Hagen. Straf- bzw. Negativzinsen sind bei der Sparkasse Hagen/Herdecke bei Privatvermögen kein Tabuthema mehr. Wir erklären, was geplant ist.

Das Thema Straf- bzw. Negativzinsen wird in den nächsten Wochen und Monaten auch für die Privatkunden der Sparkasse Hagen/Herdecke akut – zumindest wenn sie Besitzer von großen Barvermögen auf Tages- und Girokonten sowie klassischen Sparbüchern sind. Im Verwaltungsrat des Hauses wurde jetzt ein gestaffeltes Konzept präsentiert, mit dem der durch die europäische Zinspolitik getriebene Vorstand der Europäischen Zinspolitik trotzen möchte.

Denn die Kreditinstitute müssen derzeit für Geldeinlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Jahresgebühr von 0,5 Prozent zahlen. Diese Dauerbelastung können die Geldhäuser irgendwann nicht mehr abfangen. Um das Gros ihrer Kunden letztlich vor Verwahrentgelten zu schützen, wird jetzt auf hohe Vermögen von Privatanlegern flächendeckend dieser Negativzins weitergegeben. Betroffen von dieser Maßnahme sind in Hagen und Herdecke allerdings lediglich fünf Prozent der Privatkunden, die Vermögen der übrigen Sparer bleiben zunächst unberührt.

Acht Prozent Zuwachs in einem Jahr

Immer mehr Banken ziehen die Notbremse

Die Sparkasse Hagen/Herdecke befindet sich mit der aktuellen Entscheidung in breiter Gesellschaft. Laut dem Verbraucherportal Biallo gaben im April 2020 von 1300 Kreditinstituten bereits 211 Geldhäuser an, sogenannte „Strafzinsen“ zu verlangen, davon 113 Banken auch im Privatkundenbereich. Ein Jahr zuvor waren es lediglich 30 Kreditinstitut, die zu diesem Mittel griffen.

Zuletzt hatte der Hagener Sparkassen-Vorstand diese Maßnahme lediglich bei Geschäftskunden in Form von Individualvereinbarung angewendet – allerdings lediglich bei Beträgen deutlich im sechsstelligen Bereich.

Ähnlich auch die Regelungen bei der Märkischen Bank: Hier werden ebenfalls 0,5 Prozent Negativzinsen fällig bei Neukundenvermögen von mindestens 100.000 Euro.

Die gleiche Grenze zieht auch die Hagener Commerzbank bei Neukunden – oberhalb des 100.000-Euro-Limits werden auch hier 0,5 Prozent Strafzinsen fällig. Bei Bestandskunden wird hier die Höhe individuell vereinbart.

Allein in den vergangenen zwölf Monaten erhöhten sich die Gelder auf den Tagesgeld-, Giro- und Sparkonten bei der heimischen Sparkasse um mehr als 200 Millionen Euro, was wiederum die Strafzins-Verpflichtungen gegenüber der Zen­tralbank um eine Million erhöhte. Bis zum Ende des Jahres 2020 addierten sich die Kundeneinlagen auf 2,5 Milliarden Euro, ein stolzes Plus von immerhin acht Prozent innerhalb eines Jahres.

Letztlich ist diese rasante Entwicklung das Resultat von Vermögenden, die mit ihrem Kapital quer durch die Bankenwelt vagabundieren, weil sie nach Gratis-Inseln suchen, um ihr Geld zumindest nicht verlustbringend flexibel zwischenzuparken. Genau diese Gruppe möchte die Sparkasse durch den Strafzins ausbremsen und vergrämen. Ein Rechenbeispiel: Wer 200.000 Euro auf dem Sparbuch lagert, dem bleiben bei einem Negativzins von 0,5 Prozent nach einem Jahr lediglich noch 199.000 Euro übrigen – 1000 Euro leitet die Sparkasse direkt an die EZB weiter.

Freibetrag von 175.000 Euro

In den Beratungsbüros der Sparkasse Hagen/Herdecke dürften sich die Privatkunden mit großen Vermögen in den nächsten Wochen die Klinke in die Hand geben.
In den Beratungsbüros der Sparkasse Hagen/Herdecke dürften sich die Privatkunden mit großen Vermögen in den nächsten Wochen die Klinke in die Hand geben. © WP | Michael Kleinrensing

Für bestehende Kunden bedeutet die künftige Verwahrentgeltregelung, dass ihnen für Gelder auf Giro- bzw. Tagesgeldkonten ein Freibetrag von 100.000 Euro eingeräumt wird. Für Sparkonten kommen noch einmal 75.000 Euro unangetastet hinzu. Somit bleiben in Summe bei der Sparkasse Hagen/Herdecke 175.000 Euro ohne Negativzins-Konsequenzen. Für Eheleute verdoppelt sich der Freibetrag auf in Summe 350.000 Euro. Potenzielle Neukunden mit stattlichen Bargeldvermögen werden hingegen künftig ab dem ersten Euro zur Kasse­ gebeten.

Die Sparkasse hat bereits angekündigt, mit ihren fraglichen Kunden in den nächsten Wochen und Monaten in Beratungsgespräch einsteigen zu wollen: „Alle Betroffenen werden daher im Laufe dieses Jahres persönlich angesprochen, um gemeinsam eine Lösung für die Optimierung ihrer Anlagen zu finden“, kündigt Unternehmenssprecher Thorsten Irmer eine entsprechende Offensive an. „Hierfür bieten sich zahlreiche individuell angepasste Anlagealternativen wie beispielsweise Fonds, Aktien oder Lebensversicherungen an. Für diese Anlageformen bestehen weder für die Kreditinstitute noch für die Kunden Beschränkungen“, betont Irmer.

Privatkunden müssen umdenken

Mit der dort zu erwartenden Rendite könnten die Anleger nicht nur die Verwahrentgelte vermeiden, sondern auch der inflationsbedingten Geldentwertung entgegenwirken, versucht die Sparkasse für ein Umdenken bei ihren Privatkunden zu werben. Zudem ergibt sich für das Bankhaus der charmante Nebeneffekt, dass es für das in Wertpapieren steckende Kundengeld keine Strafzinsen bei der EZB zahlen muss und obendrein noch lukrative Gebühren für den Verkauf von Wertpapieren kassieren kann. Wer sich mit einer solchen Lösung ebenfalls nicht anfreunden mag, der kann Geld letztlich nur noch daheim im Sparstrumpf und Safe einlagern oder gar im Garten vergraben.