Hagen. Am Tag nach den Regenfluten entspannt die Lage in Hagen sich bloß in kleinen Schritt. Hier der Überblick vom Donnerstagabend:

Das Wasser ist zurück in den Flüssen. Nachdem Fluten wie sie rein statistisch nur alle 120 Jahre vorkommen in der Nacht zum Donnerstag entlang der Uferbereiche weite Teile von Hagen einschließlich der Innenstadt überfluteten, entspannte sich die Lage im Laufe des Tages ganz allmählich.

Doch noch immer sind Teile von Hagen ohne Stromversorgung, aber Dank der Unterstützung der Bundeswehr zumindest für die Einsatzkräfte wieder erreichbar. Noch längst ist nicht abzuschätzen, ob nach den enormen Regenfällen mit bis zu 210 Litern/Quadratmeter die Schäden an der gesamten Infrastruktur im zwei- oder gar dreistelligen Millionenbereich liegen.

Land sichert Unterstützung zu

NRW-Ministerpräsident Arnim Laschet sicherte bei seinem Besuch am Donnerstag zu: „Wir werden die Städte nicht allein lassen.“ Diese Hilfe werde Hagen brauchen, kündigte Oberbürgermeister Erik O. Schulz an, dass er Düsseldorf an diese Zusage erinnern werde: „Unser Fokus liegt im Moment einzig und allein darauf, die Infrastruktur wieder herzustellen.“

Bürgertelefone stehen für Fragen bereit

Das Bürgertelefon der Stadt Hagen funktioniert wieder und ist wie gewohnt unter 207-5000 für dringende Anliegen erreichbar. Außerdem bietet die Feuerwehr Hagen eine Personenauskunftsstelle unter 9812400 an. Wenn Personen im Notfall in Krankenhäuser, Wohnheime oder Notunterkünfte verlegt werden mussten, kann dort rund um die Uhr Auskunft zum Aufenthaltsort der Personen gegeben werden. Die Polizei Hagen informiert unter 9862828 beispielsweise über Straßensperrungen.

Aufgrund von Überschwemmungen müssen alle städtischen Einrichtungen bis mindestens Sonntag, 18. Juli, geschlossen bleiben. Die Termine im Zentralen Bürgeramt, die für Donnerstag oder Freitag gebucht waren, können heute, Freitag, zwischen 8 und 18 Uhr in den Bürgerämtern Boele, Hohenlimburg und Haspe bearbeitet werden. Die Ausgabe der fertig abzuholenden Ausweispapiere, die im Zentralen Bürgeramt beantragt wurden, erfolgt ausschließlich in der Info des Straßenverkehrsamtes in Hohenlimburg. Die Zulassungsstelle, Fahrerlaubnisbehörde und Ausländerbehörde sind ebenfalls ab Freitag wieder erreichbar.

Die Kindertagesstätten und OGS-Betreuungen sind auch am heutigen Freitag geschlossen. Die Wochenmärkte im Stadtgebiet wurden ebenfalls abgesagt. Die Agentur für Arbeit Hagen und das Jobcenter Hagen sind bis auf Weiteres nicht in gewohnter Weise dienstbereit. Persönliche Termine können derzeit nicht stattfinden. Anliegen können telefonisch geklärt werden – soweit die Telefonie nicht lokal gestört oder ausgefallen ist.

Doch trotz der dramatischen Entwicklung in der Nacht gab es auch anrührende Erfolgserlebnisse, die den unermüdlichen 600 Einsatzkräften Kraft spendeten. So gelang es, aus dem völlig isolierten und vom Strom abgeschnittenen Dahl ein Kind zu retten, das auf sein Beatmungsgerät angewiesen ist. Angesichts des bis zu 80 Zentimeter hoch strömenden Volmewassers auf der B 54 waren selbst Feuerwehr-Unimogs abgetrieben und bei dem Versuch gescheitert, den jungen Patienten in Lebensgefahr in ein Krankenhaus zu bringen. Ein Rettungshubschrauber war in der Dunkelheit nicht mehr einsetzbar.

