Hagen. Der Glasfaser-Ausbau in Hagen schreitet voran. Doch die Leitungen schaffen es vielerorts nur bis vor die Häuser und nicht hinein. Warum?
Seit Dezember 2020 treibt die Unternehmensgruppe Deutsche Glasfaser Hagen-weit den Ausbau eines Glasfasernetzes voran. Vor allem auch in jenen abgelegenen Nischen der Stadt, in denen die großen Kommunikationsanbieter mangels Gewinnaussichten den Ausbau nicht wagen. 27 Millionen Euro haben Bund und Land bereit gestellt, damit die Deutsche Glasfaser, die hauptsächlich anbieteroffene Direktanschlüsse für Privathaushalte und Unternehmen in Hagen den Breitbandausbau realisieren kann – 250 Kilometer Leitungen und 3500 Haushalte wurden ursprünglich ins Visier genommen. 90 Prozent der Gesamtmaßnahmen sind geschafft. Doch auf der Zielgeraden hakt es vielerorts. Warum?
„Die Deutsche Glasfaser versorgt dort, wo der Markt versagt – also vor allem in den ländlichen Regionen“, betonte im Dezember 2020 Bertram Schmidtke, Breitbandkoordinator der Stadt Hagen, die Bedeutung des Projektes abseits der ökonomischen Interessen der Telekommunikationsunternehmen. Die Interessenten, die sich in einem lange eingerichteten Büro der Deutschen Glasfaser GmbH in Hagen melden konnten, sollen in Gigabit-Dimensionen katapultiert werden. Jetzt, im November 2022, sieht die Lage so aus: Etwa 400 Haushalte, so erklärt die Deutsche Glasfaser GmbH auf Nachfrage, seien aktiviert worden und würden den Glasfaseranschluss bereits nutzen. Weitere etwa 300 passive Anschlüsse seien ebenfalls verlegt worden. In etwa 800 Haushalten müsse größtenteils noch die Aktivierung erfolgen. Die 300 genannten „passiven Anschlüsse“, die bereits verlegt wurden, seien genauso bestellt worden. „Diese werden auf Kundenwunsch lediglich ins Haus verlegt, aber nicht aktiviert. Weitere etwa 360 passive Anschlüsse müssen noch realisiert werden“, so Glasfaser-Sprecher Dennis Slobodian. Das entspreche einem Gesamtbaufortschritt von über 90 Prozent.
Frust bei Kunden
Zählt man die Anschlüsse zusammen, kommt man zunächst nicht auf die ursprünglich vertraglich vereinbarten 3500 Haushalte, für die ein Fördervolumen von 27 Millionen Euro bereit gestellt wurden, sondern auf 1860 Haushalte. „Alle anderen Haushalte im Fördergebiet haben nicht direkt bei uns bestellt. Sie haben also weder einen aktiven noch einen passiven Anschluss. Das Glasfaserkabel wurde aber in ihre Straße gelegt, sodass der Anschluss jederzeit möglich wäre“, sagt Dennis Slobodian.
Doch unter den Hagenern, die für einen Anschluss an die schnelle Glasfaser die Hand gehoben hatten, gibt es auch Frust. Ein Beispiel: Ralf Herrmann, der am Steltenberg in Hohenlimburg wohnt. „Die Speedpipes (Anm. d. Red: gemeint sind Schutzrohre) liegen, Hausanschlüsse sind zum größten Teil installiert. Seit knapp neun Monaten Stillstand. Keine Information. Keine Auskunft per Mail oder Telefon. Das ist etwas frustrierend.“ Oder Bürgerin Tina Demme: „Erschließung? Alles kein Problem, in zwei Wochen haben wir schnelles Internet, sagten uns die Mitarbeiter der Deutschen Glasfaser. Letztes Jahr übrigens schon. Anbindung? Ist tatsächlich schon im Haus, das Kabel. Seit zwei Monaten schon. Bamselt nett vor sich hin, ist zum Glück aber schon „verschweißt“. Erfahrungen? Wir üben uns in Geduld und schenken der Ankündigung der Stadt Vertrauen: Glasfaser kommt zum Jahresende. Den Gerüchten nach wird das wohl 2023.“ Und Sabrina Weber berichtet: „Wir mussten unsere Zuleitung selbst ins Haus legen! Bin mal gespannt wie das weitergeht. Hätte ich das eher geahnt, hätten wir da keinen Vertrag abgeschlossen!“
Schwierige Genehmigungsverfahren
Angesprochen auf die deutliche Kritik reagiert die Deutsche Glasfaser über ihren Sprecher Dennis Slobodian: „Verzögerungen während der Bauphase lassen sich aufgrund der Komplexität und hohen Bauintensität trotz exakter Planung und Vorsorge nicht immer gänzlich vermeiden. Unter anderem haben ein Bombenverdachtsfall, Verzögerungen bei Genehmigungsverfahren und nach Absprache mit der Stadt etwa 200 gemeldete Zusatzadressen, die in der laufenden Projektphase implementiert werden mussten, die Bauzeit insgesamt verlängert. Alle Beteiligten legen großen Wert darauf, die noch verbleibenden Arbeiten im Projekt umsichtig und ordnungsgemäß zum Abschluss zu bringen.“
Berchum als Nadelöhr
Auch die Stadt Hagen, die als Konzessionsgeber und Initiator, aber eben nicht als Auftraggeber auftritt, nimmt Stellung zum Baufortschritt. Der Hauptverteiler im Ortsteil Dahl sei zuletzt noch nicht an das übrige Netz der „Deutsche Glasfaser“ angeschlossen, baulich sei man jedoch auf den letzten Metern. „Das äußerst langwierige Verfahren zur Genehmigung der Querung der Gleisanlagen, zum Beispiel zur finalen Anbindung der Ortslage Berchum, ist bundesweit ein bekanntes Nadelöhr“, sagt Stadt-Pressesprecher Michael Kaub. Alternativ werde von „Deutsche Glasfaser“ derzeit die technische Möglichkeit einer Trassenumleitung in Gestalt einer „Im-Abwasserkanal-Verlegung“ in Abstimmung mit dem Wirtschaftsbetrieb Hagen geprüft.
Aufgrund der beabsichtigten und Ende Oktober beim Bundesfördergeber beantragten 27 zusätzlichen Adressen mit entsprechender Tiefbau-Notwendigkeit werde sich das somit erweiterte Projekt (falls die Bund und anschließend Land zustimmen) voraussichtlich bis zum dritten Quartal 2023 verlängern. Michael Kaub: „In der Zwischenzeit werden selbstverständlich und nach wie vor alle bisherigen Adressen, für die ein entsprechender Anschluss von den Hauseigentümern bei Deutsche Glasfaser gebucht wurde, sukzessive angeschlossen und bei entsprechender Tarifbuchung auch aktiviert.“
Erhebliche Einschränkungen
Insgesamt, so Michael Kaub, weise das Projekt bauseitig derzeit „trotz Pandemie, langem Winter 2020/21, Dauerregen bis Mai 2021, Flutkatastrophe, zum Teil sehr schwieriger Bodenklassen und Topologie, Hinzunahme von bislang 198 weiteren Förderadressen sowie erheblicher baulicher Verzögerung durch einen Bombenverdachtsfall an einer wichtigen Haupttrasse einen Baufortschritt von über 90 Prozent und etwa 230 Kilometer auf.“