch komplett mechanisch betriebene Rathausuhr mit zwei Metern Durchmesser befindet. Sie wird von einem Zahnradwerk betrieben.
Wer um das eingemauerte Zahnradwerk herumgeht, kann die Uhr aus dem Innern des Turms heraus bestaunen. Lediglich die Pendel werden heute von einem kleinen Generator hochgezogen.
Ein verwaister Taubenschlag
Es geht weitere Treppen hinauf. Hinauf in einen Raum, der einst einmal ein Taubenschlag gewesen ist. Die Holzregale an den Wänden zeugen davon. „Offenbar verirren sich bis heute einige Tauben hier rein“, sagt Peter Mook. Drei Vögel hatten sich im Sommer durch eine Lücke zwischen den Streben gezwängt und waren hier verendet. „Wir werden Maßnahmen ergreifen, damit das nicht mehr passieren kann“, betont Mook.
Und es geht noch weiter hinauf. 100 Stufen sind es insgesamt bis oben. Bis hinauf zur Plattform, die auf knapp 50 Metern Höhe liegt, mit Spitze und Kuppel misst der Turm aber knapp 60 Meter. „Erst seit einer Woche haben wir hier wieder das markante blaue Licht“, sagt der Verwaltungsmitarbeiter. Kleine Strahler auf dem Boden strahlen die Glaskuppel von innen heraus an und verleihen ihr das markante blaue Gesicht.
Ausblick über weite Teile der Stadt
Durch eine kleine Tür gelangt man auf die Plattform im Freien, die sich um die gesamte Turmspitze schmiegt. Von hier aus bietet sich ein Blick über weite Teile der Innenstadt an diesem kalten Winterabend. Der Himmel ist wolkenverhangen, aber wer sich ans Geländer traut, kann den Weihnachtsmarkt und die Fußgängerzone, oder aber das Verwaltungshochhaus auf der anderen Seite bestaunen.
Es geht die 100 Treppen wieder hinab. Hinab von einem verlassenen Turm. Ein Stück Stadtgeschichte.
Die Geschichte des Rathausturms
Als das Wachstum der Stadt auch größere Verwaltungseinheiten erforderte, konnte auch eine Aufstockung des Rathauses im Jahr 1846 dem Raummangel nicht abhelfen. Man entschloss sich, den alten Rathausbau 1898 abzureißen und an gleicher Stelle ein neues, größeres Rathaus zu erbauen. Der Grundstein zu diesem Rathaus wurde am 15. Mai 1899 gelegt, eingeweiht wurde es am 23. Mai 1903. Beim Bau des Rathauses wurde auch ein 69,5 Meter hoher Turm errichtet.
Am 6. März 1933 wurde der Rathausturm zum Schauplatz eines düsteren Ereignisses. Mehrere SA-Männer hissten die Hakenkreuzfahne auf dem Turm. Einige Zeit später wurde am Turm ein im Dunkeln leuchtendes Hakenkreuz installiert. Das Rathaus samt Turm wurden später beim ersten schweren Luftangriff auf Hagen stark beschädigt. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges erlitt das Rathaus durch Bomben und Artilleriebeschuss weitere schwere Schäden. In der Nachkriegszeit erfolgte ein behelfsmäßiger Wiederaufbau von 1946 bis 1955.
Durch Beschluss der Stadtvertretung im September 1954 erhielt der wiederaufgebaute Rathausturm als Abschluss eine „Laterne“ aus Stahl und Glas, einschließlich der Kupferkugel und der Spitze. Die Kugel auf dem Rathausturm wurde von dem Stadtarchivar Walter K.B. Holz als Sonne für sein in den 1960er und 70er Jahren geschaffenes Planetenmodell genutzt.
Im Juni 2003 wurden im Rathausturm vier junge Wanderfalken ausgesetzt, um der Taubenplage in der Stadt Herr zu werden. Diese Maßnahme blieb jedoch ohne Erfolg, die Falken suchten nach kurzer Zeit das Weite.