Hagen. Jubiläums-Festwochen im „Ristorante da Salvatore“ in Haspe: Nicola Bucco feiert mit seiner Familie und Gästen das 50-jährige Gastronomen-Dasein.

„Schluss ist Schluss“, gibt sich Nicola Bucco mit leiser Stimme betont gefasst. „Ich kann damit umgehen.“ 50 Jahre lang prägte der 72-Jährige aus Apulien, den alle nur „Nico“ nennen, begleitet von der kulinarischen Kreativität und Virtuosität seiner Frau Liliana (65) die italienische Gastronomieszene in Hagen. Eine Zeit voller Leidenschaft für diesen Beruf und die Wünsche seiner Gäste. Seine Berufung über fünf Jahrzehnte: den Menschen in dieser Stadt italienische Lebensart zum genussvollen Vernaschen zu bescheren.

„Cucina Italiana“ als ein familiäres Lebensgefühl – „Ars vivendi“ als Genuss- und Wohlfühlemotion. Doch in diesem Jahr strebt dieses sinnliche Erlebnis abseits der Sterne- und Kochmützen-Gastronomie im „Ristorante da Salvatore“ in der nicht minder traditionsreichen „Alten Reichsbank“ in Haspe an der Haenelstraße seinem Finale entgegen – ganz unabhängig von den nervenzehrenden Corona-Zwängen, die die Branche quält. „An dieser besonderen Stelle meines Lebens bleibt mir nur ,Grazie mille!‘ zu sagen – Dank für diese gemeinsam gelebte und durchlebte Zeit“, klingt Nico Bucco melancholisch, aber nach einem halben Jahrhundert als Gastronom auch irgendwie erleichtert.

Als 14-Jähriger in Hagen angekommen

1964 folgte Nicola Bucco als 14-Jähriger mit Mutter und Geschwistern seinem Vater aus Apulien nach Hagen-Vorhalle. Nach dem Abschied von Freunden, Schule und Heimat sowie fast 30-stündiger Zugfahrt ein wahrer Kulturschock. Doch sein fußballerisches Talent, die Betriebsschlosser-Ausbildung bei Funcke & Hueck und seine musikalische Passion öffneten ihm ganz allmählich die Türen in die seinerzeit oft noch piefige Welt seiner neuen, westfälischen Umgebung. „Während meiner Lehrzeit hatte ich einen Kollegen, der auch Musiklehrer war und mir das Gitarrenspiel beibrachte.“ Seine erste Band trug als Namen die Ziffernfolge 1-2-4. „So hieß das Fiat-Modell, mit dem wir damals unterwegs waren.“ In den 70er-Jahren wurde daraus die fünfköpfige Formation „The Young People“. „Vier Jahre lang tourten wir bis rauf nach Dänemark, verdienten 2000 D-Mark im Monat, das war damals richtig viel Geld und eine tolle Zeit“, blitzen die Augen des ergrauten Italieners beim Schwelgen in Erinnerungen noch heute auf.

Ein besonderes Gastro-Jubiläum: Seit 50 Jahren steht der Name Bucco für italienische Kulinarik in Hagen. Nicola als Gastgeber und Liliana als Kreativchefin in der Küche werden 2022 sich in den Ruhestand zurückziehen.
Ein besonderes Gastro-Jubiläum: Seit 50 Jahren steht der Name Bucco für italienische Kulinarik in Hagen. Nicola als Gastgeber und Liliana als Kreativchefin in der Küche werden 2022 sich in den Ruhestand zurückziehen. © Bucco

Doch ab 1972 verbrachte Bucco zusammen mit Liliana, seiner Liebeseroberung fürs Leben aus einer Gevelsberger Eisdiele, immer mehr Zeit in dem eher schlichten Bierlokal seines Vaters an der Altenhagener Straße. Neben dem italienischen Nachttreff „Bei Carlo“ im Bahnhofsquartier etablierte sich das nach dem Papa benannte „Ristorante bei Salvatore“ ganz allmählich zur ersten Schlemmeroase für Genießer mediterraner Köstlichkeiten in Hagen. Mit dem Talent des neapolitanischen Pizzabäckers Don Gennaro und per Telefon von Nicolas Mutter soufflierten Rezeptideen entwickelte sich das Restaurant zu einem Geheimtipp, der auf Bussen und in den Lichtspielhäusern beworben wurde – aber eben noch nicht mehr.

