Hagen. Die Sparkasse Hagen/Herdecke kann im Corona-Jahr einen Überschuss von 4,7 Mio Euro erwirtschaften. Ein Gespräch mit Vorstandschef Frank Walter.

Die Sparkasse Hagen/Herdecke hat zuletzt mit der Schließung weiterer Beratungscenter sowie diverser Automaten-Standorten für Schlagzeilen gesorgt. Die Stadtredaktion Hagen hat angesichts dieser einschneidenden strategischen Entscheidungen sowie vor dem Hintergrund des ungewöhnlichen Corona-Jahres ein Interview mit dem Vorstandssprecher Frank Walter geführt.

Die Sparkasse Hagen/Herdecke hat mit den jüngst bekannt gewordenen Schließungsplänen für gleich sieben Beratungscenter aufhorchen lassen. Ist der Druck durch Regulatorik und Niedrigzinspolitik tatsächlich so gewaltig? An welchen Beispielen spiegelt sich das konkret wider?

Lassen Sie mich vorab festhalten, dass die Sparkasse Hagen/Herdecke nach wie vor flächendeckend in den Städten Hagen und Herdecke vertreten ist. Wir unterhalten das dichteste Geschäftsstellen- und SB-Stellen-Netz aller Banken am Standort. Die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik und der Regulierung des Bankenmarktes sind erheblich. Besonders anschaulich wird dies am Beispiel der Strafzinsen, die von den Instituten für bei der Bundesbank täglich verfügbare Gelder bezahlt werden müssen. Im Jahr 2020 hat die Sparkasse Hagen/Herdecke allein in dieser Position einen deutlich sechsstelligen Betrag aufwenden müssen. Die Anpassungen im Filialnetz muss man hiervon allerdings trennen. Das Kundenverhalten hat sich in den letzten vier Jahren stark hin zu den elektronisch verfügbaren Service-Angeboten entwickelt. Hier sind wir technologisch führend und investieren weiter, übrigens auch in zusätzliche Mitarbeiter in diesen Bereichen. So werden ab Juli fast 30 Kolleginnen und Kollegen im Kundendialogcenter die Anrufe und Serviceanliegen der Kundinnen und Kunden entgegennehmen. Unser Angebot richtet sich sowohl an unsere privaten als auch gewerblichen Kunden.

Ein Kind der Sparkasse Hagen

Frank Walter, Vorstandsvorsitzer der Hagener Sparkasse ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter.Der heute 58-Jährige legte seine Abiturprüfungen am Gymnasium Hohenlimburg ab und beendete sein Studium als Diplom-Ökonom an Fernuniversität.1984 begann der Banker seine Ausbildung bei der Sparkasse Hagen, übernahm dort bis März 2004 Führungspositionen in verschiedenen Abteilungen, bevor er ab April 2004 stellvertretendes Vorstandsmitglied wurde.Zum 1. Dezember 2012 wurde er zum Vorstandsmitglied berufen und übernahm letztlich im April 2010 von Klaus Hacker die Rolle des Vorstandsvorsitzenden.

Welche Auswirkungen hat der Präsenz-Rückzug aus der Fläche auf die Personalentwicklung? Zuletzt zählte die Sparkasse 376 Mitarbeiter – wo stehen Sie heute und wo geht es perspektivisch hin?

Zunächst einmal möchte ich betonen, dass durch die jetzt beschlossenen Umwandlungen der besagten Geschäftsstellen kein Mitarbeiter bei der Sparkasse Hagen/Herdecke seinen Arbeitsplatz verliert. Betriebsbedingte Kündigungen sind für uns nach wie vor kein Thema. Bei der Zahl 376 handelt es sich nicht um die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern um die umgerechneten Vollzeitäquivalente. Tatsächlich sind zum 31. Dezember 2020 bei der Sparkasse Hagen/Herdecke insgesamt 509 Mitarbeitende beschäftigt. Beim altersbedingten Ausscheiden von Kolleginnen und Kollegen prüfen wir stets, ob die Stelle neu besetzt werden muss.

Wie hat Corona das Kundenverhalten verändert? Sind die Online-Kontakte tatsächlich so rasant gewachsen?

