Hagen. Der Hagener Künstler Uwe Will hat eine 16-jährige Ukrainerin bei sich aufgenommen. Das Praktikum in der Werkstatt bringt der Geflüchteten viel.

„Wenn Kristina das Geräusch eines Flugzeuges über sich hört, zuckt sie ängstlich zusammen“, sagt Uwe Will mit verständnisvoller Stimme. Der Hagener Maler und Bildhauer blickt freundlich in Richtung Kristina, die feuchten Ton an den Händen hat. „Sie ist 16, vor ein paar Wochen aus der Ukraine geflüchtet und macht nun bei mir im Atelier ein Praktikum“, sagt der 80-Jährige.

Kristina Pawlenko heißt das Mädchen, das sich dem Anschein nach in der Werkstatt in der Delsterner Straße 53a schon gut auskennt. Mittlerweile weiß sie, wo sie Farben und Pinsel, Meißel und sonstige Werkzeuge findet. Vor einigen Wochen ist Kristina mit ihrer Mutter und ihrem 14-jährigen Bruder aus der Ukraine geflüchtet. Die Familie ist momentan privat in Hohenlimburg untergebracht.

Diese Büste hat Kristina Pawlenko schon vor längerer Zeit in ihrer Heimat gefertigt. Das Foto ist in der Ukraine entstanden.  
Diese Büste hat Kristina Pawlenko schon vor längerer Zeit in ihrer Heimat gefertigt. Das Foto ist in der Ukraine entstanden.   © Privat

„Ein früherer Schulkamerad von mir betreut 45 ukrainische Flüchtlinge“, erklärt Uwe Will. Da die 16-Jährige besonders kulturinteressiert sei, habe sein Bekannter Kontakt zu ihm, Will, aufgenommen, „und nun macht Kristina seit einigen Tagen ein Praktikum hier bei mir“.

Die Chemie stimmt

Der gestandene Künstler und die junge Künstlerin lächeln sich an, „wir verstehen uns gut, die Chemie zwischen uns stimmt“, sagt Uwe Will. Wobei er mit „verstehen“ nicht den sprachlichen Austausch meint. Kristina spricht Ukrainisch, Russisch und ein wenig Englisch. Uwe Will „nur“ Deutsch.

Ab und an käme ein Dolmetscher ins Atelier, der sprachlich zwischen Kristina und ihm vermitteln würde, „sonst reden wir mit Händen und Füßen und Kristina schaut mir oder ich ihr über die Schulter“, sagt der Maler und Bildhauer, „das passt schon“.

Als der Krieg begann, seien ständig Hubschrauber und Militärmaschinen über ihr Haus in Kiew, das in der Nähe eines Damms und eines Stausees lag, gekreist. Seitdem würde sie sich bei Fluglärm fürchten, erklärt Kristina.

Uwe Will vertraut darauf, dass das talentierte Mädchen durch das künstlerische Arbeiten ein wenig Abwechslung erfährt und dass es sich weiterbilden kann, „wobei Kristina schon jetzt unheimlich viel weiß und kann“.

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Seit einigen Wochen besucht die 16-Jährige die Hildegardisschule, nachmittags macht sie das Praktikum in der rustikalen Werkstatt in Halle 7. Während der Osterferien nimmt sie an einem speziellen Deutsch-Unterricht an der „Hilde“ teil, „ab mittags werkeln wir hier dann gemeinsam“, lächelt Uwe Will.

Kristina könne gut malen, zeige sich aber genau so talentiert in Sachen Bildhauerei. Momentan arbeitet die Ukrainerin an einer Büste aus Ton, die Uwe Wills Kopf abbildet.

350 Quadratmeter große Werkstatt in Delstern

Im letzten Sommer hat Uwe Will – Markenzeichen rustikales Holzfällerhemd – seine 350 Quadratmeter große Werkstatt in der Delsterner Straße 53 a (Halle 7, 1. Etage) bezogen.

Vorher war er fast 40 Jahre in einer alten Schraubenfabrik in der Delsterner Straße 68-72 ansässig.

Seit etlichen Jahren engagiert sich der Maler und Bildhauer auch in Schul- und Jugendprojekten.

Mit Porträts beschäftige sie sich am liebsten, erzählt Kristina. In Kürze will sie unter dem wohlwollenden Auge von Uwe Will beginnen, Porträts zu malen, „die Arbeiten kann sie dann später in ihrem Studium vorzeigen“, sagt Uwe Will, der Kristinas Absichten, einmal Kunst zu studieren, verstehen kann und gut heißt.

Auch in seiner Heimat hat sich das Mädchen seit Jahren mit Kunst beschäftigt, „ich konnte im Atelier meines Lehrers arbeiten“, erzählt sie.

„Sämtliche Technik rund um Kunst scheint in der Ukraine viel komplizierter zu sein als bei uns“, resümiert Uwe Will. So braucht Kristina für das Erstellen einer Büste einen speziellen Ständer, der mit wasserundurchlässigem Klebeband umwickelt sein muss, damit die Feuchtigkeit des Tons nicht in den Ständer zieht, „dafür sind wir beiden erstmal in einen Baumarkt gefahren“, lächelt Uwe Will.