Nach dem Urlaubsblick über den Tellerrand fällt es WP-Kommentator Martin Weiske zunehmend schwer, sich in Hagen wohlzufühlen.

Manche sind noch unterwegs, doch das Gros der Hagener blickt bereits auf den Sommerurlaub zurück: Abschalten, Tapetenwechsel, Zeit für Mußestunden abseits des täglichen Einerleis. Doch zurück in Hagen wird man schnell wieder entzaubert.

Die sichtbaren Realitäten entlang der vier Stadtflüsse machen es immer schwerer, echte Heimatgefühle zu entwickeln. Denn das Straßenbild in der Stadt wirkt inzwischen zu ernüchternd, um sich wirklich zu Hause fühlen zu wollen. Es wirkt eher deprimierend.

Der an vielen Ecke doch äußerst erbarmungswürdige Zustand wird nach den Ferienerfahrungen an anderen Orten noch augenfälliger: Hagen ist im Vergleich zu anderen Städten einfach pottdreckig!

Der Vergleich frustriert

Und da möchte ich gar nicht unfair die Messlatte pittoresker Touristen-Hotspots, bei denen die Schönheit und Sauberkeit letztlich ihr Kapital ausmacht, anlegen. Ich spreche von ganz normalen Großstädten in Europa, die auch ihre Problemviertel mit abgehalfterter Bausubstanz haben und durch komplexe Sozial- und Migrationsstrukturen geprägt sind.

Das bedeutet dort aber noch lange nicht, dass allerorten die Zigarettenstummel rumliegen, sich wilde Abfallkippen entwickeln, Mülleimer überquellen, Pflanzinseln einfach leergerupft und dem Verfall preisgegeben werden, Bürgersteige auch im Hochsommer mit Wintersplitt übersät sind und wuchernde Ritzenvegetation zum Insektenschutz-Konzept erklärt wird.

Beispiel Eugen-Richter-Straße zwischen Reh- und Hördenstraße: Allerorten wuchert das Kraut, aber kein Bienchen in Sicht. Der dortige Kombi-Fuß-Radweg wird trotz Trockenheit durch wildes Grün inzwischen so schmal, dass Begegnungen kompliziert werden. Tiefhängendes Astwerk schlägt dem Radler ins Gesicht, säckeweise Müll entlang der Straße.

Na und? Niemanden stört’s! Wir haben uns mit der Verwahrlosung abgefunden. Wie deprimierend.

Preis des Verfalls ist zu hoch

Seit Jahren flehen Politik und Verwaltung um Millionenhilfen von Bund und Land, um Mindeststandards erhalten zu können. Andernfalls sei die im Grundgesetz verbriefte Gleichheit der Lebensverhältnisse nicht mehr zu bewahren. Aber das Geld kommt nicht.

Dennoch rettet der Kämmerer mit schöner Regelmäßigkeit beim Aufstellen des Etats seine Schwarze Null. Wie das gelingt? Weil diese Stadt permanent auf Verschleiß fährt und mancherorts schon dem Verfall preisgegeben wird.

Wie soll es unter diesen Rahmenbedingungen bloß gelingen, dass Hagener jenes sympathische Wir-Gefühl für ihre Stadt gewinnen, die diese eigentlich verdient hätte? Wie soll der Bürger zum leidenschaftlichen Botschafter seiner Heimat werden, wenn andernorts beneidenswerte Modernität und ein zeitgemäßer Lebensstandard herrschen? Singuläre Ganz-in-Weiß- und Wein-Events sind nur Blendwerk. Es braucht wieder ein positives Grundrauschen – Dinge, auf die man in Hagen stolz sein kann.

Wer sorgt für die Anlässe?

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