Hagen. Die Starkregenfluten des Sommers sorgen für eine neue Hochwasser-Sensibilität in Hagen. Es gibt genug bauliche Ideen, die Situation zu verbessern.

Nachdem die dringlichsten Akutmaßnahmen aufgrund der Starkregenkatastrophe im Juli abgearbeitet sind, hat der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) eine erste Bilanz vorgelegt, welche Schlussfolgerungen baulich in den nächsten Jahren in der Stadt gezogen werden müssten. Darin wird zum einen deutlich, dass es durchaus noch Stellschrauben gibt, um sich für den nächsten Superregen zu rüsten. Zum anderen ist aber auch klar, dass diese Maßnahmen Millionen verschlingen dürften: „Das sind größere Investitionen, die wir sicherlich über mehrere Jahre strecken müssen“, bestätigt Michael Greive, stellvertretender WBH-Vorstand. Gleichzeitig macht er deutlich: „Für solche Niederschlagsmengen und Hochwasserlagen wie im Juli können wir die Stadt nicht umbauen.“

Weil der Wehringhauser Bach nicht mehr in den verrohrten Abschnitt einströmen konnte, verwandelte sich die Bachstraße im Juli in ein offenes Fließgewässer, das reichlich Geröll mitschwemmte.
Weil der Wehringhauser Bach nicht mehr in den verrohrten Abschnitt einströmen konnte, verwandelte sich die Bachstraße im Juli in ein offenes Fließgewässer, das reichlich Geröll mitschwemmte. © WP | Michael Koch

Bei ihrer Bilanz haben die Stadtentwässerungsexperten zunächst auf ihre eigenen Hochwasserschutzmaßnahmen für das Kanalnetz entlang der Volme geblickt. Diese stießen letztlich an ihre Wirkungsgrenzen, weil sie lediglich auf alle hundert Jahre sich wiederholende Fluten ausgelegt sind – die Regenmengen waren in diesem Juli allerdings deutlich höher. „Eine Bemessung der Hochwasserschutzmaßnahmen für seltenere Ereignisse ist nur mit extrem hohem technischem und finanziellem Aufwand möglich“, macht der Bericht deutlich. Letztlich ist das geordnete Abführen des Oberflächenwassers über das Kanalnetz im Juli auch daran gescheitert, dass kein Wasser mehr in die vier völlig überlasteten Stadtflüsse eingeleitet werden konnte und es zu Rückstausituationen kam.

Elektronische Anlagen beschädigt

Wobei die baulichen Schäden nach den Fluttagen – trotz erheblicher Mengen an Schlamm und Geröll im System – im städtischen Kanalnetz noch relativ überschaubar ausfielen. Dafür haben die elektronischen Anlagen in der Unterwelt gelitten: Schaltschränke, Sonden und Motoren. Hier sollen für die Zukunft der Schutz verbessert und die Standorte der Schaltkästen intelligenter gewählt werden. Außerdem kann das Eindringen von Geröll noch besser verhindert werden, indem die Kanalschächte flächendeckend mit Schmutzfängern und Eimern ausgerüstet werden.

In der oberen Bachstraße waren nicht bloß die Wohnhäuser durch das über die Ufer getretene Gewässer von der Außenwelt abgeschnitten, sondern es kam auch zu erheblichen Schäden an Fahrzeugen und der weiteren Infrastruktur.
In der oberen Bachstraße waren nicht bloß die Wohnhäuser durch das über die Ufer getretene Gewässer von der Außenwelt abgeschnitten, sondern es kam auch zu erheblichen Schäden an Fahrzeugen und der weiteren Infrastruktur. © WP | Jost Lübben

An den Tagen, als der Regen kam

Es war am Dienstag, 13. Juli, gegen 20 Uhr, als der Regen einsetzte, und bis Donnerstagmorgen hörte es quasi gar nicht mehr auf zu schütten. Die Wetteraufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes lassen keinen Zweifel, dass die Stadt Hagen von dem Tiefdruckgebiet „Bernd“ mit Wucht getroffen wurde.

