Hagen. Er galt lange als ewiger Stellvertreter, doch jetzt hat Dr. Hermann Kruse die Leitung des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Hagen übernommen.

Er wurde schon als ewiger Stellvertreter betrachtet. Weil er das zehn Jahre lang war: Stellvertreter. Und weil er in dieser Zeit nie damit kokettiert hatte, doch lieber der Vorgesetzte des Stellvertreters zu sein. Jetzt ist er es: Dr. Hermann Kruse (55), neuer Schulleiter des Theodor-Heuss-Gymnasiums.

Vielleicht wäre er tatsächlich bis zu seiner Pensionierung Stellvertreter geblieben, wenn Sven Meyhoefer die Schulleitung im Frühjahr 2020 nicht überraschend aufgegeben und zur Schulaufsicht bei der Bezirksregierung in Arnsberg gewechselt wäre. Doch diesmal stieg Kruse ins Bewerberverfahren ein: „Ich hatte immer viel Respekt vor diesem Amt. Aber jetzt fühle ich mich reif dafür.“

Keine sportlichen Ambitionen

Kruse sagt, sein Herz hänge am Theodor-Heuss-Gymnasium. Seit 2001 ist er an der Schule tätig, hat alle Höhen und Tiefen miterlebt – jene Krise, in der es nur noch 40 Anmeldungen gab, bis zur darauffolgenden Aufbruchsstimmung und dem millionenschweren Umbau des Schulgebäudes. Heute steht das THG in der Beliebtheitsskala der Hagener ganz oben, verzeichnete sage und schreibe 143 Anmeldungen, so dass am Ende gar 31 Kindern eine Absage erteilt werden musste.

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Ein Verdienst auch von Hermann Kruse, obwohl dessen Profil auf den ersten Blick gar nicht zum THG passt. Denn Kruse ist ein musischer Mensch, das THG dagegen steht im Ruf eines Sportgymnasiums. Schließlich ist es das einzige Gymnasium in Hagen, an dem Sport als Leistungsfach im Abitur gewählt werden kann. „Gegen diesen Ruf wehren wir uns ein bisschen“, sagt Kruse: „Schließlich nehmen wir auch Kinder auf, die im Sport gar keine Ambitionen haben.“

Austauschschule in England oder Frankreich finden

Kruse hat Visionen. Er will die Digitalisierung seiner Schule weiter vorantreiben und die iPad-Nutzung auf die Mittelstufe ausdehnen: „Wenn wir Corona überhaupt etwas Gutes abgewinnen können, dann ist es der Fortschritt im digitalen Unterricht.“ Er will die zweite und dritte Fremdsprache am THG stärken und einen Schüleraustausch mit Frankreich oder England auf die Beine stellen. Er will die individuelle Förderung vorantreiben, dafür wurde gemeinsam mit dem Albrecht-Dürer-Gymnasium eine neue Koordinationsstelle geschaffen. Und er will eine Chorklasse ins Leben rufen: „Das ist mein Traum.“

Denn Kruse ist, wie gesagt, ein musischer Mensch. Nach Studium (Musik, Englisch, Latein) und Referendariat trat er nicht in den Schuldienst ein, sondern bewarb sich als Chordirektor der Philharmonie in Jena: „Zu meiner eigenen Überraschung wurde ich auch genommen.“ Zwei Jahre blieb er in Thüringen, ehe es den promovierten Musikwissenschaftler mit Macht ins Ruhrgebiet zurückzog und er nach einem Jahr an der Gesamtschule in Haspe eine Stelle am THG erhielt.

Leiter des Essener Universitätschores

Doch der Gesang ist Kruses Leidenschaft geblieben. Er leitet den Universitätschor Essen, mit dessen 150 Mitgliedern er sogar schon einen Auftritt in der berühmten Carnegie-Hall in New York hatte, sowie einen Konzertchor in Unna. Außerdem spielt er Orgel und komponiert – zuletzt eine kirchenmusikalisch inspirierte Toccata namens „Aus tiefster Not“. „Bis auf einen Rückenschulkursus habe ich mit Sport also gar nichts im Sinn“, sagt der Vater von zwei erwachsenen Töchtern verschmitzt: „Aber dass ich zu Hause herumsitze und Langeweile habe, kommt so gut wie nie vor.“

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Wie aber geht es weiter mit Corona? Kruse zuckt die Achseln: „Das weiß keiner. Ich glaube, viel wird davon abhängen, ob abermals eine neue Variante auftaucht.“ Das THG werde an einem Förderprogramm teilnehmen, das dazu beitragen soll, die bei so manchem Schüler entstandenen Defizite aufzuholen: „Auch die psychischen und sozialen Defizite. Davon ist, glaube ich, keine Schule frei. Es gibt Schüler, die sich aufgegeben haben. Die dürfen wir nicht verlieren.“

Und daran wird er arbeiten. Nicht länger als Stellvertreter. Als dessen Vorgesetzter.

Weitere Infos zum Artikel:

Hermann Kruse wohnt in Dortmund und baute 1985 sein Abitur am Ruhrgymnasium Witten. Anschließend leistete er Zivildienst in der Altenpflege.

Seine Doktorarbeit in Musikwissenschaften befasst sich mit den Chorwerken von Moritz Hauptmann (1792 bis 1868), einst Thomaskantor in Leipzig.

Das Schüleraustauschprogramm mit dem Private Windhoek Gymnasium aus Namibia soll am THG fortgesetzt werden.