Wehringhausen. Paulina Pruscini ist gelernte Zupfinstrumentenmacherin. Sie repariert nicht nur, sondern fertigt auch handgebaute Instrumente in Wehringhausen.

Nicht nur der Klang ist es, der Paulina Pruscini besonders fasziniert. Es ist die Physik, die Theorie, die ihren Beruf, der gleichzeitig Berufung für sie ist, besonders macht. „Wenn man die Physik dahinter nicht versteht, wird man nie eine richtig gute Gitarre bauen können. Und mich fasziniert, dass man sieht, wie aus einfachem Holz am Ende ein spielfähiges Instrument entsteht“, sagt die 26-Jährige. Sie ist Zupfinstrumentenmacherin – spezialisiert auf Gitarren. Und das ist nicht nur besonders, weil sie eine Frau ist und Frauen besonders in diesem Berufsfeld selten sind. Besonders ist es auch, weil sie erst 26 Jahre alt ist – und erst vor kurzem ihre eigene Werkstatt eröffnet hat und mit ihrem Mann (ebenfalls Gitarrenbauer) nach Wehringhausen gezogen ist.

Wer eine Gitarre bauen möchte, der muss die Physik dahinter verstehen, sagt Paulina Pruscini.
Wer eine Gitarre bauen möchte, der muss die Physik dahinter verstehen, sagt Paulina Pruscini. © WP | Michael Kleinrensing

50 Quadratmeter. Urig sieht es hier im Geschäft aus, dessen Innenraum man durch die große Frontscheibe bereits bestaunen kann. Gitarren hängen an der Wand. Darunter auch die erste die Paulina Pruscini jemals gebaut hat – mit einem kleinen schwarzen Schnurrbart. Vor der Werkbank steht eine 100 Jahre alte – man kann vielleicht sogar historische sagen – Bandsäge. „Ich liebe es hier in Wehringhausen. Ein echtes Künstlerviertel mit vielen Musikern und Kreativen. Und vor allem: vielen inhabergeführten Geschäften“, sagt die 26-Jährige, die in Haspe geboren und aufgewachsen ist.

Dass sie eine eigene Werkstatt aufmachen will – ein logischer Schritt. „In unserem Beruf ist das so üblich. Auch wenn ich zugebe: es hat jetzt besser und schneller geklappt, als ich dachte“, sagt sie und grinst.

Handwerkliche Arbeit begeistert

Und wie das so üblich ist, kommt jeder Gitarrenbauer – oder Gitarrenbauerin – vom Instrument: „Ich auch“, sagt Paulina Pruscini. „Ich habe viele Jahre lang Musik gemacht. Mittlerweile nicht mehr. Zumindest nicht mehr Gitarre. Ich habe acht Stunden am Tag Gitarren in der Hand – nach dem Feierabend setze ich dann lieber auf den Kontrabass“, sagt die 26-Jährige und lacht. Dabei war es eher ein Zufall, dass sie ihre Berufung gefunden hat: „Nach dem Abi habe ich einen Gitarrenbau-Kursus geschenkt bekommen. Danach war für mich klar, dass ich nichts anderes mehr machen möchte.“

Weil es in Hagen keine derartige Ausbildung gab, bewarb sie sich zunächst um eine Ausbildung als Tischlerin – ohne Antwort. Also begann sie, „ich weiß, eine ganz andere Richtung“, ein Informatikstudium. „Das hat mir auch Spaß gemacht. Aber den ganzen Tag am PC zu sitzen ist für mich einfach nicht erfüllend gewesen. Nicht so erfüllend wie etwas Handwerkliches, wie Gitarrenbau“, sagt Paulina Pruscini.

Die Gitarrenwerkstatt wurde an der Lange Straße 18 eröffnet.
Die Gitarrenwerkstatt wurde an der Lange Straße 18 eröffnet. © WP | Michael Kleinrensing

Also bewarb sie sich 2014 um einen Ausbildungsplatz in einer Berliner Gitarrenwerkstatt. Nach anderthalb Jahren wechselte sie zu einer Berufsfachschule in Sachsen und zog nach Klingenthal – wo sie auch ihren Mann kennenlernte. „In Sachsen gibt es viele Instrumentenbauer, und die Zeit dort war schön. Aber irgendwann ist es Zeit, zu gehen. Und mich hat es zurück in die Heimat gezogen.“ Nach Hagen.

Werkstatt in der Coronazeit eröffnet

Und nur durch Zufall, also eher gesagt eine kleine Zeitungsannonce für eine Wohnung, fand sie direkt die perfekten Räume für ihre Werkstatt – „sie befindet sich im gleichen Haus wie die Wohnung. Ein Glückstreffer. Vor allem wenn man bedenkt, dass meine Werkbank vorher quasi in meinem Schlafzimmer stand“, sagt sie und lacht. Und so öffnete sie im November vergangenen Jahres, mitten in der Coronazeit, ihre Türen zum ersten Mal. „Ich biete neben Wartung und Reparaturen auch handgebaute Instrumente an“, sagt Paulina Pruscini. Konzertgitarren, E-Gitarren, E-Bässe, Ukulelen.

 Paulina Pruscini ist gelernte Zupfinstrumentenmacherin und spielt selbst gern Gitarre.
 Paulina Pruscini ist gelernte Zupfinstrumentenmacherin und spielt selbst gern Gitarre. © Michael Kleinrensing

„Aber das Hauptgeschäft ist natürlich nicht der Neubau – der für eine Gitarre schon zwischen 100 und 120 Stunden dauert.“ Es sind die Wartungsarbeiten. Wie an der Akustikgitarre, die jetzt auf ihrer Werkbank liegt. Die Saiten müssen ausgetauscht werden. „Sobald die Saiten nicht mehr rund sind, schwingen sie nicht mehr gut“, erklärt die Frau vom Fach. Auch neue Mechaniken braucht das Instrument. „Der Irrglaube, dass man sich eine Reparatur beim Gitarrenbauer nicht leisten kann, hält sich hartnäckig. Für viele, viele Arbeiten ist man bei unter 120 Euro dabei“, gibt die Gitarrenbauerin Einblicke.

Wenn aus Holz ein Instrument wird

Auch einige Neubauten „liegen“ hier im Regal. Aber wie wird aus dem Holz – Fichte, Kirsche, Apfel oder Ahorn, oder Walnuss hat die junge Frau vorwiegend hier – eine Gitarre? Laienhaft erklärt: Vorgebaut – natürlich in handarbeit – liegen hier die Außen- und Innenform für die Zargen, also die Seitenwände der Gitarre. „Mit einem Biegeeisen kann feuchtes Holz übrigens vorsichtig in die runde Form gebracht werden“, erklärt die 26-Jährige.

Die Decke und der Boden werden später auf den Zargenkranz geleimt, „danach das Griffbrett und die Mechaniken, bevor die Gitarre lackiert wird“, so Paulina Pruscini, die in den letzten Jahren jeden freien Euro für ihre eigene Werkstatt zusammengespart hat. „Das was ich hier tue, fühlt sich sehr sinnvoll an. Ich könnte mir für mich nichts anderes vorstellen.“