Hagen. Geschäfte, ein Café, eine Kneipe, gar eine Videothek – die Möllerstraße in Hagen ist die Lebensader eines Stadtteils.
Mein Kollege Daniel Berg hatte den Laden vor über einem Jahr besucht. „Das kann doch nicht wahr sein“ – dieser Satz schwirrt mir seit jenem Tag durch den Kopf. Video-Treff, wahrhaftig ein Video-Treff. Ein Filmverleih am Anfang der Möllerstraße in Hagen. Klassiker, Neuheiten, Pornos und Videospiele. Der Inhaber, so las es sich, eine Elseyer Kiez-Legende. Seelsorger und Verleiher. Stammt nicht von mir, schrieb der Kollege. Nun, ich bin nicht wegen des Video-Treffs hier, sondern wegen der Straße, in der er liegt. Aber in gewisser Weise steht der Videotreff wie ein Symbol für die Entwicklung hier.
Allen Zentralisierungstendenzen zum Trotz – die Möllerstraße wirkt wie die Aorta des Ortsteils. Neben der Video-Bude liegt der Euro-Grill. Einer von so vielen in dieser Stadt. In Teilen meiner Familie wird behauptet, es handele sich um die beste Pommes-Curry-Wurst-Adresse der Stadt. Weswegen man sich nur dafür auch aus dem Hagener Norden auf den Weg nach Elsey macht. Currywurst-Tourismus. Nichts für ungut: Ich lasse das mit der Bewertung des Grills so stehen, teile die Meinung aber nicht. Ja, „PCM“ ist eine Glaubensfrage.
Neue Wirtin im Viertel
Wir schrieben jüngst über den „Stadtschreiber“ und dass die „Uschi“ hier nun anzapft. Die neue Wirtin im Viertel. Stadtschreiber, ich finde das klingt so nach Journalismus. So aus einer Zeit, in der es keine technischen Mittel gab und man die neuesten Infos bei Andreas Pils am Tresen erfuhr. Es gab ja viele solcher Ecken in dieser Stadt. Die Zeit allerdings ist vorbei. Der „Stadtschreiber“ aber ist weiterhin da. Wie schön, dass auch hier Menschen ganz antizyklisch weiter Kneipen machen. Das wird nicht sterben. Nicht in Elsey, nicht andernorts.
Aha-Effekt. Ich habe mein ganzes Leben noch nicht vor dem Café Kännchen gestanden. Es liegt am Elseyer Dorfplatz, einer Nebenvene der Aorta Möllerstraße. Urig, fachwerklich, einladend, gemütlich und wohl das, wofür viele Menschen das Adjektiv „schnuckelig“ verwenden. Festes Vorhaben und nicht auf die lange Bank geschoben: Wenn demnächst mal Zeit bleibt, komme ich mit der Familie her auf Kaffee und Kuchen. „Im Herzen von Elsey – der Gemütlichkeit wegen“ steht dran.
Hohe Ärztedichte in der Möllerstraße
Während Kollege Michael Kleinrensing fotografiert, ergibt sich eine witzige Szene, wobei mir nichts ferner liegt, als mich über den Herrn lustig zu machen, der mich fragt, ob ich ihm sagen könnte, wo es zur Augenarztpraxis gehe. Er steht nämlich direkt davor. Also schicke ich ihn rein. Während die Tür hinter ihm zufällt, sehe ich mich auf Türschildern um. Die Ärztedichte hier in der Möllerstraße ist groß. Allgemeinmediziner, Augenärzte, Psychiater, ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt und, und, und. Wenn man irgendwo besser krank wird als andernorts, dann hier. Oder man bleibt gesund, eine Frage der Perspektive. Ärzte sind auf jeden Fall genug da.
An der Ecke Möllerstraße/Im Kley kann man, wie ich finde, ganz gut sehen, wie man es in dieser Stadt doch hinkriegt, hochwertigen Wohnraum zu errichten. Ein Gutachten schreibt das unser Stadt ja schon lange ins Stammbuch. In einer Art Seniorenwohnzentrum sind hier 26 Wohnungen entstanden. Betreuung, wenn man will, inklusive. Unterm Strich leben in 17 der 26 Wohnungen die Bewohner zur Miete, der Rest wohnt im Eigentum. Die kleinste Wohnung (rund 43 Quadratmeter) fängt bei 900 Euro für Miete und Service im Monat an, die teuerste (über 100 Quadratmeter) liegt bei 1600 Euro pro Monat. Die Zahlen stammen aus Recherchen unserer Hohenlimburger Redaktion. Kein Schnäppchen, zeigt aber, welchen Mix man hier hinkriegen kann.
Pfarrer gibt der Straße den Namen
„Im freiweltlichen adeligen Damenstift Elsey, hervorgegangen aus einem gegen 1220 durch das Grafenhaus Altena-Isenberg gegründeten Kloster, beobachtete Johann Friedrich Möller die politische, soziale, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung in Westfalen und im Alten Reich“, heißt es in Schriften des Stadtarchivs. Jener Johann Friedrich Möller ist der Namensgeber dieser Straße und auch der Mann, dem sie über dem Lennetal hier 1813 ein Denkmal errichteten. Als der „Pfarrer von Elsey“ ist Möller in die Geschichte des Ortsteils eingegangen.
Ohnehin ist diese Geschichte imposant. Wer sich interessiert, findet auf den Seiten des Hohenlimburger Heimatvereins mehr. Das hier soll kein historischer Aufsatz sein, sondern eine schlichte Beobachtung. Allerdings: Man kommt ja so ins Lesen, wenn man Dinge betrachtet, die man zuvor nicht gesehen hat. Vor einer Wäscherei bleibe ich stehen. Genau genommen Wäscherei und Heißmangel und mir fällt ein, was mir immer einfällt, wenn ich vor den wenigen Heißmangeln stehe, die es noch gibt. Nämlich, dass ich noch nie etwas heißgemangelt habe. Was auch?
Vitale Straße mit besonderem Mix
Apropos in die Mangel nehmen. Der Mann ist wieder da. Der, der zum Augenarzt wollte. Er spricht mich wieder an. Es sei der falsche Augenarzt gewesen. Gibt es denn hier noch mehr?
Elsey, ein Zentrum fernab der künstlich geschaffenen. Ich habe eine vitale Straße gesehen. Mit einem besonderen Mix. Vielleicht nehme ich mir noch einen Film mit.