Die Pandemie hat einen bereits seit vielen Jahren anhaltenden Trend noch einmal deutlich verstärkt. Der Anteil der Kunden, die unsere Online-Services nutzen, stieg in den vergangenen zwei Jahren deutlich an und liegt inzwischen bei über 60 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg die Nutzung der Sparkassen-Banking-App um 20 Prozent und das Anrufvolumen in unserem Kunden-Dialog-Center sogar um beachtliche 40 Prozent.

Inwieweit sind eigentlich Ihre Kundenberater für die neuen Zeiten geschult?

Selbstverständlich kennen alle Kundenberaterinnen und –berater die medialen Produkte der Sparkasse und können sie erklären. Für komplexere Fälle haben wir unseren neuen Treffpunkt im Sparkassen-Karree - das S Digital - eingerichtet. Hier werden die Kundinnen und Kunden umfassend beraten und wir helfen Ihnen bei der Installation der Onlinebanking-Produkte und auch gerne bei technischen Fragen oder Problemen. Darüber hinaus haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sparkasse Hagen/Herdecke im letzten Jahr einen digitalen Lehrgang durchlaufen, in dem nicht nur die Onlinebanking-Anwendungen, sondern auch weitere digitale Themen wie Social Media usw. vorgestellt wurden. Mit einem Augenzwinkern kann ich bestätigen, dass alle – auch der Vorstand – den Lehrgang bestanden haben. Stillstand ist Rückschritt und so haben wir aktuell einen neuen Baustein im Einsatz, mit dem jeder Mitarbeiter seine eigene digitale Fitness beurteilen kann. Wir arbeiten laufend daran, sowohl unsere Kundenprozesse als auch die internen Abläufe weiter zu digitalisieren. Sowohl die neue Technik als auch die neuen Anwendungen werden durch Schulungsmaßnahmen begleitet, so dass wir sicher sind, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut vorzubereiten und auf dem Weg der Digitalisierung mitzunehmen.

Müssen Sie in den verbleibenden Beratungscentern nicht umgekehrt das Personal dafür sensibilisieren und schulen, den Kunden bei persönlichen Nöten mit ihren Geldgeschäften viel enger und flexibler zur Seite zu stehen? Der Verweis auf Automatenlösungen wird sicherlich nicht allen Kunden helfen…

Die allermeisten Kunden, übrigens auch die älteren, nutzen sehr schnell die vielen Möglichkeiten der Selbstbedienungsgeräte. Und selbstverständlich bieten unsere Kolleginnen und Kollegen gerne und auch mehrfach ihre Unterstützung bei der Nutzung an. Für Anforderungen, die nicht hierüber abgebildet werden können oder unsere Kunden das nicht möchten, haben wir verschiedene Lösungen parat: Beispiele hierfür sind unser Bargeld-Bringservice oder auch die Diskretionskasse für Bargeldgeschäfte ab 10.000 Euro.

Sie haben zuletzt betont, dass ihre ungeliebten Maßnahmen der Gesunderhaltung des Unternehmens dienten. Wie sehen die Bilanz-Eckwerte für das Geschäftsjahr 2020 aus?

Trotz aller schwierigen Rahmenbedingungen sind wir dem Geschäftsjahr 2020 zufrieden. Die Bilanzsumme erhöhte sich um 191 Mio. Euro auf 3,54 Mrd. Euro. Motor des Wachstums ist das Kreditgeschäft, welches um 2,5 Prozent zulegte. Insgesamt haben wir im abgelaufenen Jahr Kredite von mehr als 550 Mio. Euro zugesagt. Neben dem Wachstum der Kundeneinlagen haben unsere Kundinnen und Kunden Wertpapiere von annähernd 130 Mio. Euro angelegt. Das Corona-Jahr 2020 war durch die Unterstützung unserer privaten und gewerblichen Kunden geprägt. Wir haben unzählige Beratungsgespräche geführt und geholfen, die speziellen Corona-Kreditprogramme zu beantragen oder Stundungen eingeräumt. Nicht nur für unsere Kundinnen und Kunden war das Jahr 2020 ein besonderes. Auch für unsere Kolleginnen und Kollegen haben sich etliche Herausforderungen ergeben. Über pandemiebedingte Geschäftsstellenschließungen, hausinterne Umzüge, Abstands- und Hygienemaßnahmen bis hin natürlich zum mobilen Arbeiten von zu Hause aus, haben wir unseren Mitarbeitenden viel abverlangt. Daher möchte ich an dieser Stelle nochmals herzlich für Ihren Einsatz für die Sparkasse danken. Der Dank gilt aber auch unseren Kundinnen und Kunden, denen wir leider in der Pandemie nicht jeden Wunsch – wie gewohnt – erfüllen konnten.

