Wehringhausen. Nach zähem Dornröschenschlaf tut sich jetzt was an der Varta-Insel: Hier sollen die Altlasten der Batterieproduktion aus dem Boden verschwinden.
Der Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung (AAV), die Hagen-Areal GmbH (vormals HIG/Hagener Industrie- und Gewerbeflächen GmbH) sowie die Stadt Hagen setzen, wie die Partner es unbescheiden einordnen, „einen Meilenstein auf dem Weg zur Entwicklung eines neuen Industrie- und Gewerbeparks“. Dafür beginnt in diesen Tagen die Sanierungsuntersuchung auf dem sechs Hektar großen Altstandort der „Varta-Insel“ in Wehringhausen. Denn der AAV übernimmt in dem gemeinsamen Projekt die Federführung bei der Planung und Realisierung der Arbeiten. Grundlage ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der bereits 2022 zwischen den drei Partnern geschlossen wurde.
Abriss ist jetzt elf Jahre her
Bislang hatte die Neu-Entwicklung der etwa 62.000 Quadratmeter großen Varta-Insel in Wehringhausen es ein wenig an Dynamik vermissen lassen. Spötter formulierten bereits die Sorge, dass das dort sprießende Grün mittlerweile von der Baumpflegesatzung geschützt werde und somit Spatenstiche für Neugründungen verhindern würde. Immerhin ist es jetzt elfeinhalb Jahre her, dass mit dem offiziellen Spatenstich für die Bahnhofshinterfahrung die ehemaligen Produktionshallen des weltbekannten Batterieherstellers abgerissen wurden. Damit wurde der 23. März 2012 nicht bloß zum symbolischen Startschuss für ein 60-Millionen-Euro-Straßenprojekt, sondern für die Wirtschaftsförderung einer Stadt mit akutem Gewerbeflächenmangel zugleich zum Tag 1 einer dringend erforderlichen Nachfolge-Vermarktungsoffensive.
Doch sichtbar passiert ist seitdem eher wenig: Der Abrissschutt wurde beseitigt, das Areal über den kleinen Kreisverkehr an der Kuhlestraße straßentechnisch angebunden und letztlich noch ein stattlicher Zaun drumherum errichtet. Ein Refugium für Fauna und Flora am Ufer der Ennepe, das nur darauf wartet, durch Investitionen wieder wachgeküsst zu werden.
Untersuchungskonzept steht
Doch jetzt soll sich tatsächlich was tun: Der beginnenden Sanierungsuntersuchung liegt ein Untersuchungskonzept zugrunde, das im August 2023 mit allen Beteiligten abgestimmt wurde. Die folgenden Schritte werden in den kommenden Monaten unternommen:
Vorbereitend zu den weiteren Geländearbeiten wird zunächst eine Artenschutzprüfung durchgeführt, um die arten- und naturschutzfachliche Situation auf und um den Standort allgemein zu klären sowie die Gefährdung während der Feldarbeiten zum Beispiel von Fledermausquartieren so weit wie möglich auszuschließen.
Standort mit Vergangenheit
Vor 1880 befand sich auf dem Standort eine industrielle Großschmiede. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Fläche für die industrielle Batteriefertigung durch die AFA Accumulatoren-Fabrik AG genutzt.
Diese firmierte im Jahr 1962 um in die Varta Aktiengesellschaft. Nach verschiedenen Eigentümerwechseln wurde die Batterieproduktion auf dem Standort 2005 eingestellt und das Gelände liegt seitdem brach.
2011 wurden die letzten vorhandenen Gebäude zurückgebaut, Keller verfüllt und unversiegelte Bereiche mit einer Asphaltdecke versehen. Damit sollte verhindert werden, dass der womöglich belastete Untergrund durch Regenwasser ausgespült wird, und die möglichen Giftstoffe in die Ennepe abfließen.
Denn Bereits in den Jahren 2008 und 2018 wurden erste Untersuchungen durchgeführt und anthropogene Aufschüttungen festgestellt, die Schadstoffbelastungen mit den Schwermetallen Blei, Cadmium und Chrom aufwiesen.
Im Grundwasser wurden Prüfwertüberschreitungen nach der Bundesbodenschutzverordnung für Schwermetalle festgestellt.
Anfang Oktober müssen dann durch Freischnittarbeiten an den stattlichen Gehölzen Zuwegungen zu geplanten Bohr- und Aufschlusspunkten geschaffen werden. Der entsprechende Auftrag für die Freischnittarbeiten wurde bereits erteilt.
Kanal ist einsturzgefährdet
Unter anderem wird eine Kanalinspektionsdrohne eingesetzt, um Erkenntnisse über einen auf einer Länge von rund 750 Metern das Gelände durchquerenden, einsturzgefährdeten überbauten Graben zu gewinnen, in dem schadstoffbelastete Sedimente abgelagert sind. Es werden Grundwassermessstellen errichtet und Abflussmessungen durchgeführt. Dadurch sollen die hydrogeologischen Standortbedingungen und damit die Schadstoffverbreitung besser erfasst werden.
Bei der Untersuchung des Untergrunds werden mit Rammkernsondierungen und aus Baggerschürfen Bodenproben entnommen und damit die Zusammensetzung der Auffüllungen einschließlich des Schadstoffspektrums aus der früheren Batterieproduktion analysiert.
Es erfolgen umfangreiche Analysen von Boden-, Grund- und Oberflächenwasserproben auf vornutzungs- bzw. standortspezifische Schadstoffe. Dabei handelt es sich, so erwarten die Experten, vor allem um Schwermetalle und PAK (polyzyklisch aromatische Kohlenwasserstoffe) aber auch vereinzelt um leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe, per- und polyfluorierte Alkylverbindungen.
Basis für Sanierungsplan
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bilden dann die Basis für den zu erstellenden Sanierungsplan. Mit der Sanierungsuntersuchung und der Erstellung des Sanierungsplanes hat der AAV die Arcadis Germany GmbH beauftragt. Die Feldarbeiten im Rahmen der Untersuchung dauern voraussichtlich bis Ende 2023. Nach Abschluss dieser Datenauswertung wird der endgültige Sanierungsplanung aufgestellt.
Wann beziehungsweise mit wem eines Tages auf der Fläche die städtebauliche Entwicklung vorangetrieben werden soll, steht derweil noch völlig in den Sternen. Beim Besuch der Immobilienmesse Expo Real Anfang Oktober in München hat die Delegation aus Hagen neben der Westside auch versucht, Investoren und Projektentwickler für die Varta-Insel zu gewinnen. Ob sich daraus eines Tages etwas Konkretes ergibt, gilt es abzuwarten. Bislang hat die Hagen-Wirtschaftsentwicklung in den sozialen Netzwerken als Bilanz der Visite in der bayerischen Landeshauptstadt lediglich verlautbaren lassen: „Neben guten Gesprächen und Austausch haben wir viele neue Kontakte, spannende Impulse und auch viel Arbeit für die kommende Zeit im Gepäck nach Hause gebracht und freuen uns auf die Aufarbeitung in der nächsten Zeit.“