Die Niederschlagsmessstation des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in Hagen-Holthausen verzeichnete 241 l/m² in 22 Stunden. Das durchschnittliche Mittel für Niederschläge im Monat Juli liegt in Deutschland bei 77 l/m² im gesamten Monat, also bei etwa einem Drittel. Ein Ereignis, wie es nicht einmal alle 100 Jahre vorkommt.

Der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) ermittelte an den drei neuralgischen Tagen ähnliche Zahlen: Während an den Stationen in Haspe, Westhofen und Bathey zwar hohe, aber noch längst keine katastrophalen Werte gemessen wurden, lagen die Niederschlagsergebnisse an den neun weiteren Standorten deutlich jenseits der hundertjährigen Ereignisprognosen. Absolute Spitze: Dahl mit 282,2 l/m² und Delstern mit 198,9 l/m².

Weil die nach dem nassen Sommer ohnehin gesättigten Böden den Dauerregen nicht mehr halten konnten, stiegen die Bachläufe in den Bereichen Nahmer- und Nimmertal, Wesselbach, Delstern, Dahl, Priorei, Rummenohl, Selbecke und Wehringhausen rasant an und führten auch extreme Mengen an Geröll mit sich. Da dieses Material sich vor den Bachdurchlässen und Einläufen in die Bachverrohrungen ablagerte, strömten Wasser und Geröll letztlich über die Straßen.

Einen weiteren Fokus möchte der WBH künftig auf verbesserte Informationsgrundlagen für Hausbesitzer, aber auch Bauherren und Projektentwickler legen. Eine zentrale Rolle könnten dabei zwei zertifizierte Berater zum Themenkomplex Starkregen und Überflutungsschutz unter dem WBH-Dach spielen, die bereits heute kostenlos allen Grundeigentümern zur Seite stehen. Parallel arbeitet der WBH an einer Starkregengefahren- sowie einer Risikokarte, die die bereits existierende Fließwegekarte ergänzen. Sie soll die notwendigen Grundlagen liefern, um künftig WBH, Stadt, Feuerwehr, Enervie, der Politik oder auch Investoren wertvolle Hinweise zum künftigen Schutz der Infrastruktur zu geben.

Widerstandsfähige Infrastruktur

Abseits des Kanalnetzes arbeitet der WBH mit den Stadtplanern sowie den Umweltbehörden parallel schon seit Jahren an dem Thema „Klimaresiliente Stadt“, was neben der Regenflutproblematik (Schwammstadt) auch weitere Maßnahmen umfasst, um die Infrastruktur widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen auszurichten. Um hier mehr Schlagkraft zu gewinnen und komplexe rechtliche und finanzielle Fragen effizienter angehen zu können, schlägt das kommunale Tochterunternehmen vor, hier ein interdisziplinäres Aktionsteam „Klimaresiliente Stadt“ zu etablieren. Dieses soll die Widerstandsfähigkeit der Stadt bei Flutereignissen verbessern.

Wobei der WBH bereits heute einige Projekte auf dem Zettel hat, die mit Blick auf den Hochwasserschutz mit Priorität angegangen werden sollen:

Offenlegung des verrohrten Gewekebachs im Rahmen der geplanten Nachnutzung des Eisenwerksgeländes;

Schaffung von Retentionsflächen (Überflutungsareale) entlang des oberen Wesselbachs;

Schaffung von Retentionsflächen am Oberlauf des Holthauser Bachs;

Offenlegung des Hasper Bachs am Markanaplatz;

Optimierung von Bacheinläufen, beispielsweise am Wehringhauser Bach;

Schaffung von multifunktionalen Flächen, z. B. in Wehringhausen und in der Innenstadt;

Förderung von Gründächern;

Entsiegelung von befestigten Flächen.