Haspe. An der BAVO in Hagen-Haspe stehen Zwischenprüfungen an – mit einem besonderen Besucher: Heinz Schäfer. Der bekannteste Komparse in Deutschland.

Aus dem Fenster am Krankenbett bietet sich ein Blick auf die Schattenspiele, die die Sonnenstrahlen auf den Vorhof werfen. Ein Blick ins Grüne. Eine Idylle auf den ersten Blick. Aber der Mann, der hier am Fenster im Krankenbett liegt, hat Schmerzen. Muss nach einer Operation wieder mobilisiert werden. Manuella Poola, 24 Jahre alt und aus dem Kamerun, hebt Heinz Schäfer behutsam aus dem Bett. Er ist 71 Jahre alt – und einer der wohl bekanntesten Komparsen, der in fast jeglichen deutschen TV-Produktionen schon einmal mitgewirkt hat.

Als Leiche, als Kaffee-Trinker, Autoverkäufer. „Ich bin schon in viele Rollen geschlüpft. Aber das hier ist schon etwas anderes“, sagt der 71-jährige Rentner, der sich heute von 19 Pflegeschülern der Bildungsakademie Volmarstein wieder mobilisieren, also aus dem Bett heben lässt, und lacht. Für die Schüler der Klasse B 2023 steht heute die Zwischenprüfung an.

In einem Zirkeltraining müssen die jungen Pflegekräfte in spe an fünf verschiedenen Stationen ihr Können unter Beweis stellen. Das soll aufdecken, wo es noch Lücken gibt. Wo Verbesserungsbedarf besteht. „Die Schüler müssen hier in einer Stresssituation Entscheidungen treffen. Abwägen, welcher Schritt als nächstes der Richtige ist. Wir haben hier zwar ,Puppen’, an denen praktische Übungen gut simuliert werden können, aber es ist noch mal was anderes, mit echten Menschen zu arbeiten“, erklärt André Massoli. Abgesehen davon, dass man die „Simulator-Puppe“ ohnehin nicht aus dem Bett holen könne.

Neue Zwischenprüfung durch Generalistische Pflegeausbildung

Die Schüler sind nervös. Wissen nicht, was sie erwartet. Allem voran nicht, dass heute nicht nur eine Puppe, sondern ein echter Mensch im Bett liegt. Es ist wichtig, welche Fragen sie stellen, welche Schlüsse sie ziehen. Und welche Schritte folgen. Prüfer beäugen das Vorgehen der Schüler aus der „Regie“ – also einem echten Regieraum, der hinter einer Scheibe versteckt ist –, von der aus sie auch für die Simulatoren-Puppen sprechen können.

Aus dem Regieraum an der BAVO in Hagen können die Prüfer jeden Schritt beobachten,.
Aus dem Regieraum an der BAVO in Hagen können die Prüfer jeden Schritt beobachten,. © WP | Michael Kleinrensing

„An den fünf Stationen werden verschiedene Gebiete geprüft, die alle in den Bereich der generalistischen Pflegeausbildung fallen“, erklärt Thorsten Krause, Fachbereichsleiter. An Station 1 beispielsweise geht es um Mobilisation (hier kommt Heinz Schäfer ins Spiel). An der zweiten Station um Körperpflege, an Station drei müssen die Schüler postoperativ die Vitalzeichen erheben und an der vierten Station geht es um die Vorbereitung und das Injizieren von Medikamenten. „Station fünf umfasst dann das Aufstellen einer Pflegeplanung für Kinder“, so Krause. Für jede Station haben die Prüflinge 15 Minuten Zeit.

Heinz Schäfer ist jetzt schon zum zweiten Mal hier. Am Vortag war Klasse A an der Reihe. „Seit halb acht liege ich hier im Bett“, sagt der 71-Jährige und grinst. Das mache ihm nichts aus. „Ich bekomme durch diesen Job Einblicke, die ich sonst nicht bekommen würde“, sagt er.

Für ihn (und seine Frau) ist die Komparsen-Arbeit Hobby und Leidenschaft geworden. Und dabei hat er auch schon das ein oder andere Mal einen Promi getroffen („Jürgen Vogel fand ich besonders nett“).

Komparse Heinz Schäfer. im Krankenbett: Heute spielt er an der BAVO den Patienten für die Zwischenprüfung.
Komparse Heinz Schäfer. im Krankenbett: Heute spielt er an der BAVO den Patienten für die Zwischenprüfung. © WP | Michael Kleinrensing

Die Zusammenarbeit mit den Schülern mache ihm spaß: „Ich kann die Rolle anpassen, je nachdem was der Schüler oder die Schülerin sagt oder fragt. Ich kann traurig sein. Wütend. Was eben gerade der Situation angemessen ist.“

Auch für die Schüler ist das eine besondere Erfahrung. „Ich war sehr nervös. Aber es hat auch Spaß gemacht und ich glaube, dass alles ganz gut geklappt hat bislang“, sagt Julia Niebius. Die Gevelsbergerin hat noch einige Stationen vor sich. Und, genau wie ihre Klassenkameraden, noch ein Ausbildungsjahr vor sich, bevor sie in den Beruf einsteigen kann. „Am Anfang war es merkwürdig, dass wir mit Puppen reden“, erinnert sich die 21-Jährige zurück.

Mittlerweile ist das Alltag. Im Beruf wird dann stets ein echter Mensch im Bett liegt. Ein Mensch wie Heinz Schäfer.