Hagen. Im Hagener Impfzentrum wird Tag für Tag gegen die Corona-Pandemie gekämpft. Ein Blick hinter die Kulissen - und ins Impflabor.

Die geheime Tür öffnet sich. Die Tür zur Herzkammer des Impfzentrums – dem Labor. Hier sind heute ein Dienstapotheker und pharmazeutisch-technische Assistentinnen im Einsatz. Gewissermaßen wecken sie das wertvolle Vakzin, das dort in einem Kühlschrank gelagert wird, aus dem Winterschlaf, ziehen die Spritzen auf, die dann nur kurz später über eine kleine Ausgabe hinausgegeben und vorsichtig in die Impfkabinen transportiert werden.

Katharina Klaas, pharmazeutische Leiterin, vor dem Kühlschrank, in dem der Impfstoff aufbewahrt wird.
Katharina Klaas, pharmazeutische Leiterin, vor dem Kühlschrank, in dem der Impfstoff aufbewahrt wird. © WP | Michael Kleinrensing

Jeder noch so kleine Fehler könnte die Wirksamkeit gefährden, Zutritt für Außenstehende ist hier strengstens verboten.

Denn hier ist absolute Präzisionsarbeit gefragt, um die maximal mögliche Anzahl an Dosen aus einem Vial zu gewinnen.

Sieben sind möglich – „und das schaffen wir oft“, sagt die pharmazeutische Leiterin Katharina Klaas.

Eine Arbeit, bei der die Zeit oft im Nacken sitzt, wenn plötzlich in einer Kabine das Vakzin ausgeht. Bei der eine exakte Verfahrensweise eingehalten werden muss.

Zentral, aber trotzdem versteckt

Das Labor befindet sich zentral, aber trotzdem versteckt, mitten im Impfzentrum. „Die Wege sollten kurz sein, damit wir die Impfstraßen schnell und unkompliziert versorgen können“, erklärt Klaas. Sie organisiert den Betrieb im Labor, schult Personal. „100 PTAs aus Hagen stehen für den Einsatz bereit, wechseln sich in Schichten ab, alle neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit.“

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Der Check-in-Bereich, die Impfstraßen, der Wartebereich – all diese Bilder flackern täglich durch die Medien. Kaum einer aber sieht, was sich hinter den Kulissen abspielt. Wie viele Menschen hier unermüdlich im Einsatz sind, um die Pandemie zu bekämpfen und Schritt für Schritt der Normalität ein Stückchen näher zu kommen. „Es ist ein stressiger Job, aber wir machen den alle – und damit meine ich das gesamte Team aus DRK, KVWL, Apothekern, Ärzten und Helfern– mit Herzblut“, sagt Lars Stein, organisatorischer Leiter.

Impfstoff wird online bestellt

Martina Löher verteilt den Impfstoff an die Ärzte und Helfer in den Impfkabinen.
Martina Löher verteilt den Impfstoff an die Ärzte und Helfer in den Impfkabinen. © WP | Michael Kleinrensing

Personaleingang. Jeder bekommt ein kleines Kärtchen, das beim Eintritt eingescannt wird. „Backstage-Bereich“, steht an der Tür, an einem langen Gang, die zu Lars Steins Büro führt. „Hier sitzen sonst die Promis nach ihren Auftritten“, sagt Stein und lacht.

Denn bei aller Ernsthaftigkeit, die die Corona-Situation einem abverlangt, und bei all der Dramatik mit Blick auf hohe Inzidenzen und schwere Infektionsverläufe müsse man guter Dinge bleiben und das Positive sehen.

Das Positive ist: Hier in Hagen läuft es rund, die Impfungen kommen schnell voran. Schneller als andernorts. „Das liegt an der tollen Zusammenarbeit, wir können uns aufeinander verlassen“, betont Stein.

70 Mitarbeiter pro Schicht – zwei Schichten pro Tag gibt es – sind hier im Einsatz. In Lars Steins Büro steht sein E-Bike, mit dem er fast täglich zur Arbeit kommt, ansonsten eher eine provisorische Einrichtung in dem Zimmer, in dem das „wertvolle Gold“ geordert wird. An seinem Tisch wird der Impfstoff „geshoppt“.

