Hagen. Anklage wegen Untreue gegen den Chef der Feuerwehr Hagen: Was Veit Lenke sagt und warum er sich als Aufklärer und nicht als Angeklagten sieht.
Keine gute Nachricht für Hagens Feuerwehr-Chef Veit Lenke (48): Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen „Untreue im Amt“ angeklagt (Az. 61 Ls 80/22). Das Schöffengericht muss jetzt 31 aufgelistete Fälle, die ihm zur Last gelegt werden, verhandeln und strafrechtlich beurteilen. Es geht um die gemeinsame Rettungsdienstschule der Städte Hagen und Iserlohn, um fehlende Trägeranteile und fehlende Teilnehmergebühren.
Diese Gelder hätte Lenke in seiner Funktion als Leiter der Feuerwehr von September 2016 bis Dezember 2018 vereinnahmen müssen. Weil er dies unterließ, so der Vorwurf, sei der Stadt ein beträchtlicher Schaden entstanden. Die Anklageschrift geht von 107.000 Euro aus – 92.940 Euro Kursgebühren und 14.200 Euro Trägeranteil der Stadt Iserlohn für die Jahre 2016 und 2017.
Finanzielle Unregelmäßigkeiten
Der Ursprung dieser leidigen Geschichte, über die diese Zeitung bereits mehrfach berichtet hat, reicht bis ins Jahr 2008 zurück. Seit diesem Zeitpunkt und bis zur Aufdeckung im Jahr 2019 soll es an der städtischen „Lehranstalt für Rettungsassistenten“, die ihren Standort in Hohenlimburg hat, zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen sein.
Die Rettungsdienstschule, die gemeinsam von den Städten Hagen und Iserlohn betrieben wird, bildet seit 1995 Sanitäter aus: Neben den Mitarbeitern von Berufsfeuerwehren, wird sie auch von Freiwilligen Feuerwehren, Werksfeuerwehren und zahlreichen Rettungsdiensten als Ausbildungsstätte genutzt. Etwa 900 Personen nehmen jährlich dort an Lehrgängen teil.
Feuerwehr-Chef in der Verantwortung
Die Stadt Iserlohn, die die Hohenlimburger Einrichtung mit nutzt, muss dafür einen jährlichen Trägeranteil an die Stadt Hagen zahlen. Sowohl für die Rechnungsstellung und Vereinnahmung sämtlicher Kursgebühren, als auch für die Abrechnung des Iserlohner Trägeranteils, ist der jeweilige Feuerwehr-Chef der Stadt Hagen zuständig. Eigentlich.
Doch über einen Zeitraum von gut zehn Jahren sollen sowohl Veit Lenke, der jetzige Leiter der Feuerwehr, als auch seine beiden Amtsvorgänger Heinz Jäger und Horst Wisotzki ihrer Verpflichtung nur schludrig nachgekommen sein: Gebühren wären nur noch sporadisch oder kaum nachvollziehbar eingezogen worden.
Rechnungsprüfer sehen Lücke von 620.000 Euro
In einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Papier hatten die Rechnungsprüfer der Stadt ein aufgelaufenes Betriebskosten-Defizit – allein für den Zeitraum von 2008 bis 2015 – in Höhe von 620.000 Euro festgestellt. Durch nicht abgerechnete Gebühren ihrer Feuerwehr-Chefs sollen der Stadt gut 330.000 Euro für immer entgangen sein. Diese Umstände führten schließlich zu umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (Az. 300 Js 363/20). Die Stadt werde sich nicht dazu äußern, so ihre Sprecherin Clara Treude.
Der jetzige Bezirksbürgermeister von Haspe, Horst Wisotzki, war bei den Ermittlungen von Anfang an außen vor: Seine Zeit als Feuerwehr-Chef endete 2011 und alle Unregelmäßigkeiten, die noch in seine Dienstzeit hätten fallen könnten, wären ohnehin längst verjährt gewesen. „Zumindest für meine Amtszeit kann ich sagen, die Rechnungen sind stets korrekt gestellt worden“, beteuerte Wisotzki gleichwohl im Oktober 2019 im Gespräch mit dieser Zeitung.
Ex-Feuerwehr-Chef zahlt Geldauflage
Für seinen Nachfolger Feuerwehr-Chef, Heinz Jäger, ist die leidige Angelegenheit inzwischen auch vom Tisch: Er nahm das Angebot der Staatsanwaltschaft an, das Verfahren gegen ihn gegen eine Geldauflage von 4000 Euro einzustellen.
Das gleiche Angebot, nämlich das Verfahren gegen Zahlung von 4000 Euro einzustellen, hatte die ermittelnde Staatsanwältin Melanie Handtke auch dem jetzigen Feuerwehr-Chef gemacht. Doch Veit Lenke, seit September 2016 im Amt, lehnte das konsequent ab: „Hätte ich mich schuldig gefühlt, hätte ich der Einstellung zugestimmt. Doch weil ich unschuldig bin, widerstrebt das meinem Rechtsgefühl.“
Selbstanzeige von Lenke
Lenke betont gegenüber unserer Zeitung, dass er und seine Mitarbeiter alle benötigten Unterlagen herausgesucht und dem Rechnungsprüfungsamt und der Justiz zur Verfügung gestellt hätten: „Die Initiative zur Selbstanzeige kam sogar von mir.“ Er, so Lenke, habe maßgeblich zur Aufklärung beigetragen. Dass er jetzt – und als einziger – dafür auf die Anklagebank käme, sagt Lenke, „das enttäuscht mich“.