Hohenlimburg. In diesen Wochen wird das ehemalige Hoesch-Verwaltungsgebäude in Hohenlimburg abgerissen. Langjährige Mitarbeiter blicken zurück auf Erlebnisse

Vier Jahrzehnte war es das Flaggschiff unter den Bürogebäuden in der Region: der wuchtige Großraum-Koloss der ehemaligen „Hoesch Werke Hohenlimburg-Schwerte AG“ am Langenkamp. Unweit der Hohenlimburger Innenstadt auf dem einstigen Industrieareal des „Limburger Fabrik- und Hüttenvereins“ erstellt. Geplant und gebaut in den Jahren 1969 bis 1971 vom renommierten Architekten Prof. Dr.-Ing. Walter Henn und am 8. August 1971 offiziell eröffnet.

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Über 300 Arbeitsplätze im Gebäude

In Hoch-Zeiten standen hier mehr als 300 Arbeitnehmer in „Gehalt und Brot“. Doch kontinuierlich wurden diese wieder Richtung Oege beordert. „Im Mai 2011 waren es noch knapp 30 Mitarbeiter, die zur Oeger Straße ins alt-ehrwürdige Verwaltungsgebäude zurückkehrten und die Türen am ,Langenkamp’ abschlossen“, erinnert sich Urgestein Günter Schmidt. Damit war dieses Kapitel der Unternehmensgeschichte für die Hoeschianer beendet. Um dieses Gebäude ranken zahlreiche Anekdoten. Eine der bedeutendsten ereignete sich bereits in der Planungsphase. Denn zunächst lief das Bauvorhaben, von der damals noch selbstständigen Stadt Hohenlimburg genehmigt, auf drei Stockwerke hinaus.

Drittes Stockwerk

Weil die Geschäfte der „Hoesch Werke Hohenlimburg-Schwerte AG“ aber hervorragend waren und deshalb zusätzliche Mitarbeiter gesucht und auch gefunden wurden, wurde das Gebäude kurzerhand um eine Etage erhöht. „Entgegen der kommunalen Auflagen“, wie die drei Autoren Hanke, Goes und Pauwels in ihrem Buch „Gefüge von Stahl und Arbeit“ schreiben. Die Stadt Hohenlimburg erwies sich jedoch als überaus gnädige Aufsichtsbehörde und belegte diesen Verstoß gegen die Baugenehmigung mit einer Geldbuße in Höhe von 500 D-Mark.

Ein Foto vom Richtfest im April 1971 aus den historischen Unterlagen. Wie teuer das Gebäude damals war, dazu fanden sich keine Angaben. 
Ein Foto vom Richtfest im April 1971 aus den historischen Unterlagen. Wie teuer das Gebäude damals war, dazu fanden sich keine Angaben.  © Thyssenkrupp Hohenlimburg

Eine Frau der ersten Stunde, die 1971 den Umzug von Oege zum Langenkamp mitgemacht hat, ist Christel Gündel aus Elsey, die 2007 in den Ruhestand ging und somit mehr als 35 Jahre im „Krawattenbunker“ arbeitete. Diesen „Spitznamen“ hatte sich das für rund 450 Mitarbeiter konzipierte Gebäude, das im Westen und Osten über ein Eingangsportal verfügt, schnell erworben. Diese beiden Eingänge verwirrten insbesondere die orts- und firmenunkundigen Besucher oft. „Einige sind deshalb mit dem Auto von vorne nach hinten gefahren, von hinten wieder nach vorne und wieder zurück“, erzählt die Elseyerin.

Übernahme durch Krupp

Einen Arbeitstag wird sie nie vergessen. Den Tag der „feindlichen Übernahme“ von Hoesch durch Mitbewerber Krupp im Oktober 1991. Zufällig weilte sie zu einem Gespräch bei Krupp in der Obernahmer. Dort erfuhr sie, dass der kleinere Krupp-Konzern durch einen raffinierten Schachzug von Krupp-Konzernchef Gerhard Cromme den großen Rivalen Hoesch geschluckt hatte. „Da habe ich geweint“, erzählt sie. „Mit dieser Übernahme ist viel von der Hoesch-Kultur verloren gegangen.“

An diese besondere Kultur erinnert sich auch Günter Schmidt, der 1972 seine Ausbildung am Langenkamp begann und dem Unternehmen fast 49 Jahre die Treue hielt. „Hoesch bot in den 1970ern zusätzlich zur Berufsschulausbildung eine innerbetriebliche Weiterbildung in Dortmund an. Am Nachmittag wurden wir dort vom Fahrer der Geschäftsführung mit der Dienstlimousine, ein blauer Opel-Diplomat, abgeholt. Da staunten die Mitschüler, wenn die drei Hohenlimburger Azubis nach jedem Schultag in diese Nobelkarosse einstiegen.“

Aufzug bleibt stecken

Ein besonderes Erlebnis hatte Gerd Deckert aus der Marketing-Abteilung. Nach einem Meeting an einem Samstag wollte er mittags mit dem Personenaufzug ins Erdgeschoss fahren. Doch der Aufzug blieb zwischen zwei Stockwerken stecken. Weil mit Karin Baron jedoch eine Kollegin noch an ihrem Arbeitsplatz saß, konnte er diese per Notfalltelefon über seine missliche Situation informieren und glaubhaft machen, dass dieser Anruf kein kollegialer Spaß sei. Karin Baron rief dann den im Sauerland wohnenden Hausmeister an, der anrückte und den „Eingeschlossenen“ Stunden später mit handwerklichem Geschick befreien konnte, so dass das Wochenende im Kreise der Familie gerettet war.

Moderne Technik im Gebäude

Im Untergeschoss des Langenkamp-Gebäudes war bis zur Rückkehr zur Oeger Straße der Hoesch-Vorstand untergebracht. Die darüber liegenden drei Großraumbüros waren für je 150 Personen gebaut. Bei der Einrichtung der Büros berieten Psychologen, wie diese Zeitung 1971 berichtete. So schmückte ein goldgelber Teppichboden die Räume. Das Mobiliar bestand aus farbigen Stahlmöbeln.

Als Wunderwerk der Technik wurde 1971 die Einweihung der Klimaanlage für die drei Großraumbüros gefeiert, die im rundum mit goldgedampften Thermopanscheiben verglasten Gebäude die Temperatur auf 20 bis 26 Grad halten sollten. „Allerdings war die Anlage nicht so leistungsstark wie versprochen. Deshalb haben wir im Sommer häufig die Nottür geöffnet“, so Hoesch-Mitarbeiterin Christel Gündel.