Hagen. Anas Namous flüchtet vor dem Krieg – und macht sich in Hagen mit einer Konditorei selbstständig. Damit ist sein größter Wunsch wahr geworden.
Sein größter Wunsch ist in Erfüllung gegangen: Anas Namous hat seine eigene Konditorei eröffnet. In der Bahnhofstraße 47 in Hagen bietet der 37-Jährige seit Anfang April syrische Backwaren an. Mit Hilfe seiner Familie hat sich der Flüchtling selbstständig gemacht. Ein langer, steiniger Weg liegt hinter ihm.
2015 ist Anas Namous gemeinsam mit seiner Frau aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Damaskus vor den Kriegswirren geflüchtet. Sein geregeltes Leben und seine eigene Konditorei, die er dort betrieben hatte, ließ er zurück. Das Ehepaar kam nach Deutschland, lebte in Lemgo, wo der Syrer als Angestellter in einer Bäckerei arbeitete.
2018 kamen dann auch seine Cousine Ghadir und sein Cousin Ghaith Alnammous und sein Verwandter Bilal Ayash nach Deutschland; sie ließen sich in Hagen nieder und sind mittlerweile als Ärzte tätig. Ghadir Alnammous ist in einer Praxis in der Elberfelder Straße 78 als Dermatologin beschäftigt, Ghaith Alnammous ist Chirurg in der Paracelsus-Klinik Hemer und Bilal Ayash arbeitet als Urologe im St.-Elisabeth-Krankenhaus in Iserlohn.
Selbstständig gemacht in Hagen – mit fast 20 Jahren Erfahrung
Für die drei stand schnell fest, dass sie Anas unterstützen und ihm helfen wollten, sich seinen Traum zu erfüllen. Die in Hagen lebenden Ärzte wurden auf ein leerstehendes Ladenlokal, in dem bis dato eine Bäckerei ansässig war, aufmerksam. Sie mieteten die Räumlichkeiten an und gestalteten sie im syrischen Stil – mit goldener Dekoration und großer Theke – um.
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Und Anas Namous? Der zog im vergangenen September mit seiner Frau und seinen drei Kindern nach Hagen und büffelte täglich für seine Meisterprüfung. „Zwar wurde mir in Deutschland meine Ausbildung zum Konditor anerkannt und ich konnte ja auch fast 20 Jahre Erfahrung im Konditorei-Handwerk nachweisen, doch da ich die Backwaren hier nicht nur verkaufen, sondern auch selbst produzieren will, musste ich die Prüfung ablegen“, blickt Anas Namous auf anstrengende Monate zurück, die hinter ihm liegen.
Ohne seine Verwandten, die ihn abends – nach ihrer Arbeit in Krankenhaus oder Praxis – den zu lernenden Stoff abhörten und ihn motivierten, bei der Stange zu bleiben, hätte er die sechsstündige Prüfung, die aus Theorie und Praxis bestand, vermutlich nicht geschafft. So aber schon, und die Belohnung für sein Durchhaltevermögen hätte wohl kaum schöner ausfallen können.
„Pistachio“ bietet syrische Spezialitäten in Hagen
Etwa 100 Quadratmeter groß ist der Betrieb „Pistachio - Konditorei, Bäckerei, Café“. Die Konditorei mit einem Sitzbereich ist im Erdgeschoss, im Untergeschoss befinden sich Küche, Backstube und Lagerräume. Was im „Pistachio“ angeboten wird? Typische Spezialitäten wie Baklava (Blätterteigpastete), gefüllt mit Pistazien. „In der syrischen Küche werden viel Rahm und Sahne verwendet“, betont Anas Namous und ergänzt: „Wir verwenden allerdings weniger Zucker als zum Beispiel türkische oder griechische Konditoren.“
Alles werde bei ihm frisch gebacken und enthalte weder Zusatz- noch Konservierungsstoffe, „darauf achte ich besonders“, fügt Hautärztin Ghadir Alnammous mit einem Augenzwinkern an. Außerdem zieren Datteln, gefüllt mit zum Beispiel Walnüssen oder Mandeln, die Theke. Auffällig im „Pistachio“: Sämtliche Produkte werden erhöht – also auf Tabletts oder Sockeln – präsentiert.
„Das ist bei uns Tradition und symbolisiert, dass die Ware ein wertvolles Gut mit hoher Qualität ist“, erläutert Urologe Bilal Ayash den Hintergrund. Was sich Konditor Anas Namous jetzt noch für die Zukunft wünscht? Das ist ganz einfach: „Dass nicht nur syrische Leute zu mir kommen, sondern alle. Türken, Polen, Deutsche – wirklich alle sind bei uns im ,Pistachio‘ willkommen.“
Info: Die Konditorei mit Café befindet sich in Nähe des Bahnhofs in der in der Bahnhofstraße 47. Das „Pistachio“ hat täglich (auch sonntags) von 8 bis 23 Uhr geöffnet.