Hagen. Die Politik in Hagen möchte die Luca-App zur Nachverfolgung der Kontakte in Corona-Zeiten etablieren. Wir erklären, wo Hagen technisch steht.

Um die Kontaktnachverfolgung der Corona-Infizierten durch eine Software optimal zu organisieren, möchte auch die Stadt Hagen – wie von der Bundesregierung ausdrücklich gewünscht – die Software „SORMAS“ beim Gesundheitsamt etablieren. Doch trotz bester Vorsätze ist dies bis heute nicht geschehen. Daher macht jetzt auch die Ratsallianz (CDU, Grüne, FDP und Hagen Aktiv) Druck und erwartet für die nächste Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses einen Sachstandsbericht, woran es bei der Einführung des Systems hakt. Gleichzeitig fordern die drei Parteien mitsamt der Wählergemeinschaft die Einführung der „Luca“-App, sofern diese nicht die finanziellen Möglichkeiten der Stadt sprengt.

Speziell zugeschnittene Software

Professor Gérard Krause, Leiter der mitentwickelnden Abteilung Epidemiologie am Braunschweiger Helmholtz-Institut, versichert, dass SORMAS keiner speziellen technischen Ausstattung bedürfe, die Gesundheitsämter sich weder um die Systeminstallation noch die Pflege kümmern müssten.

Selbst Schulungen werden von den Entwicklern angeboten, so dass jeder Anwender die intuitiv simple und auf die Anforderungen der Gesundheitsbehörden gezielt zugeschnittene Software nach zwei Tagen durchaus beherrsche.

Mit SORMAS seien die Ämter unter anderem dazu in der Lage, Labormeldungen direkt aus dem Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) zu empfangen und Datensätze mit anderen Gesundheitsämtern digital auszutauschen.

Allerdings stehen die dafür erforderlichen Schnittstellen, so die Entwickler, frühestens Mitte April zur Verfügung. Gleiches gilt für SURVNET (Meldesystem zum Infektionsschutzgesetz beim Robert-Koch-Institut).

SORMAS wird den Ämtern gratis angeboten, und das Bundesgesundheitsministerium übernimmt sogar die Kosten für Installation, Betrieb, Wartung und Support bis Ende 2022.

Das System ermöglicht beispielsweise einen nahtlos vernetzten Austausch zwischen Behörden und Laboren. Die Software erleichtert die Kontaktnachverfolgung sowie die Symptom-Dokumentation bei den Erkrankten.

Mit Hilfe spezifischer Prozessmodelle für Fallmeldungen, Infektionsverläufe und Diagnostik werde eine schnelle und effektive Kontaktverfolgung ermöglicht, versprechen die Entwickler. Dazu gehörten Funktionen wie die automatisierte Visualisierung von Corona-Karten und Übertragungsketten, die Dokumentation von Reisehistorien oder auch die Erkennung von Doppeleingaben.

Bei der Etablierung der auch von der Bundesregierung seit Monaten angepriesenen und maßgeschneidert entwickelten Software zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie wartet man im Rathaus zunächst auf das Ausrollen der Version „SORMAS eXchange“, die seit November im Piloteinsatz ist. „Die Installation soll zeitnah erfolgen, aber aktuell können wir noch nicht sagen, ab wann die Software in der Praxis zum Einsatz kommt“, formulierte Stadtsprecher Michael Kaub noch Ende Januar und konnte keinen konkreten Starttermin benennen. Dabei gehört Hagen keineswegs zu jenen vorsintflutlichen Kommunen, die noch mit handschriftlichen Notizen, Excel-Listen, Faxen und Telefondurchsagen operieren. Vielmehr nutzt das Team um Dr. Anjali Scholten, Leiterin des Gesundheitsamtes, das Office Paket von Microsoft.

Viele Städte zögern mit Einführung

Mit ihrer abwartenden Haltung bildet die Stadt Hagen keineswegs eine Ausnahme. Jüngste bundesweite Umfragen zeigen, dass zwar zwei Drittel der Städte und Kreise inzwischen „SORMAS-ÖGD“ (Surveillance and Outbreak Response Management System – Öffentlicher Gesundheitsdienst) installiert haben, allerdings noch längst nicht mit der neuen Software arbeiten. Manche halten das System für einen Rückschritt, andere scheuen das Projekt, mitten in einer Pandemie eine neue Technologie zu etablieren oder sehen Schnittstellenprobleme zu anderen Programmen. Doch die Hauptstadt macht weiterhin Druck, zumal mitten in der dritten Welle und der Weiterverbreitung von britischer, südafrikanischer und brasilianischer Virus-Variante der Nachverfolgungsdruck permanent steigt.