Sie haben zuletzt nach Verwahrentgelten bei gewerblichen Kunden jetzt auch Strafzinsen im Privatkundenbereich bei großen Barvermögen auf Tages- und Girokonten sowie Sparbüchern etabliert. Sind während der Pandemie dort die Bestände spürbar angestiegen?

Ja, in der Tat. Getrieben durch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank wird die Sparkasse Hagen/Herdecke aktuell mit Einlagen „überschwemmt“. Zum 31. Dezember 2020 haben sich die Kundeneinlagen um 186 Mio. Euro erhöht. Dieses Wachstum fand ausschließlich bei den täglich fälligen Einlagen auf Girokonten und Tagesgeldkonten statt. Auch im Jahr 2021 setzt sich das Wachstum ungebremst fort. Allein in den ersten vier Monaten haben sich die täglich fälligen Einlagen unserer Kunden um 51,5 Mio. Euro erhöht. Hier setzen wir nach wie vor auf eine qualifizierte Beratung unserer Kundinnen und Kunden, um sie von den langfristigen Vorteilen einer alternativen Anlage zum Beispiel in Wertpapieren zu überzeugen. Denn eins ist sicher: Die Niedrigzinsphase wird uns noch einige Jahre erhalten bleiben.

Welchen Jahresüberschuss konnten Sie im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaften und auf welchen Anteil darf sich der Kämmerer freuen?

Das Jahr 2020 endet mit einem Jahresüberschuss in Höhe von 4,7 Mio. Euro. Nach dem Fusionsvertrag stehen der Stadt Hagen hiervon 87,2 Prozent zu. Ob sich der Kämmerer darüber freuen darf, entscheidet die Versammlung des Sparkassenzweckverbandes am 24. August.

Vor einem Jahr haben Sie angekündigt, dass Sie zwar die Lage beobachten würden, jedoch keine größeren Veränderungen im Filialnetz geplant seien. Worauf müssen sich die Kunden nach der jüngsten Erfahrung im nächsten Jahr noch einrichten? Sind weitere Maßnahmen geplant?

Aktuell und bis auf Weiteres nicht. Die Sparkasse Hagen/Herdecke wird allerdings auch zukünftig die strategische Ausrichtung immer wieder überprüfen und den äußeren Einflüssen entsprechend anpassen. Für Geschäftsstellen, an denen das Kundenaufkommen abnimmt, oder Service- und Beratungsangebote durch ein geändertes Nutzungsverhalten nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind, werden wir auch zukünftig Veränderungen in Erwägung ziehen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass letztlich der Kunde entscheidet, in welchem Umfang er oder sie unsere Dienstleistungen in Anspruch nimmt.

Angesichts der anhaltend schwierigen Rahmenbedingungen sind weitere Fusionen in der Bankenbranche zu erwarten. Inwieweit ist die Sparkasse Hagen/Herdecke auf diesem Terrain aktiv? Und: Stimmt es, dass es erste Gespräche mit Iserlohn gibt?

Das Jahr 2020 hat für alle Marktteilnehmer große Herausforderungen bereitgehalten. Neben der seit langem anhaltenden Niedrigzinsphase, der sich dynamisch weiter entwickelnden Digitalisierung und zusätzlichen Anforderungen der Bankenaufsicht, war natürlich Covid-19 das bestimmende Thema. Die Sparkasse Hagen/Herdecke war und ist jederzeit an der Seite ihrer Kunden und der stabilisierende Anker gerade in unsicheren Zeiten. In diesem schwierigen Umfeld ein vergleichsweise gutes Jahresergebnis zu erzielen, war nicht selbstverständlich. Fusionen stehen aufgrund der skizzierten Rahmenbedingungen grundsätzlich weiter auf der Tagesordnung der Kreditinstitute. Die Sparkasse Hagen/Herdecke ist, wie schon betont, kerngesund und soll dies auch bleiben. Unser Haus ist daher weiter offen für Gespräche, wird dieses Thema aber nicht forcieren.