Promi-Besuche zündender Impuls

Zum endgültigen Eisbrecher wurde im November 1974 erst ein Pizzaria-Besuch des Moderatoren-Duos Max Schautzer und Hans Rosenthal nach einem Auftritt für die Radiosendung „Spaß muss sein“ in der Ischelandhalle: Begleitet von Stadtdirektor Klaus Müller und Oberbürgermeister Rudolf Loskand ließen sich die Promis anschließend in Altenhagen kulinarisch verwöhnen. „Das Pressefoto am nächsten Morgen wurde für uns zum Entree in die Hagener Gesellschaft“, ist Bucco bis heute überzeugt. Das Restaurant mit seinen 45 Plätzen wurde über Nacht zur Kult-Adresse. Der Duft von frischen Kräutern, Olivenöl und ausgesuchten Weinen brachte Menschen zusammen, die neben dem schnöden Sattwerden ein kommunikatives Erlebnis gepaart mit Lebenslust suchten. „Unsere Arbeitstage reichten bis spät in die Nacht, knapp 1000 Pizzen an einem Wochenende waren keine Seltenheit. Und wer mich beim Flippern schlug, bekam eine Pizza gratis“, offerierte der Automatenspiel-Virtuose seinerzeit eine Wette mit äußerst überschaubarem Risiko fürs eigene Portemonnaie.

Mit Liebe zu Musik und Veranstaltungsmanagement

Die Musik- und Eventbranche war über all die Jahre immer die zweite Passion von Nicola Bucco. Seine etablierte Agentur ITA-Management möchte der Italiener auch in den nächsten Jahren weiter betreiben.

In dieser Rolle begleitete er auch immer die Karriere seines Bruders Mauro, der als „Angelo Fabiani“ mehrere Italo-Hits landete und sowohl im deutschen als auch italienischen Fernsehen auftrat.

In Hagen machte sich „Der singende Pizzabäcker“ bis zu seinem Tod im vergangenen Jahr als Chef der „Pizzeria Centrale“ im Herzen der Hagener Innenstadt über Jahrzehnte einen Namen.

Die bauliche Idee der City-Pavillons, die seit Jahrzehnten die Optik der Hagener Fußgängerzone prägen, ist übrigens auch im Bucco-Restaurant an der Altenhagener Straße geboren worden: „Das Konzept haben wir damals zusammen mit Oberstadtdirektor Dr. Müller an Tisch 3 ausgeheckt“, erinnert sich Nicola Bucco­.

Ein Erfolgsboom der mutig und letztlich sogar übermütig machte: Von der feinen Hagener Gesellschaft gedrängt, verwandelte Bucco sein Ristorante zu einem wahren Gourmet-Tempel mit weißen Tischtüchern, überreichlich Personal und exklusiver Edel-Karte. Ein Konzept, das in den ersten Jahren tatsächlich zündete. Neben lokalen Politik-, Musik- und Wirtschaftsgrößen reservierten plötzlich auch Show-Größen wie Roy Black, Umberto Tozzi, Jürgen von der Lippe, Klaus Doldinger, Angelo Branduardi oder Thomas Gottschalk an der Altenhagener Straße ihre Tische.

Italienische Nächte bleiben legendär

Es folgten italienische Nächte in der SIHK, später in der Stadthalle für das eher betuchte Publikum sowie die legendären, fünftägigen Licht-, Musik und Gastrospektakel unter gigantischen Lichterbögen in der Hagener City. Bis zu einer halben Million Besucher ließen sich in den Jahren 1990, 1992 und 1994 in der Fußgängerzone vom Flair der Illuminationen verzaubern. „Der Verkehrsfunk warnte damals vor dem Parkchaos in Hagen“, möchte Bucco heute kein Wort mehr darüber verlieren, warum die Stadt das Projekt damals urplötzlich einschlafen ließ, während es bis heute in Unna als echter Publikumsmagnet zündet. Nur so viel: „Ich habe schon ein Déjà-vu, wenn ich miterleben muss, dass mein Sohn Salvatore nach dem erfolgreiche Restart der „Hasper Lichter“ im Jahr 2019 mit etwa 70.000 Besuchern jetzt erneut keine klare Rückendeckung für eine Neuauflage aus dem Rathaus erhält.“

