Siegen. Siegen hat, was Hagen fehlt. Mit der Sieg einen Fluss, der in der Innenstadt ein echter Treffpunkt ist - ein Vorbild für die Volme.
Der Zeitgeist der 1960er brachte merkwürdige Blüten hervor. In Siegen zum Beispiel reifte die Überzeugung, dass der Fluss, nach dem die Stadt benannt ist, prima unter einer Betonplatte abtauchen könnte, um im Zentrum einen neuen Parkplatz zu schaffen.
Ende des Jahrzehnts war die Sache unter Dach und Fach: Die Sieg wurde in der Stadtmitte nahezu unsichtbar, wahrgenommen nur noch als unbedeutendes, schmutziges, störendes Rinnsal im Schatten einer Betonüberkragung. Die Stadt ließ sogar extra einen Bodenbelag für das kanalisierte Flussbett entwickeln, um die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen und die Ansiedlung jedweden Lebens zu erschweren.
Abriss oder Sanierung der Siegplatte
Als die Siegplatte rund 50 Jahre später marode war und es um die Frage „Sanierung oder Abriss?“ ging, setzten sich die Befürworterinnen und Befürworter letzterer Lösung durch. Nicht ohne Diskussion, weil einige Leute unbedingt den Parkplatz behalten wollten (Siegener haben ein sehr spezielles Verhältnis zu Parkplätzen…).
Auch interessant
Doch innerhalb eines Regionale-Projekts verschwand das Betonungetüm; und mit der Öffnung des Flusses öffnete sich auch die Stadt ein Stück weiter als bisher. Die Sieg wurde in der Innenstadt renaturiert, die „Neuen Ufer“ mit einer Sitzstufenanlage versehen. Und im Sommer ist es nun möglich, an einigen Stellen ans Wasser heranzugehen, das um wildbewachsene, künstlich angelegte Inselchen rauscht.
Freilegung der Sieg war das Herzstück
Für jemanden wie mich, der in Siegen aufgewachsen ist und die sieglosen Parkplatzzeiten miterlebt hat, ist der Sprung, den das Projekt der Stadt beschert hat, überdeutlich. Im Zuge des Regionale-Projekts wurden noch etliche weitere Aufwertungen in der City vorgenommen, doch die Freilegung der Sieg war das Herzstück – und an den Neuen Ufern schlägt nun das Herz der Stadt.
Das klingt kitschig, ist in diesem Fall aber realistisch. Vom Frühjahr bis zum Herbst tobt an der Stufenanlage das Leben, alle Altersgruppen treffen aufeinander und genießen den Aufenthalt am wiedererweckten Fluss. Es war nicht nur eine Baumaßnahme; es war die Initialzündung für eine neue Wahrnehmung der Stadt, sowohl für Alteingesessene als auch für Gäste. Flüsse werden oft als „Lebensadern“ bezeichnet. Und in Siegen lässt sich nachempfinden, dass dies auch im Hinblick auf Ambiente und Miteinander nur zu wahr ist.