Hagen. Es kann gelingen: Die größte Herausforderung für die in Hagen angekommenen Flüchtlinge ist es, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Nawras Ghazal (35) und Belal Alsharif (29) stammen aus Syrien. Beide Männer sind Beispiele für das, was sich im Jahr 2015 zwischen dem arabischen Staat und Deutschland abspielte. Sie flohen. Per Boot, zu Fuß, durch gefährliche Regionen, über die Balkan-Route, Mazedonien, Serbien bis nach Deutschland. Ghazal stammt aus Homs, Alsharif aus Hama.

In Syrien, in seinem ersten Leben, hatte Alsharif als Physiotherapeut gearbeitet. Ghazal arbeitete als Elektriker in der syrischen Industrie. Beide sagen im persönlichen Gespräch und sechs Jahre nach ihrer Ankunft: „Alles ist gut so wie es ist.“

Familie nachgeholt

Das ist eine bemerkenswerte Aussage, wenn man beispielsweise in Ghazals Falls bedenkt, dass er ein Leben mit seiner Frau und seinen drei Kindern zurückließ und in ein Land mit gänzlich anderer Kultur flüchtete. Ohne Sprachkenntnisse, ohne eine Ahnung, wie es weitergehen kann. Erst nach einem Jahr kam seine Familie nach, seine Kinder (der jüngste Sohn ist sechs Jahre alt) kennen Syrien nicht und oft ergreift ihn zwischendurch das Heimweh. Er lebt in der Hagener Innenstadt. Über das soziale Küchenstudio und „Hagen ist bunt“ schaffte er es, in Hagen Fuß zu fassen, nachdem er 2015 hier aufschlug. Erst in einem Heim in Haspe, dann ganz langsam mit eigenen Schritten und einer Wohnung. Vor allem stieß er auf jemanden, der ihm eine Chance gab. Auf den Elektromeister Reinhard Rietz aus Haspe.

„Ich habe Nawras Ghazal im sozialen Küchenstudio kennengelernt. Seine freundliche Art und sein durch berufliche Tätigkeit in Syrien vorhandenes elektrotechnisches Fachwissen, sowie in einem Praktikum erkanntes Potenzial bewogen mich, ihm einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen“, erklärt der Elektriker-Meister. „Nach dreieinhalb Jahren Ausbildungszeit, begleitet durch weitere sprachliche Förderung, politische Bildung und den Erwerb des Führerschein hat er im vergangenen Januar seine Ausbildung mit einem ordentlichen Ergebnis abgeschlossen und arbeitet seitdem als Elektroniker in unbefristetem Arbeitsverhältnis in meinem Betrieb. Er wird von seinen Kollegen geschätzt und handelt auf Baustellen eigenverantwortlich und kompetent. Bei einigen Geburtstagen und ähnlichen Anlässen, wurden wir von ihm mit Back- und Süßwaren seiner Heimat verwöhnt.“

Der Wunsch, selbstständig zu sein

Eine ähnliche Geschichte gibt es über Belal Alsharif zu erzählen, der sich hier mit 700 praktischen Stunden seine Anerkennung als Physiotherapeut erarbeitete und jetzt deutscher Staatsbürger werden will. „Ich will hier selbstständig arbeiten“, sagt der Mann, der sich vor sechs Jahren zunächst in einem Hasper Flüchtlingsheim wiederfand. In einer Zwei-Zimmer-Wohnung mit zwei Syrern und einigen Afrikanern. „Hier ist alles besser als in meiner Heimat. Das Gesundheitssystem, die Freiheit. Vor allem die Freiheit, das ist das Wichtigste“.