Hagen. In Hagen soll der Busverkehr attraktiver werden. Im Fokus stehen ab Januar die Nachtexpresse. Die Planer beschäftigt das schon heute.
Am Anfang nimmt er sich ein Blatt Papier und einen Bleistift. Es entsteht eine erste Skizze. Ein erster grober Plan einer Linie. Mit einem Verlauf, möglichen Haltestellen, vielleicht schon mit Abfahrtszeiten. Es ist eine Idee, die irgendwann eingegliedert wird in ein sensibles System, in dem mit einer relativ hohen Präzision Rädchen so ineinandergreifen, dass man es am liebsten gar nicht mehr anfassen möchte. Rahmenbedingungen ändern sich aber: Lebensgewohnheiten von Menschen. Wege, auf die sie sich begeben. Preise und Tickets, die vom Verkehrsverbund vorgegeben werden. Und letztlich die Menge Geld, die Politik für den Nahverkehr in Hagen bereitstellt.
Da hatte sie nach rigidem Sparkurs unlängst mal wieder mehr Geld auf den Tisch gelegt, die Politik. Weil immer klarer wurde, dass es in einer schadstoffgeplagten Autostadt, die in den 60er-Jahren konzipiert wurde, eine verkehrliche Alternative geben muss. Wobei sich die Henne-Ei-Frage stellt: Braucht es erste ein besseres Angebot, damit Menschen umsteigen. Oder fahren so wenige in Hagen mit dem ÖPNV, dass es gar keinen Sinn ergibt, dafür mehr Geld auszugeben?
Mehr Geld für attraktiven Nahverkehr
Das Ergebnis: Es braucht mehr, es braucht einen anderen, einen attraktiveren Nahverkehr. Eine Erkenntnis, die einen Mann auf den Plan rief, der als Kind im Schatten einer Bahnstrecke aufwuchs und den nahen und den fernen Verkehr quasi vorbeirauschen sah. Philippe Staat, Fahrplanentwickler und Verkehrsplaner bei der Hagener Straßenbahn. Der Mann über Liniennetz und Fahrpläne.
„Bei der Umstellung im Jahr 2019 ist vieles richtig gut gelaufen“, sagt Staat, der die böse Marketingformel „Linie Mensch“, mit der das Verkehrsunternehmen zehn Jahre zuvor Schiffbruch erlitten hatte, nur noch vom Hören-Sagen kennt. Damals hatte das Unternehmen den kompletten Netzplan auf den Kopf gestellt. Und an den ersten Tagen war die „Linie Mensch“ im übertragenen, aber auch im wörtlichen Sinne als „Linie Murks“ an vielen Menschen vorbeigerollt.
Mit dem Block am Steuer im Bus
Ein Desaster, das sich 2019 auf keinen Fall wiederholen sollte. „Aber es gab so wenig Beschwerden wie selten“, sagt Philippe Staat. Was auch daran gelegen haben mag, dass Staat und seine Kollegen selbst immer wieder mit Menschen gesprochen haben – auf Marktplätzen, in politischen Ausschüssen und letztlich in den Bussen. „Wenn ich selbst fahre, was immer wieder vorkommt, habe ich immer einen Block dabei und schreibe Anregungen und Ideen auf“, sagt Philippe Staat.
Der große Eingriff ins System ist diesmal reibungslos gelaufen, ein kleinerer zuletzt nicht. Denn nach den Sommerferien hatten zuletzt Grundschulkinder in Hohenlimburg Probleme, morgens pünktlich zum Unterricht zu erscheinen, und einige mussten obendrein am Bahnhof umsteigen. „Wir haben nachgebessert“, sagt Staat, der schon als Kind Straßenbahn-Fahrer werden wollte und später Raumplanung Verkehrsgeografie in Dortmund studiert hat, und kündigt weitere Optimierungen im Hohenlimburg-Kosmos an.
Nachtexpress: Änderungen stehen an
Vor der Brust haben Staat und seine Kollegen noch den Spätverkehr in Hagen. Da steht eine kleine Revolution an, die es möglich macht, dass in den Abendstunden und in Teilen bis in die Nacht hinein im Halb-Stunden-Takt die Busse bis in die Stadtteile hineinfahren. „Angelehnt ist das Ganze an die Ankunftszeit des Regionalexpress 4 am Hagener Hauptbahnhof“, sagt Philippe Staat. „Es wird viele gute Anschlussmöglichkeiten geben, aber nicht alle Nachtexpresse werden wie bislang an einer zentralen Haltestelle parallel abfahren. Die letzten Fahrten finden gegen 2 Uhr statt. Für die allermeisten Kunden wird sich das Angebot verbessern.“
Er persönlich steht voll hinter diesem neuen Angebot, sagt Philippe Staat. „Ich freue mich drauf. Auch für die Kollegen wird das Fahren angenehmer. Es bleibt ein bisschen mehr Zeit an den Endhaltestellen.“
Neubau der Brücke wird zu Herausforderung
Die Planung aber bleibt ein nichtendender Prozess. Auch wenn Staat sich freuen würden, nach den nächsten Umstellungen einmal ein paar Jahre Ruhe zu haben. Die nächste große Herausforderung könnte ein erforderlicher Neubau der Brücke an der Badstraße werden, die von zahlreichen Buslinien täglich überfahren wird. „Wenn wir da keinen Ersatzbau für den ÖPNV bekommen, müssen wir unseren gesamten Fahrplan neu stricken“, sagt Philippe Staat. Es bräuchte viele Blätter. Und viele Bleistifte.