Haspe. 50 Mal hat ein Mann mit der Pistole auf den Kopf des Juweliers eingehämmert – seine Frau stand Schmiere. Jetzt wurden die Urteile gesprochen.

Urteil im Prozess um den Raubüberfall auf das türkische Juweliergeschäft „Diamant“ in Hagen-Haspe: Fünf Jahre Gefängnis für den Hauptangeklagten (36), der mit einem Pistolengriff und mehr als 50 Schlägen auf den Schmuckhändler (57) einschlug. Seine Ehefrau (26) bleibt auf freiem Fuß: Sie erhielt ein Jahr und elf Monate Haft - jedoch ausgesetzt zur Bewährung.

Die 6. Große Strafkammer des Landgerichts befand den Mann des schweren Raubes und einer Körperverletzung für schuldig, sie einer Beihilfe zum Raub. „Ihre Aufgabe war es, Passanten auf der Straße abzulenken“, so Vorsitzender Richter Christian Potthast. Auch das Gericht nahm der angeklagten Frau nicht ab, dass sie von den Hilfeschreien des Opfers nichts mitbekommen habe: „Mit aller Deutlichkeit gesagt: Sie hat was vom Tatgeschehen gehört.“

Über den Gerichtstermin, der in Rahmen des Prozesses mit viel Aufwand vor dem Juweliergeschäft an der Berliner Straße stattfinden musste, befand Richter Potthast: „Haspe hat an dem Tag des Ortstermins ein Großevent erlebt.“

Kampf im Schmuck-Geschäft

Ein Rückblick: Der Hauptangeklagte (36), ein dreifacher Familienvater, hatte während des Überfalls am 28. Oktober vergangenen Jahres mit dem Griff seiner Pistole mehr als 50-mal auf den Kopf des Juweliers eingehämmert und diesen schwer verletzt. Der Juwelier rettete sich blutüberströmt in ein benachbartes Café.

Der Geschäftsmann hatte lebensgefährliche Kopfverletzungen und lag elf Tage lang im Koma. Bis heute leide er körperlich und seelisch unter der brutalen Attacke in seinem Geschäft. Für besonderes Aufsehen in diesem Fall hatte damals auch das Verhalten der mit angeklagten Ehefrau (26) gesorgt.

Sie hatte während des 15-minütigen Kampfgeschehens vor der Eingangstür des Juweliergeschäfts Schmiere gestanden – mit ihrem drei Monate alten Baby im Kinderwagen. Die Staatsanwältin beantragte deshalb zunächst wegen Mittäterschaft zweieinhalb Jahre Gefängnis – jetzt darf sie auf freiem Fuß bleiben.

Schrei- und Hörtest am Tatort in Haspe

Der Fall hatte allein durch das Vorgehen des Gerichts für Aufsehen gesorgt: Mit einem Schrei- und Hörtest am Tatort wollte das Gericht im Mai die Angabe der Mittäterin überprüfen. Und zwar mit großem logistischem Aufwand: Der Hauptangeklagte wurde in Handschellen aus der U-Haft zum Tatort gebracht, zehn Polizeibeamte sicherten die Gerichtsverhandlung im Freien.

Der Verteidiger des Hauptangeklagten, Ihsan Tanyolu (Dahl), hatte zunächst vier Jahre Gefängnisstrafe gefordert, um den Raubüberfall zu sühnen. Zudem sollte sein Mandant vorläufig aus der Untersuchungshaft entlassen und erst zu einem späteren Strafantritt geladen werden.

Die Verteidiger der angeklagten Ehefrau, Philippos Botsaris und Michael Aßhauer (beide Hagen), stellten den Antrag auf eine anderthalbjährige Bewährungsstrafe. Ihre Mandantin hätte zwar vor dem Geschäft Schmiere gestanden, aber sei davon ausgegangen, dass drinnen kein Raubüberfall, sondern lediglich ein Diebstahl stattfinden würde.

Mittäterin lässt sich Schwerhörigkeit bescheinigen

Im Laufe des Verfahrens hatte die nun verurteilte Frau erklären lassen, dass eine Schwerhörigkeit bei ihr vorliegen würde und sie die Hilfeschreie deshalb nicht habe hören können. Ein Gutachten einer Medizinerin konnte das aber aber letztlich nicht bestätigen. Die Gutachterin hatte eine Hörminderung von 20 Prozent auf dem rechten Ohr festgestellt. Doch auf den „Gesamthörvermögen“ hätte das keine Auswirkungen.

Anwalt Philippos Botsaris, der die Angeklagte verteidigt hat, feiert sich für den Riesenerfolg: „Mittäterschaft zum schweren Raub, wie ursprünglich angeklagt, hätte für meine Mandantin eine Mindeststrafe von fünf Jahren bedeutet. Nun sind nur noch ein Jahr und elf Monate auf Bewährung dabei herausgekommen.“