Kabel. Martin Schröder, Manager der Papierfabrik Kabel Premium Pulp & Paper in Hagen, über die Energiepreiskrise, Atomkraft und Geothermie.

Martin Schröder leitet die Energiewirtschaft beim Hagener Papierproduzenten Kabel Premium Pulp & Paper. Das Unternehmen produziert mit seinen rund 600 Mitarbeitern qualitativ hochwertig gestrichene Papiere zum Druck von Magazinen und Zeitschriften, aber auch Werbebroschüren und Schulheften. Die Herstellung der jährlich ca. 425.000 Tonnen erfordert einen besonders hohen Strom- und Energiebedarf.

Kabel Premium hat einen besonders hohen Energiebedarf. Was machen die zurzeit exorbitant hohen Energiepreise mit dem Unternehmen?

Wir können nur kurzfristig agieren, seit Monaten nur für die nächsten Wochen planen. Die Energie – wie vor der Krise – schon fürs nächste oder gar übernächste Jahr einzukaufen, das funktioniert nicht mehr. Die Situation hat etwas Beklemmendes an sich. Wenn unsere Kosten steigen, müssen wir das an unsere Kunden weitergeben. Im internationalen Vergleich leiden die deutschen Papierhersteller am meisten unter den extremen Energiepreisen. So verfügt z. B. unsere Konkurrenz aus Skandinavien über ausreichend Wasser- und Atomkraft, der Strom ist dort unendlich billiger. Damit können wir deutschen Hersteller nicht konkurrieren. Norwegen zum Beispiel verbraucht sein eigenes Erdgas nicht einmal selbst, sondern verkauft es. Wir dagegen waren und sind noch fossil aufgestellt. Das holt uns jetzt ein.

Hört sich an, als würden Sie die Abschaltung der Atomkraftwerke bedauern.

Ich halte es noch mit der alten Weisheit, die besagt, dass, bevor ich einen Pfahl im Wasser aufgebe, ein neuer da sein muss, auf den ich treten kann. Unsere Politik war bisher sehr ideologisch getriggert; wir haben die Wende zu den Erneuerbaren Energien eingeschlagen und uns darauf verlassen, dass das schon irgendwie gutgehen wird. Jetzt sieht man, dass das zumindest ein großes Risiko birgt.

Was aber geschieht, wenn die Energiepreise dauerhaft auf diesem hohen Niveau bleiben?

Ich weiß es nicht, zumindest der Wettbewerbsnachteil wäre dann auch von Dauer. . .

Aber Kabel Premium setzt doch auf Geothermie aus der Tiefe. Wie steht es mit diesem Projekt?

Wir haben aktuell eine Flachbohrung im Hagener Steinbruch vorgenommen und dort die erhoffte Klüftigkeit im Massenkalk vorgefunden. Nun kann auch davon ausgegangen werden, dass die abfallende Gesteinsschicht unterhalb unseres Werkes in ca. vier Kilometern Tiefe eine ähnliche Klüftigkeit aufweisen sollte, die das erforderliche Nachfließen von Thermalwasser ermöglicht. Die Experten, mit denen wir zusammen arbeiten, haben die Ergebnisse als sehr positiv bewertet. Jetzt müssen wir möglichst zügig den nächsten Schritt wagen, d. h. eine Abteufung auf bis zu 4000 Meter Tiefe. Dazu brauchen wir die volle Unterstützung der Politik. Die Nutzung der tiefengeothermalen Wärme kann unseren Planungen nach gut einem Drittel des Erdgasbedarfs substituieren, sie ist CO2-neutral und muss auch nicht importiert werden. Wir brauchen hier schnell einen Erfolg in NRW, damit weitere Projekte initiiert werden.

Stimmt es, dass Kabel Premium wegen der Borkenkäfer-Kalamitäten kaum noch Holz aus dem Sauerland bezieht?

Wir bekommen nach wie vor etwa ein Viertel unseres Holzbedarfs aus dem Sauerland. Dies war früher deutlich mehr. Borkenkäfer spielen eine eher untergeordnete Rolle, Grund ist vielmehr die gesperrte Rahmedetalbrücke auf der A45. Aber die Verfügbarkeit für Holz aus dem Sauerland hatte auch schon die Jahre zuvor etwas nachgelassen. Nach wie vor ist Deutschland Nummer eins bei der Holzlieferung. Wir beziehen neben NRW auch Holz aus Rheinland-Pfalz und Hessen. Holzimporte kommen zu etwa 25 Prozent aus dem Baltikum und zu fünf Prozent aus Schweden. Der Bezug aus dem Baltikum konnte und musste erhöht werden, da die A45-Fehlmengen kompensiert werden mussten.

Macht Kabel Premium derzeit Gewinn?

Ja, zur Zeit sind die Zahlen schwarz, aber das „Bedrückende“ ist zurzeit die Nicht-Planbarkeit. Das gilt für größere energierelevante Projekte genauso wie für die Beschaffung von Energie. Die Energiemärkte funktionieren einfach nicht mehr.

Wie meinen Sie das?

Es gibt doch nur wenige große und damit marktbestimmende Strom- und Gasanbieter. Der teuerste Stromanbieter bestimmt den Preis, und wenn das Angebot verknappt wird, können schon hin und wieder extrem teure Kleinstmengen die Stundenpreise regelrecht explodieren lassen. Das kann viele Gründe haben, aber Fakt ist, dass viele Stromanbieter somit ihre Erlöse drastisch steigern konnten. Die Zeche zahlt der Verbraucher und ganz am Ende der Bürger. Aber ich glaube, dass die Preise schon jetzt erheblich gesenkt werden könnten. Vermutlich muss das staatlich definiert werden; ich glaube, anders geht es nicht.