Letztlich gelang es den Bundeswehrkräften aus Minden mit einem Bergepanzer, sich durch Wasser- und Schuttmassen zu kämpfen, das Kind zu holen und in die rettende ärztliche Obhut zu bringen.

Dialyse-Patienten ins Krankenhaus

Zugleich sorgten die Landser dafür, dass im von der Außenwelt abgeschnittenen Dahler Altenwohnheim am Bollwerk in der Nacht noch ein Schichtwechsel der Pflegekräfte gelang. Rettungsdienste kümmerten sich derweil darum, Dialyse-Patienten aus den abgeschnittenen Quartieren für die regelmäßige medizinische Versorgung in Krankenhäuser zu bringen.

Ein Pkw steckt in den Fluten in der Bahnunterführung der Schwerter Straße. Die Einsatzkräften haben längst noch nicht wieder alle Verkehrswege freigeräumt und leergepumpt.
Ein Pkw steckt in den Fluten in der Bahnunterführung der Schwerter Straße. Die Einsatzkräften haben längst noch nicht wieder alle Verkehrswege freigeräumt und leergepumpt. © WP | Michael Kleinrensing

Angesichts der Wetterprognosen ging der amtierende Leiter des städtischen Krisenstabes, Dezernent Henning Keune, von einer sich weiter entspannenden Lage aus. Dennoch waren gestern noch viele Hauptverkehrsstrecken für den Individualverkehr blockiert wie beispielsweise der Vorhaller Kreisel, der Innenstadtring rund um die Marktbrücke sowie Teile des Volmetals und Höhenzüge in Hohenlimburg. Selbst die Bahnhofshinterfahrung blieb über Stunden gesperrt, weil aus einem auf der Volme herbeigetriebenen Behälter Gas austrat.

Zudem ist eine beschädigte Ennepe-Brücke in Haspe (Vogelsang/Baukloh) gesperrt. Hier muss erst ein Prüfstatiker begutachten, ob sie wieder für den Verkehr freigegeben werden kann. Dies wird bei der Altenhagener Brücke (Kreuzung Galen-Ring/Altenhagener Straße/Straße am Hauptbahnhof) nach der Beseitigung des Schutts am Freitag wieder möglich sein. In welchem Zustand die Baustelle der Marktbrücke ist, lässt sich zurzeit noch nicht beurteilen: „Hier ist noch keine abschließende Schadensanalyse möglich“, so Keune, „sie hat jedoch viel Treibgut aufgehalten und dadurch die weiteren Brücken gerettet, die sonst von sperrigen Gegenständen zerstört worden wären.“

Strom bis Wochenende abgeschaltet

Geblieben sind auch Probleme bei der Stromversorgung, was nicht bloß Ampelanlagen beeinträchtigte, sondern auch viele Privathaushalte betraf. Von den etwa 1400 Netzstationen im Stadtgebiet sind weiterhin 80 stillgelegt. „Sie bleiben aus Sicherheitsgründen abgeschaltet, um keine weiteren Gefahren zu provozieren“, blickte Keune vor allem auf vollgelaufene Keller. Voraussichtlich werde es auch über das Wochenende nicht gelingen, an dieser Lage etwas zu ändern.

Nachdem das Klärwerk in Vorhalle mit Sandsäcken vor einer Überflutung gesichert werden konnte, ist inzwischen auch das Wasserwerk in Hengstey leergepumpt worden Dort waren Schadstoffe eingespült worden – aufgrund treibenden Heizöls und anderer Chemikalien hatten die Behörden Ruhralarm ausgelöst. Zurzeit wird die Wasserversorgung in Hagen durch die übervolle Hasper Talsperre und Grundwassertiefbrunnen gesichert. Zur Sicherstellung der Qualität wird das Trinkwasser zurzeit gechlort, was Nutzer auch riechen könnten. Das sei eine rein präventive Maßnahme, versichert die Stadt.