Hagen. 117 Angriffe mit einem Messer innerhalb eine Jahres in Hagen – eine traurige Bilanz. Der Innenminister rückt junge Täter in Gruppen in den Fokus.
Und wieder sind zwei Menschen in Hagen mit einem Messer verletzt worden. Einer von ihnen im Bereich des Oberschenkels schwer, wenn auch nicht lebensgefährlich.
Zwei Jugendgruppen sind an der Springmannstraße im Bereich der Kaufmannsschule in Streit geraten. Erst verbal. Dann ging es zur Sache. Eine Waffe kam zum Einsatz. Die Folge: Schnittverletzungen. Die Opfer (18 und 17 Jahre) suchten selbstständig eine Klinik auf. Ein 18-Jähriger ist als mutmaßlicher Täter identifiziert. Die Kriminalpolizei ermittelt. Spuren wurden am Tatort und in der Umgebung gesichert. Die Staatsanwaltschaft ist involviert.
Messer-Angriff: Untersuchungshaft gegen Hildegardis-Schüler
Der Fall vor der Kaufmannsschule ist nicht der erste, der in den letzten Tagen für Aufsehen sorgt. Am 8. Februar war es zu einem Messerangriff im Funckepark gekommen. Dabei waren zwei Schüler der Hildegardis-Schule verletzt worden. Einer von beiden so schwer, dass er sechs Tage in einer Klinik behandelt und notoperiert werden musste. Ein 17-Jähriger sitzt in Untersuchungshaft. Die Mordkommission „Hilde“ ermittelt.
Zwei spektakuläre Fälle in kurzer Zeit. Zufall? Vielleicht. Aber die Zahlen in der Kriminalitätsstatistik, die die Polizei Hagen gerade veröffentlich hat, zeigen, dass das Messer vermehrt als Tatwaffe eingesetzt wird. Allein bei den schweren und gefährlichen Körperverletzungen kam es 2022 112-mal zum Einsatz. Zum Vergleich: 105-mal war es 2019 vor der Pandemie, 2020 54-mal, 2021 75-mal. Bei fünf von sieben Tötungsdelikten war ein Messer die Waffe.
Reul findet in Hagen deutliche Worte
Das heißt mit anderen Worten: Nahezu an jedem dritten Tag wird in Hagen ein Mensch mit einem Messer angegriffen und verletzt. Wie häufig ein Messer darüber hinaus bei leichten Körperverletzungen – die Zahl dieser Taten ist um 1144 auf 1569 geradezu explosionsartig gestiegen – oder bei anderen Delikten (Raub, Überfall) zu Einsatz gekommen ist, ist statistisch nicht erfasst.
Ein erschreckender Trend, den auch Innenminister Herbert Reul bei seinem Besuch in Hagen zum Thema gemacht hat: „Das ist ein Problem der jungen Menschen – Männer in Gruppen und jung. Warum knallen die durch und holen das Messer raus?“, fragte der Minister und schob einen Erklärungsansatz gleich hinterher: „Wir haben es nicht geschafft, dass die verstehen, dass man hier kein Messer braucht. Wir haben es nicht geschafft, denen klarzumachen, das Polizisten hier Freunde und Helfer sind und nicht die Polizisten, die sie von anderswo kennen.“ Dabei gebe es eine eindeutige Botschaft: „Du brauchst hier kein Messer. Punkt, aus.“
Alkohol und kurze Zündschnur
Eine simple Botschaft allerdings, die insbesondere nach der Pandemie nicht ankommt. „Exzessiver Alkoholkonsum spielt bei Gewaltverbrechen zunehmend eine Rolle“, erklärte Polizeipräsidentin Ursula Tomahogh bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik. Und Guido Liedke, Leiter der Direktion Kriminalität, ergänzte: „Die Menschen auf der Straße sind enthemmter, schlagen mehr über die Stränge.“ Dabei zitiert die Polizei eine Kriminalpolizistin, die genau das in ihrem Alltag erlebt: „Es scheint so, dass bei vielen Menschen nach der Pandemie die Zündschnur einfach kürzer war als vorher.“
Hinzu kommt, was Polizeisprecher Tino Schäfer schon vor gut einem Jahr erklärte: „Letztlich muss man sagen, dass ein Messer ein Gegenstand des alltäglichen Lebens ist. Anders als Schusswaffen kann man Messer leichter erwerben.“ Wenngleich es auch Messer gibt, die man weder besitzen noch bei sich haben darf: sogenannte Butterfly-Messer zählen beispielsweise dazu. Auch „versteckte Messer“, beispielsweise solche, die als Kugelschreiber oder Kette getarnt sind.
Länge der Klinge ist maßgebend
Einen Dolch hingegen darf man zwar besitzen, aber nicht mitführen. „Ist die Klinge länger als 12 Zentimeter, darf man die Messer nicht mit sich führen“, erklärte Tino Schäfer weiter. „Die Messer dürfen außerdem nicht klappbar sein.“