Haspe. Über Jahrzehnte war es erschreckend ruhig um den alten Hasper Bahnhof geworden. Das kann sich mit einem Investor jetzt schnell ändern.

Als die Hasper Hütte noch brummte und die Menschen ihren Staub schluckten, zählte der alte Hasper Bahnhof an der Stephanstraße zu den wichtigsten Logistikachsen der damalige Stahlära. Sowohl Güterverkehr als auch Personenzüge wurden über die Station am Fuße der Kipper abgewickelt. Doch mit dem Aus der Produktion geriet auch der Haltepunkt zunehmend in Vergessenheit und wurde als Bahnhof letztlich 1979 stillgelegt. Doch jetzt eröffnet sich eine Perspektive, das stattliche, langgezogene Betriebsgelände wieder wachzuküssen: Die „Area52 GmbH“ aus Ennepetal hat die insgesamt 41.000 Quadratmeter großen Flächen von Holzhändler Wolfgang Schürmann, der Stadt sowie dem Bundeseisenbahnvermögen erworben und will auf dem Gelände vier Produktionshallen für mehr als 200 Beschäftige errichten – Investitionsvolumen: ca. 60 Millionen Euro. „Wir müssen jetzt politisch alles dafür tun, dass dies auch gelingt“, betont Bezirksbürgermeister Horst Wisotzki.

Planungshoheit der Stadt

Seit dem Jahr 2006 ist das gut 40.000 Quadratmeter große Areal des alten Hasper Bahnhofs von Bahnbetriebszwecken freigestellt und liegt somit in der Planungshoheit der Stadt.

Passiert ist seitdem freilich wenig: Mal war ein Recyclingbetrieb im Gespräch, mal eine Straßenerschließung mit kleinteiligen Gewerbebetrieben. Zudem sorgen diverse Brandeinsätze immer wieder für Schlagzeilen des Geländes, zu dem neben dem alten Bahnhofsgebäude lediglich noch ein paar abbruchreife Schuppen zählen.

Zuletzt nutzte der Holzhändler Wolfgang Schürmann noch die historische Station mit Büroräumen und Lagerhalle. Dabei spielten sogar die weiterhin vorhandenen Gleisanlagen noch eine Rolle, als der Unternehmer zwischen 2007 und 2009 dort 800 Waggons anrollen ließ, um Kyrill-Holz nach Österreich transportieren zu lassen.

Dabei ist ihm die volle Rückendeckung der Hasper Bezirksvertretung sicher. Denn in dem Gremium wird schon seit Jahren parteiübergreifend darum gerungen, die langgestreckte Brache zwischen Bezirkssportanlage und der Bahnstrecke Köln/Hagen wieder sinnvoll zu nutzen und dort zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen. Zuletzt hatte im November 2018 die Hasper CDU noch einmal einen Vorstoß unternommen, den alten Hasper Bahnhof nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf für den regionalen Verkehr oder gar als ICE-Nothaltepunkt wiederzubeleben – vergeblich.

Ein Ende der Geisteratmosphäre

Der Käufer „Area52 GmbH“ hat bereits damit begonnen, die Spuren der Eisenbahnvergangenheit von dem Gelände verschwinden zu lassen.
Der Käufer „Area52 GmbH“ hat bereits damit begonnen, die Spuren der Eisenbahnvergangenheit von dem Gelände verschwinden zu lassen. © WP | Michael Kleinrensing

Doch mit den Zukunftsplänen des Area-52-Teams um Geschäftsführer Sebastian Schäfer könnte Aufbruchstimmung und Unternehmer-Esprit die Geisteratmosphäre auf dem fast vergessenen Brachgelände ablösen. Denn der innovative Betrieb, der seinen Hauptsitz von Ennepetal nach Haspe verlegen und eine weitere Dependance in Iserlohn aufgeben möchte, wächst seit seiner Gründung im Jahr 2016 rasant. Seine bisherige Produktionsmission: Die Herstellung von ökologischen Fahrzeugpflegeprodukten und nachhaltigen Haushaltsreinigern, Naturkosmetik, aber auch die Entwicklung von Maschinenbauteilen vorzugsweise für die Fahrzeugindustrie mit Hilfe von 3-D-Drucker-Technologie. „Wir machen alles selber, arbeiten sehr autark, entwickeln unsere eigenen Maschinen mit eigenen Planern und bewegen uns obendrein in einem eigenen Ökosystem mit eigenem Marketing und eigener IT“, versteht Schäfer den Betrieb als eine kreative Symbiose aus Handwerk und digitaler Welt.