Mit den Hasper Lichtern erweckten die Buccos 2019 die Welt der Italienischen Nächte in Hagen neu. Ob es eine Fortsetzung geben wird, steht zurzeit in den Sternen.
Mit den Hasper Lichtern erweckten die Buccos 2019 die Welt der Italienischen Nächte in Hagen neu. Ob es eine Fortsetzung geben wird, steht zurzeit in den Sternen. © WP | Michael Kleinrensing

Ebenso kam es Mitte der 90er-Jahre im „Ristorante da Salvatore“ in Altenhagen zum Bruch. Angesichts der wirtschaftlichen Umwälzungen in den Nach-Wendejahren und dem ökonomischen Abschwung in Hagen kehrte das zahlungskräftige Publikum Nicola Bucco den Rücken. Zugleich hatte das Team mit seinem durchaus elitären Konzept längst die Erdung und somit den Kontakt zum breiten Pizza- und Pasta-Publikum verloren.

Neustart nach schwierigen Jahren

Obendrein ereilte den Gastronomen eine lebensbedrohliche Infektionserkrankung seiner Leber (Hepatitis C). Mit dem Tod vor Augen und mangels alternativer Transplantationsorgane spendete ihm in höchster Not Sohn Salvatore 2003 einen Teil seiner Leber und bewahrte somit seinen Padre vor dem sicheren Ende. Ein geschenktes zweites Leben, das Bucco noch auf der Station mit einer Tomaten-Spaghetti-Party für das OP-Team am Uni-Klinikum Essen feierte.

Zehn gesundheitlich, aber auch wirtschaftlich schwierige Jahre für die gesamte Familie, die erst 2005 mit der Ristorante-Neueröffnung an der Freiligrathstraße, keine zwei Kilometer entfernt vom Altenhagener Stammhaus, in eine erfolgreiche gastronomische Renaissance mündete. Das wieder bodenständige Lokal brachte die Herzlichkeit gepaart mit frisch zubereiteten Küchenkreationen abseits der deutschen Hausmannskost zurück in die Köpfe der Hagener. Auf Internet-Portalen als eine der ersten Schlemmer-Adressen der Stadt gefeiert, legte Bucco wieder den Fokus darauf, mit Lilianas Verführungen aus Ofen und Pfannen nah bei den Menschen und den Geldbeuteln der Hagener zu bleiben. Eine Strategie, die zündete. „Natürlich habe ich auch Fehler gemacht, aber zugleich immer versucht, diese mir auch einzugestehen und aus diesen zu lernen“, blickt der 72-Jährige heute gelassen auf schwierige Phasen zurück. Mit entsprechendem Augenmaß traf die Familie 2016 letztlich auch die Entscheidung, mit ihrer kulinarischen Tradition nach Haspe umzusiedeln und in der „Alten Reichsbank“ mit herzlicher Gastlichkeit und verführerischen Liebeserklärungen an die Sinne des Gaumens zu überzeugen.

Ein langer gastronomischer Weg, der für Nicola und Liliana Bucco 2022 jetzt sein Ende findet: „Am 14. Februar 1972 haben mein Vater Salvatore und meine Mutter Maria die Vormann-Gaststätte in Altenhagen übernommen. 50 Jahre später wollen wir uns ab dem 14. Februar 2022 mit einem exklusiven Traditionsmenü mit Riesengarnelen, Steinbutt, Rinderfilet sowie Schokoladen-Tiramisu mit frischen Waldfrüchten bedanken.“ Schon heute ziehen sich diese Festtage mit erlesenen Weinen im Reservierungsbuch über vier Wochen hin. Alles Gäste und treue Begleiter, die den Buccos das Jubiläum versüßen, aber auch den finalen Gastro-Abschied im Laufe dieses Jahres richtig schwer machen werden. Ciao, ciao!