Hagen. Ein Hautarzt aus Hagen (61) sitzt wegen fahrlässiger Körperverletzung auf der Anklagebank. Ein Patient (40) landete auf der Intensivstation:
Mit diesen schlimmen Folgen hatte niemand gerechnet: Die Nagelpilzbehandlung endete für den Patienten (40) mit Lebensgefahr auf der Intensivstation – und für den Hautarzt aus Hagen (61) auf der Anklagebank.
Seit 47 Jahren praktiziert der Mediziner erfolgreich als Dermatologe, doch dann waren dem Facharzt mit eigener Praxis kurz hintereinander zwei Fehler unterlaufen. Der Fall liegt bereits sechs Jahre zurück und er wurde erst jetzt vor dem Amtsgericht verhandelt. „Fahrlässige Körperverletzung“ lautete der Vorwurf für Nachlässigkeiten „entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst“, die bei einem Patienten zu einem akuten Leberversagen geführt hatten.
Verfahren gegen 6000-Euro-Zahlung eingestellt
„Das ist schon vergleichbar mit einem Unfall im Straßenverkehr“, stellte Richter Thorsten Kirschner nüchtern fest, „einmal nicht richtig aufgepasst und schon ist es passiert.“ Alle Prozessbeteiligten kamen deshalb schnell überein, dass man diesen Strafprozess auch ohne ein Urteil abschließen könnte: Der Doktor zahlt 6000 Euro an die Staatskasse und das Verfahren gegen ihn wird eingestellt. (Az. 70 Ds 261/22).
Die Vorgeschichte: Am Gründonnerstag 2017 war der Patient erstmals in der Hautarztpraxis erschienen, um einen Fußnagelpilz behandeln zu lassen. Das geht mit einer Salbe und, falls die äußerliche Anwendung nicht wirksam genug erscheint, auch mit Tabletten. Der Dermatologe entschied sich dafür, das Medikament „Itraconazol“ einzusetzen. Die rezeptpflichtigen Hartkapseln enthalten einen Wirkstoff, der in den Stoffwechsel der Pilze eingreift, deren Struktur verändert und so deren Vermehrung hemmt. Der Hersteller des Präparats empfiehlt drei Einzelgaben in zeitlichen Abständen. Außerdem sollten während der Behandlung regelmäßig die Leberwerte im Blut kontrolliert werden. „Denn die gravierende Hepatoxität des Wirkstoffs“, so die ermittelnde Staatsanwältin Nadine Klein, sei bekannt.
Nebenwirkung: schwere Lebererkrankungen
Wenn auch sehr selten, in etwa einem von 1000 Fällen, könnte es als Nebenwirkung zu schweren Lebererkrankungen wie Gelbsucht, Hepatitis oder sogar zu plötzlichem Leberversagen kommen. Der Hautarzt hielt im angeklagten Fall eine Intervall-Therapie für erforderlich: Zunächst verordnete er einmal täglich jeweils eine Hartkapsel, die Wochen darauf eine Steigerung auf jeweils zwei Hartkapseln, mit dreiwöchiger Unterbrechung. Am 29. Mai und am 12. Juli 2017 passierten dem Doktor jedoch verhängnisvolle Fehler: Er stellte jeweils ein weiteres Rezept über eine vierte und eine fünfte Medikamentengabe aus – mit sehr schlimmen Folgen für den Patienten.
Der seinerzeit 34-Jährige bekam eine Gelbsucht, wurde mit akutem Leberversagen im Rettungswagen zum Uni-Klinikum Essen geschafft. Drei Wochen blieb er im Krankenhaus, davon mehrere Tage auf der Intensivstation. Dem Tod ist er nur knapp entkommen. „Menschen machen Fehler, Ärzte leider auch“, suchte Martin Düerkop (Iserlohn), der Verteidiger des Hautarztes, nach einer Erklärung für das Versagen: „Überlastung. Mein Mandant führte damals eine Gemeinschaftspraxis mit bis zu 60 Patienten am Tag.“
Ein Sachverständiger hat später eindeutig festgestellt, dass die versehentlich verordnete Überdosierung des Medikaments ursächlich für den eingetretenen Leberschaden war. Der betroffene Patient wurde deshalb 2019 von der Arzthaftpflicht-Versicherung mit 50.000 Euro Schmerzensgeld abgefunden. Er war im Strafprozess nicht als Zeuge geladen. Wie es ihm heute geht, ist nicht bekannt.