20 Jahre nach der Insolvenz wirft WP-Redakteur Martin Weiske einen Blick auf die zerfallende Gummi-Becker-Brache in Haspe.

Sie hatten schon immer den Eindruck, die Hauptstadt von Absurdistan – also jener verwunschener Ort voller Possen, Peinlichkeiten und Kuriositäten direkt neben dem legendären Atlantis – müsse in Hagen liegen? Das könnte tatsächlich stimmen, wie der folgende Fall realen Irrsinns aus dem Hasper Westen suggeriert:

20 Jahre ist es inzwischen her, dass dort die Firma Gummi Becker Insolvenz anmelden musste. Teile des Betriebsgeländes an der Enneper Straße wurden inzwischen in ein Einzelhandelszentrum verwandelt. Doch eine einst stattliche, inzwischen jedoch arg vergammelnde Restimmobilie mit imposanter Rattenpopulation am Ennepe-Ufer entlang der Nordstraße beleidigt seit zwei Jahrzehnten die Augen der Betrachter. Ein städtebaulicher Schandfleck, der dringend nach Beseitigung fleht.

Und genau das hat die Stadt, die inzwischen unfreiwillig Besitzer der herrenlosen Schrotthalle geworden ist, auch vor. Immerhin gibt es die charmante Fantasie, auf dem durchaus attraktiven Grundstück am Fluss nicht bloß einen idyllischen Radweg, sondern auch 40 barrierefreie Wohnungen (sind in Hagen stark gefragt!) entstehen zu lassen.

Um die horrenden Kosten für den Abriss nicht allein tragen zu müssen, möchte man im Rathaus aufgrund der Altlastenprobleme im Untergrund den AAV (Verband für Flächenrecycling und Abfallbeseitigung) ins Boot holen: Die kennen sich aus und bringen obendrein das Geld mit. Doch für eine Beurteilung der Lage verlangen die Profis naturgemäß Belege, also ein Bodengutachten. Dafür müssten in den Boden etwa 20 Löcher für Proben und die anschließende Gefährdungsabschätzung eines Experten getrieben werden.

Allerdings hat das Hagener Umweltamt große Sorge, dass einem die Decke der Produktionshalle auf den Kopf fällt, sobald ein Bohrer bohrt. Was prompt ein beauftragter Statiker bestätigte. Was also tun? Keine Untersuchung des Erdreichs – kein AAV. Also wird die Stadt jetzt noch einmal 10.000 Euro in Sicherungsmaßnahmen für die Bruchbude investieren, um im Anschluss bohren und dann abreißen zu können.

Im Juni will die alljährliche Delegiertenversammlung des AAV entscheiden, welche Projekte im Jahr 2022 letztlich tatsächlich angegangen werden. Dass zu dieser maßgeblichen Sitzung pünktlich die Gefährdungsabschätzung zu den Gummi-Becker-Altlasten vorliegt, glaubt derzeit kein Mensch. Also wird noch ein weiteres Jahr ins Land gehen, bis die Hasper realistisch darauf hoffen dürfen, dass eine der hässlichsten Dreckecken im Bezirk verschwindet.

Typisch deutsch, meinen Sie? Vielleicht – oder wo lag noch mal die Hauptstadt von Absurdistan?