Hagen. Die Corona-Pandemie hat das Reisen zeitweise zum Erliegen gebracht. Der Hagener Veranstalter Wikinger reagiert mit einer neuen Strategie.
Daniel Kraus (56) ist geschäftsführender Gesellschafter des Hagener Veranstalters Wikinger Reisen, der in der Corona-Pandemie ein beispielloses Auf und Ab zu verzeichnen hat. Im Interview mit unserer Zeitung spricht er freimütig über die Krise und ihre Auswirkungen auf sein Unternehmen.
Sie haben schon zu Beginn der Krise im März 2020 rund 70 Mitarbeiter entlassen. Wie stellt sich die Situation aktuell dar?
Ich habe gerade 35.000 Dollar an unsere Partner in Uganda überwiesen. Unsere Reise dorthin ist ausgebucht, die Gruppe startet am 26. Dezember. Die Gäste wollen wandern und die Gorillas beobachten. Uganda ist einfach das ursprüngliche Afrika.
Sie sind meiner Frage ausgewichen. . .
Für die Entlassung so vieler Mitarbeiter haben wir damals viel Kritik einstecken müssen. Dabei gab es keine Alternative. Am 17. März 2020 wurde das weltweite Reiseverbot erlassen, das war mein Geburtstag, ein Alptraum. Nie im Leben hätte ich mit so etwas gerechnet, Wikinger Reisen ist schier überrollt worden von der Pandemie. Dann kam der Winter, zwischen November 2020 und Ende April 2021 hatten wir kaum Gäste. Der Personalabbau war das Opfer, das wir bringen mussten bzw. das die Betroffenen gebracht haben, um den verbleibenden 75 Kollegen den Erhalt des Arbeitsplatzes zu ermöglichen.
Apropos Uganda: Aus Afrika stammt die Omikron-Variante. . .
Weshalb wir alle Reisen ins südliche Afrika storniert haben. Acht Staaten sind Virusvariantengebiet und damit für uns Tabu. Es hatte sich, was Namibia, Südafrika oder Zimbabwe angeht, eine zarte Pflanze gebildet, aber die ist jetzt platt.
Haben Ihre Kunden denn wieder Lust aufs Reisen?
Im Vor-Corona-Jahr 2019 hatten wir 68.000 Gäste und haben rund 120 Millionen Euro umgesetzt, in diesem Jahr sind es immerhin schon wieder über 22.000 Buchungen und rund 28 Millionen Umsatz. Wir verkaufen nur noch wenige Fernreisen, bei denen unsere Gewinnmarge zugegebenermaßen am größten ist. Nach Asien will zurzeit niemand reisen, nach Australien oder Neuseeland darf niemand reisen. Dafür sind die südeuropäischen Länder in diesem Jahr ungemein stark nachgefragt worden.
Was Corona angeht, scheinen diese Ziele ja auch die bessere Wahl zu sein als Reisen innerhalb Deutschlands.
Unsere Silvesterreisen in deutsche Zielgebiete sind zwar allesamt ausgebucht, wir wissen aber nicht, ob wir sie auch werden durchführen können. Wenn unsere Gäste sich im Zielort, obwohl sie geimpft bzw. genesen sind, täglich testen lassen müssen, dann ist das eigentlich der Todesstoß für eine Reise, denn das lassen die Leute nicht mit sich machen. Und wir könnten es auch nicht überprüfen.
Sie kommen ja selbst viel in der Welt herum. Warum sind die Deutschen solche Impfmuffel?
Das kann ich Ihnen sagen. Die Todesrate war zu Beginn der Pandemie in anderen Ländern viel höher, ich sage nur Bergamo. Und gerade in Südeuropa sind die Gesellschaften viel familiärer aufgestellt, die Menschen leben enger zusammen. Da bekommt jeder mit, wenn ein Angehöriger an Corona erkrankt oder stirbt und welches Leid das bedeutet. Da kommt erst gar keine Impfdiskussion auf, da ist es selbstverständlich sich impfen zu lassen. In Deutschland dagegen gibt es so viele Ein-Personen-Haushalte wie in keinem anderen Land Europas.
Und das befördert die Impfskepsis?
Zumindest bedeutet individuelle Freiheit, die wir ja durchaus zu schätzen wissen, für viele offenbar, genau das nicht zu tun, was die Regierung will. Diese Einstellung hat nichts mit Bildung zu tun, das geht quer durch alle Schichten. Ich muss mich im Ausland häufig rechtfertigen für die Impfsituation in Deutschland, ich bin auch nicht mehr so stolz auf unser Land.
Wie halten Sie es denn selbst mit dem Impfen?
Ich bin geimpft und die Mitarbeiter von Wikinger Reisen sind es auch. Ich würde auch niemanden einstellen, der mir im Vorstellungsgespräch sagt, er lasse sich nicht gegen Corona impfen. Wir haben unseren Weihnachtsumtrunk mit Glühwein abgesagt, nicht zuletzt auf Wunsch der Mitarbeiter, denn die Verunsicherung ist groß, ja ich stelle auch fest, dass es Angst gibt. Eine Impfpflicht in Deutschland würde ich auf jeden Fall befürworten. Ich persönlich lasse mich aber nicht einschränken.
Wie meinen Sie das?
Wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Deshalb bin ich seit Ausbruch der Pandemie gereist, wann immer das möglich war. Ich schütze mich so gut es geht, trage eine Maske und lasse Vorsicht walten. Aber die Gefahr, dass ich mich in der freien Luft infiziere, ist gleich Null. Und da ich nicht im Chor singe, keine Clubs besuche und kein Partylöwe bin, bin ich auf einer ziemlich sicheren Seite.
Aber wird auch Wikinger Reisen dauerhaft mit dem Virus leben können?
Wir rechnen sogar mit jährlichen Pandemien und werden uns darauf einstellen. Wir müssen uns verschlanken, jeder Mitarbeiter muss sich breiter aufstellen, flexibler sein. Wir digitalisieren wo es nur geht, Reiseunterlagen werden beispielsweise nicht mehr per Post verschickt. Und wenn eine Reise abgesagt werden muss, dann werden alle Teilnehmer mit einem Knopfdruck informiert, während das früher manuelle Kleinarbeit bedeutete.
Wird das Unternehmen seine einstige Umsatzstärke zurückgewinnen?
Dass es wieder so wird wie 2019? Frühestens 2025, vielleicht auch später. Immerhin haben wir in diesem Jahr einige neue Mitarbeiter einstellen können und bieten 2022 weltweit 80 Zielländer an. Die Unternehmensentwicklung bleibt aber von Corona abhängig. Wenn wir in Deutschland die Inzidenz nicht in den Griff bekommen, dann kommen wir in anderen Ländern auf die Giftliste. Dann können wir das Reisen vergessen.