650 Dosen pro Tag in der kommenden Woche

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Jede Woche, immer donnerstags, bekommt Hagen Bescheid, wie viel Impfstoff in der kommenden Woche zur Verfügung steht. „Nächste Woche leider etwas weniger, etwa 650 Dosen pro Tag werden wir verimpfen können. An unserem besten Tag haben wir mehr als 1500 Impfungen durchgeführt“, sagt Stein.

Steht die Impfstoffmenge fest, kann bestellt werden. Und das läuft weitaus unkomplizierter, als man meinen würde. „Man darf sich das vorstellen wie bei einem Online-Shop“, sagt Stein, der am PC die entsprechende Seite aufruft. Spritzen können hier bestellt werden, Kanülen, die Impfstoffe, kleine Bildchen gibt es zu jedem Artikel. Das alles landet per Click im Warenkorb – und kommt kurz später in Hagen an.

Immer ein Blick auf die Impfkabinen

„Wir bestellen immer so viel, wie eben geht. Unser Ziel: Jeden Sonntag soll der Kühlschrank leer sein.“ Bis auf eine Ausnahme hat das immer geklappt. „Als der Astrazeneca-Stopp verhängt wurde, mussten wir einige Spritzen wegwerfen. Da hat einem schon das Herz geblutet“, sagt Stein.

Das Orga-Team kümmert sich auch darum, wenn Termine doppelt gebucht werden oder mal jemand nicht auftaucht. Das kommt immer wieder vor. „Diese Termine müssen dann neu freigegeben werden“, erklärt Stein, als er den Flur langgeht. Eine Tür öffnet sich, auf einmal steht man wieder mitten im Impfzentrum, wo der Betrieb keine Sekunde stillsteht.

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Kurz vor dem Check-Out. Büro der Kodos – so heißen hier die Koordinationseinheiten, die sich unter anderem um die Impfstoffverteilung kümmern, dafür sorgen, dass die Hardware läuft und sicherstellen, dass genug Material (Masken, Desinfektionsmittel, Papier, Schutzkittel etc.) da ist, die neue Impflinge einbestellen, wenn kurzfristig Impfstoff übrig ist.

Wenn es in einer Kabine knapp wird, klingelt Martina Löhers Telefon. „Mittlerweile hat sich der Ablauf eingespielt, wir sind ständig unterwegs, laufen die Kabinen ab und schauen, wo was gebraucht wird. Das melden wir dem Labor. Tagsüber macht man schon ordentlich Kilometer“, so Löher.

Wartezeit für die Patienten heute: eine Minute: es läuft. „Aber wenn, so wie letzte Woche aufgrund von zusätzlichen Kontingenten auf einmal etliche zusätzliche Termine frei werden, kann es schonmal trubelig werden.“

Weniger Impfstoff nächste Woche

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Letzte Woche kam es zu Schlangen. Neues Personal wurde eingearbeitet. „Sowas wollen wir auf jeden Fall vermeiden“, betonen Dr. Michaela und Dr. Rolf Kinzius als ärztliche Leiter. „Innerhalb kürzester Zeit wurden drei Impfstraßen neu an den Start gebracht. Das war Wahnsinn.“ Realistisch gesehen könnten jetzt mehr als 2300 Impfungen am Tag durchgeführt werden. Wenn genug Impfstoff da ist. „Wir können nicht genau sagen, warum nächste Woche weniger hier ankommt“, sagt Dr. Rolf Kinzius.

Auch bei den Hausärzten habe es Probleme mit der Belieferung gegeben. „Wir hätten natürlich gerne deutlich mehr“, betont Kinzius, dass man aus dem Impfen in Hagen zwar keinen Wettbewerb machen wolle, man aber trotzdem stolz auf den NRW-Spitzenplatz sei. „Das geht nur, wenn die Mannschaft funktioniert. Wir sind in kürzester Zeit zu einem echten Team zusammengewachsen.“

Videoeindrücke vom Einblick hinter die Kulissen finden Sie unter www.wp.de/hagen.