Hagen. Bei „Hagen handelt“ trafen sich Wirtschaftsexperten und Einzelhändler. Das sind ihre Ideen für eine lebendige City. Und was sagen die Bürger?

Wenn die Antworten – oder noch besser die Wege dorthin – nur so einfach wären … „Was macht unsere Innenstadt lobenswert, liebenswert und lebenswert?“ fragte Stefan Postert in die Runde.

Knapp 100 Teilnehmer in der SIHK

Der Stadtentwickler und Moderator sprach die knapp 100 Teilnehmer des Aktionstages „Hagen handelt“, auf dem es um die Belebung der Innenstadt und um ein besseres Image für die City ging, direkt an und appellierte daran, nicht alles aufzuzählen, was in Hagen sowieso nicht läuft oder geht, sondern sich Ziele zu stecken, die relativ leicht und schnell umsetzbar sind.

Und: „Wir sollten viel kleinteiliger Hinschauen und nicht die ganze Innenstadt, sondern vielmehr Viertel, Quartiere und einzelne Räume ins Visier nehmen.“

Vertreter des Einzelhandels und der Wirtschaft diskutieren in der SIHK über Perspektiven für Hagen.
Vertreter des Einzelhandels und der Wirtschaft diskutieren in der SIHK über Perspektiven für Hagen. © SIHK | SIHK

Vor dem Hintergrund von Corona (was alle Städte und Kommunen getroffen hatte), der Hochwasserkatastrophe, die die Volmestadt im Juli 2021 heimsuchte, aber auch vor dem Hintergrund des holprigen Neustarts der Rathaus-Galerie samt der Insolvenz des Eigentümers und der baldigen Schließung des Kaufhofs in Hagen sprach Stefan Postert von einer disruptiven Entwicklung, die auch Hagen mit Wucht träfe. Darunter versteht man neue Produkte oder Geschäftsmodelle, die Bestehendes verdrängen und für eine Marktverschiebung sorgen.

Alte Weggefährte verabschieden sich aus der Szene

„Alte Weggefährte von früher, also beliebte Geschäfte oder Kneipen, verabschieden sich aus der Szene und werden auch nicht wiederkehren. Aber eine Innenstadt muss auch ohne einstige ,Hauptdarsteller‘ funktionieren“, resümierte der Stadtentwickler.

Partner zusammenführen und Ideen bündeln

Als Mit-Gastgeber des Aktionstages versprach Dr. Ralf Geruschkat (SIHK) den Besuchern, auch Gründerideen zu hören und ernst zu nehmen. Und weiter: „Ich bin später mit dem Verlauf der Veranstaltung zufrieden, wenn es uns gelungen ist, hier und heute Partner zusammenzuführen und Ideen zu bündeln.“

Auch Erik O. Schulz appellierte daran, die vermeintlich gute alte Zeit nicht zu sehr zu glorifizieren, „wir müssen eine andere Nutzung der Innenstadt hinbekommen“. Damit spielte Hagens Oberbürgermeister auf den heute nötigen Mix aus Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistungen, Kultur und Wohnen an.

Etwa 100 Interessierte treffen sich zum Aktionstag „Hagen handelt“.
Etwa 100 Interessierte treffen sich zum Aktionstag „Hagen handelt“. © SIHK | SIHK

Apropos Partner zusammenbringen – ob das Vorhaben im Laufe des Nachmittags und Abends gelang? Zum Teil. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion gaben altbekannte Phrasen wie „Früher war auch nicht alles besser“ oder „Nicht mehr lange reden, sondern endlich handeln“ zum Besten, andere lieferten konkrete Beispiele, an was es Hagen mangelt. So forderte Maya Schleuter von Wolff 1782, dass die Angebotsvielfalt in der Innenstadt wachsen müsse („Wir müssen uns bewegen und auf die Bedürfnisse der Menschen hören. Wir haben zum Beispiel zu wenig Angebote für Kinder und Eltern.“).

Und Winfried Bahn vom Unternehmerrat bilanzierte: „Viele Leute fühlen sich in Hagen unterversorgt. Man will sich aber in seiner Stadt gut versorgt fühlen.“

Mehr Kommunikationsplätze gewünscht

Bahn sprach sich für eine Aufwertung der Fußgängerzone aus („Vor allem wäre hier ein ansehnlicher, sauberer Boden schön.“) und wünschte sich mehr kulturelle Räume, sprich, Kommunikationsplätze, die einen lockeren Austausch der Bürger ermöglichen würden.

