Hagen. Hagens Kämmerer erwartet nach der Starkregenflut Schäden an der kommunalen Infrastruktur in dreistelliger Millionenhöhe.

Eine Woche ist es am heutigen Mittwoch her, dass eine Starkregenflut in Hagen nicht bloß zahlreiche Menschen obdachlos gemacht oder weite Teile ihres Besitzes zerstört hat, sondern auch an der kommunalen Infrastruktur gewaltige Schäden verursachte. Dennoch soll Kämmerer Christoph Gerbersmann bereits jetzt schon nach Düsseldorf einen groben Finanzrahmen melden, wie hoch er die anfallenden Reparaturkosten beziffert. „Ich gehe von einem deutlich dreistelligen Millionenbetrag aus“, hielt der Finanzdezernent im Gespräch mit der Stadtredaktion am Dienstag eine konkretere Zahl noch für unseriös. „Ob da am Ende eine 2, 3 oder 4 davor steht, ist noch unklar“, möchte er zunächst die vorliegenden Fakten vom Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH), der Gebäudewirtschaft und den IT-Experten zusammentragen.

Dabei hätten die Teams des WBH zwar inzwischen sämtliche Straßen und Brücken in Augenschein genommen, aber bislang noch keinen einzigen Kanal inspiziert: „Die größte Sorge macht mir das, was man nicht sieht“, geht Gerbersmann davon aus, dass es noch Monate dauere, bis man hier klarer sehe. „Noch ist gar nicht absehbar, ob man dies alles rausgefräst bekommt, ohne das Rohrsystem zu zerstören. Aktuell gehen wir davon aus, dass im Volmetal sowie in den Hohenlimburger Tälern die gesamte Kanalisation dicht ist.“ Aber auch Stützmauern, Fluss- und Bachbefestigungen sowie deren Verrohrungen, wo Unmengen an Geröll und Schutt durchgegangen sind, seien kritisch und die finanziellen Folgen kaum absehbar.

Infrastruktur an erster Stelle

Stromversorgung noch instabil

Bis im Rathaus I an der Rathausstraße wieder der volle Dienstbetrieb aufgenommen werden kann, wird es sicherlich noch ein paar Tage dauern. Nachdem die Trafoanlage im Kellergeschoss durch die Überflutungen völlig zerstört wurde, ist es bislang noch nicht gelungen, mit Hilfe einer provisorischen Anlage der Enervie eine stabile Versorgung aller Amtsstuben herzustellen.

Hauptproblem ist der sensible IT-Knotenpunkt, der auf eine verlässliche Stromversorgung angewiesen ist. Zwar scheinen die Einzelkomponenten der Sicherheitszelle funktionsfähig zu sein, doch ob das Miteinander der einzelnen Elemente auch funktioniert, muss erst noch überprüft werden.

Parallel ist auch das Backup-Rechenzentrum des Rathauses ein Opfer der folgenschweren Starkregenflut geworden. Allerdings sind die städtischen Daten alle gesichert.

Sicher ist nur, dass die Priorisierung der Investitionen im anstehenden Hagener Doppelhaushalt 2022/23 komplett neu gewichtet werden soll: „Hier müssen wir nach dieser unabsehbaren Katastrophe alles grundlegend überdenken“, erwartet der Finanzdezernent einen schwierigen Abwägungsprozess. „Im Bereich Kita und Schule darf es keine Abstriche geben, aber die Wiederherstellung der Infrastruktur ist in den nächsten Jahren das Investitionsthema Nummer eins. Wir werden sicherlich nicht mehr alle Wünsche erfüllen können.“ Gleichzeitig appellierte er an den Fördergeber Land, das enge Fristenkorsett zu überdenken: „Es kann nicht sein, dass wir in einer Schule oben hektisch die Energiesparfenster einbauen, damit gewährte Zuschüsse nicht verfallen, aber es im Keller keine funktionierende Heizung gibt.“

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Die aus Berlin zugesagte Soforthilfe sei, so der Kämmerer weiter, zunächst einmal für die betroffenen Bürger und Gewerbebetriebe gedacht. Wie großzügig das Wiederaufbauprogramm für die öffentliche Hand und die Infrastruktur ausgelegt werde, sei noch völlig offen – ebenso die Unterstützung aus der Landeshauptstadt. Nach den immensen Niederschlagsschäden in Sachsen im Jahr 2013 stellte die Bundesregierung etwa 6,5 Milliarden Euro bereit. „Ich hoffe, dass das jetzt auch wieder passiert“, kennt Gerbersmann bislang auch bloß politische Hilfsbekenntnisse aus den Medien.

Dazu zählt das Signal von NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst, dass es ihm auf einen schnellen Wiederaufbau der Infrastruktur ankomme. „Am Geld wird es nicht mangeln, aber die Umsetzungsgeschwindigkeit ist jetzt das relevante“, betonte zuletzt der CDU-Politiker. Gerbersmann möchte mit Blick auf die B 54 den Minister beim Wort nehmen, wenn dieser in Aussicht stellt, dass das Land auch in den Kommunen die Reparatur der Bundesstraßen tragen wolle.