„Unser Vorsprung entsteht durch Mitarbeiter mit vielfältigen Qualifikationen“, möchte der Area52-Geschäftsführer durch Variabilität und Diversifikation der Kompetenzen nicht bloß eine ganz eigene Job-Gravitation mit seinen Unternehmungen entwickeln, sondern seinen Angestellten auch jene Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen, um ihre wahren Stärken zu entdecken und gewinnbringend einzubringen. „Dadurch sind wir flexibel, stetig forschend und ein permanenter Technologie-Inkubator“, lautet Schäfers Credo, weiterhin kreativ die Nase im Wind zu behalten, ohne sich auf eingefahrene Produktionslinien festlegen zu müssen. „Wir möchten in Haspe sämtliche Geschäftsbereiche ausweiten und nicht bloß als Industrieunternehmen, sondern als infrastruktureller Teil der Stadt wahrgenommen werden“, blickt der Hagener parallel auf die gesamtgesellschaftliche Einbindung.

Zügig Rahmenbedingungen schaffen

„Man muss auch mal Glück haben“, freut sich Bezirksbürgermeister Wisotzki, dass ausgerechnet in seiner Ägide jetzt endlich das gelingen kann, woran sich seine Amtsvorgänger über Jahrzehnte die Zähne ausgebissen haben – ein Wachküssen des alten Bahnhofsgeländes. „Jetzt ist es an uns, möglichst zügig die Rahmenbedingungen zu schaffen“, will er mit breiten Mehrheiten für die baurechtlichen Voraussetzungen sorgen, sprich noch in diesem Jahr das Gelände in ein Gewerbegebiet verwandeln und den Flächennutzungsplan entsprechend ändern. Die verkehrliche Anbindung – zumindest für die Lastzüge – soll über eine neue Straßenverbindung zum Wendehammer der Erzstraße erfolgen. „Damit wird nicht bloß der Weg zur Autobahn kürzer, sondern auch die Fläche vor der Kita Stephanstraße ausreichend geschützt“, ist sich der Hasper SPD-Politiker mit seinem CDU-Vertreter Gerd Romberg bereits einig.

„Wir würden uns beide sehr freuen, wenn das so kommt.“ Denn mit der Millionen-Investition der „Area52 GmbH“ – der Area-51-Luftwaffenstützpunkt in der Wüste Nevadas, auf dem die US-Airforce angeblich Außerirdische versteckt und an Aliens experimentiert, lässt grüßen – könnten dort weniger extraterrestrische, sondern ganz weltliche Fortschritte erzielt werden. „Etwa 70 Prozent der Fläche werden wir mit Industriehallen belegen“, hat Geschäftsführer Sebastian Schäfer die baulichen Strukturen des Industrieunternehmens bereits konkret vor Augen. Doch derzeit liegt sein Fokus zunächst einmal auf ein paar schnöden Abrissarbeiten und der Aufbereitung des Geländes: „Ende des Jahres möchten wir die Bauanträge stellen“, hat er bereits einen klaren Zeitplan vor Augen. „Mit dem Vollausbau wollen wir in zwei bis drei Jahren fertig sein“, sind die finanziellen Dinge mit seiner Hausbank längst abgeklopft.

Alter Bahnhof wir modernisiert

Die verbliebenen Gleise laden dazu ein, einen Abzweig der Seidenstraße direkt anzuschließen.
Die verbliebenen Gleise laden dazu ein, einen Abzweig der Seidenstraße direkt anzuschließen. © WP | Michael Kleinrensing

Und natürlich wird auf dem künftigen Area-52-Gelände auch der alte Hasper Bahnhof weiter eine zentrale Rolle spielen: „Ich möchte das Gebäude rekonditionieren“, formuliert Schäfer. Konkret: Er will der in die Jahre gekommenen Gebäudehülle ein modernes Innenleben für Verwaltungsbüros verschaffen und der künftig gedämmten Außenhaut der Immobilie im Anschluss auch wieder die historische Anmutung verleihen.

Selbst eine Wiederbelebung der vom Dickicht überwucherten Gleisanschlüsse, die bis zu einer zerfallenden Laderampe führen, steht auf der Agenda des Unternehmers: „Ich könnte mir vorstellen, dass wir in vier bis fünf Jahren eine direkte Eisenbahnverbindung zu zwei Partnerwerken in China schaffen, mit denen wir in beide Richtungen Warenhandel betreiben.“ Damit würde tatsächlich ein Abzweig der neuen Seidenstraße zwischen dem Reich der Mitte und dem Duisburger Hafen nach Haspe führen – zum alten Bahnhof an der Stephanstraße.