Breckerfeld. Dies ist das Porträt eines Sozialarbeiters aus Breckerfeld. Ein Mann, der den Werdegang Hunderter Kinder und späterer Eltern prägt.
Man muss schon lange durch dieses Land reisen, um einen älteren Menschen zu treffen, der der heutigen Jugend folgendes Attest ausstellt: „Sie haben sich nicht zum Nachteil verändert.“ Die Redefigur, die Eckart Krug da nutzt, nennt man Litotes. Die Verneinung des Gegenteils. Und falls der geneigte Leser an dieser Stelle zu gähnen beginnen sollte, weil ihn Aufsätze über rhetorische Stilmittel langweilen – der Mensch, um den es hier geht, ist in gewisser Form ein verneintes Gegenteil. Denn er, den in Breckerfeld alle nur „Ecki“ nennen, schafft seit Jahrzehnten das, was der Zeitgeist eigentlich wegschrubben will: Er hält ein Jugendzentrum in der Gegenwart und führt es in die Zukunft.
An den Wänden: Holzvertäfelung. Niemand hat mehr Holzvertäfelung. Man findet sich noch in kirchlichen Gemeindehäusern, in alten Partykellern und zum Beispiel hier. Im alten Busbahnhof Breckerfeld. Ja, Breckerfeld hatte mal einen Bahnhof. Das tut eigentlich nichts zur Geschichte, aber Bahnhöfe sind ja auch ein Symbol. Hier kommen Menschen an. Bei Ecki auch. Junge Menschen. Kinder und Jugendliche.
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Das Leben schien zunächst nicht vorgesehen zu haben, dass Ecki mal ein Jugendzentrum führt. Er machte eine Ausbildung bei der Post, war später bei der Bahn. „Nichts gegen diese Jobs“, erinnert sich Ecki, „aber ich wusste irgendwie immer, dass ich mehr kann. Seine damalige Freundin inspirierte ihn. Sie studierte. Er fasste sich ein Herz und begann damit ebenfalls. „Sozialarbeit“, sagt der 64-Jährige, der die Gabe zu haben scheint, umfangreiche, auch emotionale Zusammenhänge, mit wenigen simplen Worten zu beschreiben. Ecki, der bei Jugendlichen und Ex-Jugendlichen in Breckerfeld so sehr geschätzte Sozialarbeiter auf dem zweiten Bildungsweg.
Hunderte Ferienspaß-Touren
„Man darf ein Jugendzentrum nicht an der Anzahl der Besucher messen.“ Zitat Ecki. Darin steckt eine Botschaft. Nämlich die, dass jeder Einzelne zählt. Egal ob er einer von 50, 70 Besuchern täglich wie vor 30 Jahren ist oder einer von 25 wie heute. Egal, ob du als einziges Kind im Regen vor dem Jugendzentrum stehst oder eines von Hunderten, ach was, Tausenden bist, die in 30 Jahren mit Ecki Ferienspaß-Touren unternommen haben und ihm heute selbst ihre Kinder schicken.
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Einer wie Ecki ist in den Augen vieler Kämmerer dieses Landes Einsparpotenzial pur. Jugendzentren sind keine Pflicht für Kommunen – im Gegensatz zu Kita-Plätzen zum Beispiel. Man muss sich Jugendzentren leisten können. Und wollen. „Seit ich in Breckerfeld bin, ist es in meinem Bereich nie ums Sparen gegangen“, sagt Ecki Krug. Nun ist Breckerfeld ja noch eine Stadt mit finanzieller Flexibilität, ohne das zu groß klingen lassen zu wollen. Wobei der Bereich der Jugendarbeit ja streng genommen für die Städte Ennepetal und Breckerfeld zusammengesteuert wird. Ist aber auch unwichtig. Eingespart wurde hier dennoch nie.
Ein Mann, der leise spricht
Das hat – auch – mit Qualität zu tun. Blenden wir mal aus, dass das Jugendzentrum am alten Busbahnhof wie eine Zeitkapsel aussieht, in der es 1979 geblieben ist. Diskolichter (Ecki: „Niemand sagt mehr Disko“), Spielesammlungen aus den 80ern, ein Billardtisch. Das Modernste ist noch die Playstation, die auch ziemlich stark genutzt wird. Das Wesentliche aber ist: Ecki. Ein Mann, der leise spricht, sehr bescheiden daherkommt, und das Fingerspitzengefühl in sich hat, wann man die Jugendlichen, die herkommen, einfach mal in Ruhe lässt und wann man mit ihnen spricht.
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Heute sind das über den Wochentag verteilt noch 20 junge Leute. Manche warten schon kurz vor Öffnung um 15 Uhr vor der Tür. Bis 20 Uhr ist geöffnet. Freitags bis 21 Uhr. „Die Entstehung der Gesamtschulen und des offenen Ganztags haben noch mal dafür gesorgt, dass wir weniger Leute im Jugendzentrum sehen“, sagt Ecki. Die, die aber noch kommen, erleben durch Ecki und sein Team weiterhin, was Jugendarbeit einer Kommune eigentlich bedeutet. Prävention, Beratung, Hilfe, Kultur und Subkultur, Partizipation, pädagogische Konzepte. Sozialarbeiter sind keine Leute, die einfach nur den Schlüssel zum Jugendzentrum haben. Sie haben den Schlüsseln zu den Kindern.
Kein WLAN-Passwort
Nicht zum Nachteil verändert – das hat Ecki über die junge Generation von heute gesagt. „Und das ist auch so. Natürlich finde ich das merkwürdig, wenn vier Jugendliche in einer Sitzgruppe hier sitzen, nur auf ihre Handys gucken und weniger miteinander reden. Ich nehme aber auch wahr, dass es heute einen rücksichtsvolleren Umgang miteinander gibt“, sagt der Sozialarbeiter, der niemals das WLAN-Passwort des Jugendzentrums an die Kinder herausgeben würde. Wer in der digitalen Welt freizeitversumpfen will, muss das mit eigenem Datenvolumen tun.
Ecki selbst lebt übrigens in Hagen am Innenstadtring. Er ist ein Junge aus dem Bahnhofsviertel. Keinen einzigen Tag hat er in Breckerfeld gewohnt. „Das ist auch besser so, dass ich wohnlich ein bisschen Distanz habe“, sagt er. Denn er kann nicht unerkannt und ohne angesprochen zu werden, durch Breckerfeld laufen. Es sind die Kinder, die Mittelalten und die Alten, die ihn erkennen. Volksfeste oder die Kirmes toppen das sogar noch. Kinder hat er selbst übrigens keine. Dafür Hunderte, die er im Laufe von 30 Jahren Sozialarbeit und Jugendpflege in Breckerfeld begleitet, geprägt und denen er zugehört hat.
Der Zukunftsblick ist, sagen wir, schade. Ecki glaubt zwar, dass Jugendzentren immer ein fester Bestandteil kommunaler Angebote bleiben werden. Aber ohne ihn. In zwei Jahren wird Schluss sein. „Noch zwei Sommer, dann bin ich raus“, deutet er an, dass der Ferienspaß noch zweimal unter seiner Führung stattfindet. Die arbeit werde ihm eines Tages fehlen. Die Kinder vor allem. „Aber es reicht dann auch“, sagt er. Seine Nerven würden schwächer. Er grinst, dreht sich um und bereitet vor. Gleich ist es 15 Uhr. Das Jugendzentrum öffnet.