Hagen. Vier Aufgabenfelder sollten an den Wirtschaftsbetrieb Hagen übergeben werden, um Steuern zu umgehen. Doch der Betrauungsakt scheint zu wackeln.
Haben Stadt und Politik zu früh geglaubt, dass mit dem beschlossenen „Betrauungsakt“ des Wirtschaftsbetriebs Hagen (WBH) die Steuer-Kuh vom Eis wäre? Vier Bereiche – darunter unter anderem Straßenbau- und Unterhaltung – sollen dem WBH übertragen werden, damit dafür ab 2023 nicht rund 2,5 Millionen Euro Umsatzsteuern fällig werden. Die Diskussionen waren groß, weil zu befürchten stand, dass damit politische Einflussnahme verloren gehe. Nun sorgt ein Schreiben von NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach für Fragezeichen.
E-Mail liegt der Redaktion vor
In einer E-Mail, die der Redaktion vorliegt, klärt Kämmerer Christoph Gerbersmann die Hagener Parteien über den aktuellen Sachstand auf. Klar erkennbar sei, dass nicht jede Übertragung von öffentlichen Aufgaben an eine „juristische Person öffentlichen Rechts“ – im Hagener Fall ist der WBH eine Anstalt öffentlichen Rechts – steuerbefreit ist, sondern in jedem Einzelfall die Frage einer Wettbewerbsverzerrung geprüft werden muss. Die würde dann auch Umsatzsteuer nach sich ziehen. Das Schreiben, so Gerbersmann, enthalte aber „keine klare Definition der notwendigen Rahmenbedingungen“. Gerbersmann weiter in Richtung der Politik: „Ich möchte Sie daher heute frühzeitig darüber informieren, dass sich durch die hier kommunizierte, offenbar veränderte Haltung des Finanzministeriums möglicherweise eine alternative Lösung zur beschlossenen Betrauung andeutet.“
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„Neu ist allerdings die im Schreiben des Kommunalministeriums angedeutete möglicherweise ebenfalls umsatzsteuerbefreite Gestaltung ohne Betrauungsakt unter bestimmten bisher nicht näher definierten Rahmenbedingungen“, erklärt Christoph Gerbersmann auf Anfrage der WP. Eine Voraussetzung dabei werden Paketlösungen sein, „die sowohl öffentlich-rechtliche Leistungen wie Straßenreinigung oder Stadtentwässerung als auch sonstige Leistungen wie zum Beispiel Straßen- oder Grünflächenunterhaltung kombinieren“, so Gerbersmann.
Es bleiben Fragezeichen
Die Frage, ob auch in einem möglichen neuen Modell die Straßenunterhaltung steuerbefreit wäre, könne derzeit nicht abschließend beantwortet werden. Gerbersmann: „Daher beabsichtigt die Verwaltung auch, zunächst den vom Rat beschlossenen Weg weiter zu verfolgen.“ Keinesfalls sei das Vorgehen von Ratsmehrheit und Verwaltung verfrüht gewesen, erklärt der Kämmerer. Die Steuerbelastung drohe schließlich ab dem 1. Januar 2023. Und ganz so einfach sei das mit verbindlichen Auskünften beim Finanzamt eben nicht. „Das Wesen einer verbindlichen Auskunft ist immer die Entscheidung für ein definiertes Modell, für das die Auskunft beantragt wird. Nur für dieses Modell gilt die beantragte Auskunft.“ Nachträgliche Abweichungen vom abgefragten Modell führen zu einem neuen Antrag auf verbindliche Auskunft mit eben derzeit noch nicht kalkulierbarem Ausgang.
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Mehrere Städte fragen an
Es sei der Verwaltung bekannt, dass derzeit mehrere verbindliche Auskünfte anderer Kommunen, die anders als Hagen noch keine solche Auskunft vorliegen haben, mit Bezug auf die offenbar neue Haltung des Finanzministeriums vorbereitet werden. „Idealerweise könnte auf die Erfahrungen der anderen Kommunen zurückgegriffen werden“, so Gerbersmann. „Deswegen habe ich in meinem Schreiben ausdrücklich auch von einer „möglicherweise ebenfalls erfolgversprechenden Alternative gesprochen, die die Verwaltung genau beobachten wird“.
Rund um den Betrauungsakt war es zu einer Protestaktion Hunderter WBH-Mitarbeiter gekommen, die ihren Unmut äußerten. Sie sahen vor allem die gute Leistung des WBH in der öffentlichen Wahrnehmung als gefährdet an.