Hagen. Trotz Corona, trotz Hochwasserfluten, trotz Ukraine-Krieges – die Enervie-Gruppe legt eine erfolgreiche Bilanz nach einem schwierigen Jahr vor.

Eine anhaltende Corona-Pandemie, ein Jahrhunderthochwasser im Sommer (200 Havarien in der Region, 12 Millionen Euro Schaden) und obendrein noch bedrohliche Entwicklungen auf den Energiemärkten im Vorfeld des Russland-Ukraine-Krieges – es hätte wahrlich günstigere Rahmenbedingungen geben können, unter denen sich die Enervie-Gruppe im vergangenen Geschäftsjahr bewegte. „Dennoch können wir gute Nachrichten in schwierigen Zeiten verkünden“, fasste Erik Höhne, Vorstandssprecher des heimischen Energieversorgers, das Bilanzergebnis 2021 mit einem Umsatzerlös von 1,18 Milliarden Euro zusammen: „Wir können äußerst zufrieden sein.“

Beinfreiheit für Investitionen

Als regionaler Energieversorger generierte die Enervie-Gruppe im Geschäftsjahr 2021 in Südwestfalen eine Wertschöpfung in Höhe von 175 Millionen Euro. Dieses Geld floss vorzugsweise durch Investitionen, Beschäftigung, Gewinnausschüttungen sowie natürlich Konzessionsabgaben und Steuern in die Städte und Kreise.

Zudem sicherte sich Enervie durch den erfolgreichen Abschluss der vorgezogenen Refinanzierung mit Kernbanken und örtlichen Sparkassen eine langfristig strukturierte Konzernfinanzierung von 170 Millionen Euro.

Nach der kritischen Phase in den Jahren 2014/15 ist das Unternehmen inzwischen wieder komplett notenbankfähig. Damit eröffnet sich auch wieder die Chance, sich mittel- und langfristig mit Kreditmitteln einzudecken. Diese Gelder schaffen jene finanzielle Flexibilität, die beispielsweise für die Wachstumsstrategie auf dem Feld der regenerativen Energien benötigt wird.

Das Ergebnis vor Steuern fiel mit 47,2 Millionen Euro noch einmal 4,1 Millionen Euro besser aus als im Vorjahr. Die Stadt Hagen als größter Anteilseigener im Gesellschafterkreis (42,7 Prozent) kann sich somit ein saftiges Stück vom 14 Millionen Euro schweren Dividende-Kuchen abschneiden, der im Vergleich zum Vorjahr um drei Millionen Euro angewachsen ist. Allerdings kündigte Höhne am Montag im Rahmen eines Bilanzgesprächs angesichts der aktuell ungewissen Entwicklung auf den weltweiten Energiemärkten an: „Trotz unserer langfristigen Beschaffungsstrategie werden wird natürlich Preisanpassungen vornehmen müssen.“ Dabei entsprechen für den Manager konkretere Prognosen zu den drohenden Steigerungen auf den Strom- und Gasrechnungen allerdings einem Blick in die Glaskugel.

Warnung vor dem Gas-Ausstieg

„Wir machen uns durchaus große Sorgen um die globalen Lieferketten und die Versorgung mit Gas“, teilte der Enervie-Chef keineswegs die Einschätzung, dass sich Deutschland schon heute von russischen Gaslieferungen unabhängig machen könne. Ohne konkret benennen zu können, wie hoch der Russland-Gasanteil bei den Einkäufen der Enervie auf den Energiebörsen zurzeit ausfällt, wies er darauf hin, dass bis zum Oktober die deutschen Gasspeicher dringend gefüllt werden müssten, um verlässlich über den Winter zu kommen. Zudem dürfe Deutschland auch die Kohlenutzung nicht aus dem Blick verlieren, zumal die Versorgung mit LNG-Gas (Flüssiggas) wegen der fehlenden technischen Voraussetzung sich ebenfalls kaum zeitnah realisieren lasse. „Gas bleibt zumindest für eine Übergangszeit notwendig, denn wir müssen mit Blick auf die Versorgungssicherheit auch die Gegenwart organisieren – gerade auf dem Wärmemarkt“, möchte sich Höhne auf keinerlei Experimente mit Wetten auf einen milden Winter einlassen.

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Zugleich appellierte er an die Politik, auf dem Feld der Steuern und Umlagen an den Stellschrauben zu drehen, um sowohl bei den Privat- als auch den Gewerbekunden die drohenden Preisspitzen abzupuffern. Seit Oktober habe es bereits dreimal erhebliche Preisspitzen auf dem Energiemarkt gegeben. „Mit Kriegsbeginn im Februar registrierten wir Preisausschläge innerhalb eines Tages wie sie noch nie dagewesen sind“, erwartet die Enervie-Gruppe, dass auch die Politik durch entsprechende Gegenreaktionen dabei hilft, eine Explosion der Verbraucherpreise im Jahr 2022 abzufedern.

Rückzahlung des Restdarlehns

Über die Jahresbilanzdaten hinaus sieht sich die Enervie-Gruppe nach den Krisenjahren 2014/15 auch insgesamt wieder in einem stabilen Finanzfahrwasser. Dank der erzielten Überschüsse konnte die Eigenkapitalquote auf inzwischen 27,9 Prozent gesteigert werden (Im Jahr 2014 erwirtschaftete Enervie noch einen Jahresfehlbetrag von 115 Millionen Euro, sodass die Eigenkapitalquote im Jahr 2015 bei bedrohlichen 2,8 Prozent lag). Höhne versicherte, dass sein Unternehmen zur Jahresmitte die letzte Tranche des Gesellschafterdarlehns in Höhe von 30 Millionen Euro fristgemäß zurückzahlen werde.

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Darüber hinaus kündigte Co-Vorstand Volker Neumann an, dass mit 43 Millionen Euro die Ausgaben in die Netzinfrastruktur nach 30 Millionen Euro im Vorjahr noch einmal erhöht werden sollen: „Mit diesen Investitionen sorgen wir für eine hohe Stabilität und Sicherheit in unserem Versorgungsgebiet. Wir treiben insbesondere die Digitalisierung in unseren Netzen, aber auch generell in der Region weiter voran und sehen uns hier als starker Partner der Kommunen.“ So trat Enervie-Vernetzt im vergangenen Jahr der „Versorger-Allianz 450“ bei, die sich für den Ausbau eines ausfallsicheren 450-Megahertz-Funknetzes für die Digitalisierung der Energie- und Wasserwirtschaft sowie anderer kritischer Infrastrukturen engagiert. Zudem baute Enervie mit dem LoRaWAN-Netz (Long Range Wide Area Network) ihr eigenes Funknetz im Versorgungsgebiet weiter aus, das künftig auch zur Basis für Smart City-Anwendungen werden soll.

Schub für Windrad-Pläne

Einen deutlichen Schub erwartet Enervie durch die aktuellen Weichenstellungen der Bundesregierung für den Ausbau der Windenergie in der Region – hier sind insgesamt 20 Windrad-Standorte in der konkreten Planung. Angesichts der nun verbesserten Genehmigungssituation gehen Höhne und Neumann davon, dass diese Projekte sich jetzt deutlich einfacher umsetzen lassen.