Sauberkeit und Sicherheit sollten selbstverständlich sein

Burkhard Blesel vom SIHK-Handelsausschuss erntete den ersten, mit einem Raunen unterlegten Zwischenapplaus für seine Feststellung: „Die Basics Sauberkeit und Sicherheit sollten auch in Hagen eine Selbstverständlichkeit sein.“

Und Blesel forderte, dass Spontaneität möglich sein müsse: „Wenn heute schönes Wetter ist und ein Gastronom drei Tische rausstellen will, muss das gehen. Der Wirt will und kann nicht fünf Wochen warten, sondern er möchte heute und ohne großes Genehmigungsverfahren das gute Wetter für sein Geschäft nutzen.“

Verwaltung will nicht im Weg stehen

Christopher Schmitt (Hagen-Wirtschaftsentwicklung) sah die Sache anders: „Wir haben keine Überreglementierung, sondern durchaus Spielräume, die wir nutzen können.“ Erik O. Schulz räumte ein, dass eine Verwaltung mit 3000 Mitarbeitern nicht immer sofort handeln könne, „aber wenn möglich, reagieren wir schnell, wie zum Beispiel bei dem Bestreben, Eigentümer von Innenstadtimmobilien in schnell umsetzbare Konzepte miteinzubinden.“

Der OB ermutigend: „Lasst uns was probieren. Und auch wenn es mal hakt, wollen wir als Verwaltung nicht im Weg stehen.“ Schulz‘ Versprechen: „Wir sind alle ansprechbar.“ Damit spielte das Stadtoberhaupt auch auf u.a. Baudezernent Henning Keune und Kämmerer Christoph Gerbersmann an.

„Spirit“ muss geweckt werden

Stadtentwickler Stefan Postert, der informativ und meist unterhaltsam durch den Aktionstag führte, sprach Tacheles: „In einer Innenstadt muss man auch Geld verdienen können, eine Innenstadt muss einen Mehrwert schaffen und die Stimmung ,Ich will dabei sein‘ erzeugen.“

Setzen sich für eine liebenswerte Hagener Innenstadt ein: Maya Schleuter (Wolff 1782) und Jörg Lehnerdt (Handelsberater).
Setzen sich für eine liebenswerte Hagener Innenstadt ein: Maya Schleuter (Wolff 1782) und Jörg Lehnerdt (Handelsberater). © SIHK | SIHK

Wie dieser „Spirit“ geweckt werden kann? „Auch kleine Aktionen oder Events von Händlern oder Gastronomen wie zum Beispiel ,Ganz in Weiß – Picknick an der Volme“ sind wichtig für besagten ,Spirit‘ und das Image einer Stadt, und auch über vermeintliche Kleinigkeiten sollte positiv gesprochen werden“, forderten Maya Schleuter und Stephanie Kamp (Stadtbäckerei Kamp).

Bereich Mittelstraße soll aufgewertet werden

Für die den Begrüßungsworten und der Podiumsdiskussion (insgesamt fast zwei Stunden) anschließenden Workshops samt Austausch mit Bürgern blieben zum Schluss gerade mal 30 Minuten Zeit. Christian Isenbeck vom Unternehmerverein stellte in seinem Workshop die sich gerade in der Gründung befindende Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) vor, die das Ziel verfolgt, den Bereich Mittelstraße aufzuwerten.

Isenbeck erläuternd: „Wir haben aus Arnsberg eine konkrete Fördermittelzusage. Wir dürfen die übrig gebliebenen Gelder vom Ende 2023 auslaufenden ,Sofortprogramm Innenstadt‘ auch künftig – also von 2024 bis 2026 – einsetzen, um Projekte gegen Leerstände in der City umzusetzen.“

Zu theoretisch und zu viele Phrasen

Und wie bewerteten die „normalen Bürgerinnen und Bürger“, die in relativ kleiner Anzahl in die SIHK gekommen waren, die Veranstaltung zur Hagener Innenstadtplanung?

Elke Kampmann, gebürtige Hagenerin und an Themen, die ihre Heimatstadt betreffen, stets interessiert, lobte, dass es überhaupt solch ein Treffen für verschiedene Akteure gegeben habe, aber: „Das Ganze war mir an vielen Stellen zu theoretisch und es wurden zu viele Phrasen gedroschen. Außerdem war die Zeit zum tatsächlichen Austausch viel zu kurz.“

Geringe Kaufkraft wird totgeschwiegen

Und Elke Kampmanns Bekannte Heike Binder, ebenfalls gebürtige Volmestädterin, bemängelte, dass die hohe Migrantenzahl in Hagen und die damit zum Teil einhergehende, sehr geringe Kaufkraft, die die Stadt plagt, mit keinem Satz erwähnt worden seien, „diese Aspekte dürfen nicht einfach totgeschwiegen werden“.

Weitere Infos:

„Hagen handelt“ wurde von einer Veranstaltungsgemeinschaft organisiert. Beteiligt waren die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer (SIHK), die Hagener Wirtschaftsentwicklung (früher Hagen-Agentur), der Unternehmerverein und der Unternehmerrat.