Rapper Smudo demonstriert auf seinem Smartphone die Funktionsweise der Luca-App. Er sieht das von ihm mitentwickelte System als einen der Schlüssel, um das gesellschaftliche Leben wieder hochzufahren.
Rapper Smudo demonstriert auf seinem Smartphone die Funktionsweise der Luca-App. Er sieht das von ihm mitentwickelte System als einen der Schlüssel, um das gesellschaftliche Leben wieder hochzufahren. © dpa | Axel Heimken

Vor diesem Hintergrund möchte jetzt auch die Hagener Politik erfahren, welche organisatorischen oder eventuell auch personellen Hürden bislang in Hagen die SORMAS-Einführung verhindert haben. Nur so könne die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um das Infektionsgeschehen in der Stadt möglichst effizient zu überwachen und auszuwerten, so die Argumentation der Antragsteller.

Doch es sind weniger politische Hürden als technische Unwägbarkeiten, die eine SORMAS-Etablierung verhindern. Zwar hat es im Gesundheitsamt bereist erste Schulungen gegeben, doch wann diese unter Corona-Bedingungen fortgeführt werden können, ist noch ungewiss. „Fraglich ist insbesondere, ob während einer Pandemie, die mit ex­trem hohen Belastungen für die Mitarbeiter einhergeht, überhaupt genug Kapazitäten für eine Umsetzung im laufenden Betrieb zur Verfügung stehen“, so Stadtsprecher Kaub. So biete die Software zwar Schnittstellen für eine Übertragung aktueller Daten, aber nicht in der Form, dass eine Übertragung ohne hohen personellen Aufwand leistbar wäre. „Eine Einführung ist im laufenden Betrieb somit nur möglich, wenn die prioritär wahrzunehmenden täglichen Aufgaben nicht vernachlässigt werden.“

Parallel dazu soll in Hagen auch die Einführung der „Luca“-App, die zuletzt vor allem von dem Fanta-Vier-Musiker Smudo propagiert wurde, geprüft werden. Diese erleichtert die Kontaktverfolgung beispielsweise bei Restaurant- oder Museumsbesuchen, die wie viele andere Anbieter im Rahmen der Corona-Schutzverordnung einer Dokumentationspflicht unterliegen. Dabei wird über einen sogenannten QR-Code ein virtueller Schlüssel auf den Smartphones der Nutzer gespeichert. Damit kann sich jeder bei einem Gastronomie- oder Veranstaltungsbesuch digital registrieren und erspart sich somit die Kontaktverfolgung per Zettelwirtschaft.

Daten werden nach 30 Tagen gelöscht

Auf diesem Wege können beispielsweise Infizierte nach einem positiven Test ihre Bewegungsprofile der vergangenen zwei Wochen preisgeben und direkt an das Gesundheitsamt weiterleiten – auch an das SORMAS-System. Die Daten landen somit nicht unkontrolliert in privaten Händen irgendeines Gastwirts, sondern werden für den Bedarfsfall verschlüsselt auf deutschen Servern gespeichert und nach 30 Tagen automatisch wieder gelöscht.

„Wir sind überzeugt, dass die Stadt Hagen auf dieses sinnvolle Instrument der Kontaktverfolgung keinesfalls verzichten darf“, fordern Jörg Klepper (CDU), Jörg Fritzsche (Grüne), Claus Thielmann (FDP) und Josef Bücker (Hagen Aktiv) in ihrem gemeinsamen Antrag: „Die App ersetzt dabei keine anderen Instrumente der Kontaktverfolgung, sondern dient als zusätzliche Datenquelle für SORMAS und kann dazu beitragen, dass Gewerbetreibende und Veranstalter ihren Pflichten deutlich einfacher nachkommen können.“

Gerade in einer Kommune mit hohen Infektionszahlen könnten somit Öffnungen abgesichert werden, empfehlen die Allianz-Vertreter, bei der Umsetzung auf die Erfahrungen des Märkischen Kreises zurückzugreifen, wo die „Luca“-App bereits im Einsatz sei.