Boele. Die Pandemie versucht der Karnevals-Tradition in Hagen, den Stecker zu ziehen. Wie man aber sieht, schafft sie das nicht.

Hätten wir nicht diese vielen, vielen Bilder unseres Fotografen Michael Kleinrensing im Archiv, man könnte gar nicht glauben, dass es je so stattgefunden hat. Zehntausende am Boeler Straßenrand. Senioren, Kinder, Eltern, Jugendliche. Bützchen links und rechts. Umarmungen. Gemeinsam aus Flaschen trinken. Ganz einfach: Nähe. Morgen würde der Karnevalszug durch Boele rollen, hätte die Pandemie den Karneval nicht so gut wie lahmgelegt. Würde sie nicht versuchen, der Tradition den Stecker zu ziehen.

Sie schafft das nicht, diese Pandemie. Denn wie es scheint, lässt sich das Brauchtum nicht durch Corona in die Knie zwingen. Es lebt. In Miniatur-Zügen, die durch Sporthallen rollen und ins Netz übertragen werden. In der Boeler „Stehung“, die gestern Abend online über die Bühne ging, in hochemotionalen Youtube-Videos, wie dem von Loßröcke-Urgestein Manfred Günz, der am Ende des Films davon spricht, eines Tages im Loßrock-Kittel in Boele begraben werden zu wollen – so nah, so in Leib und Seele über geht das Brauchtum bei jenen, die es hier pflegen.

Loßrock-Urgestein: Manfred Günz 
Loßrock-Urgestein: Manfred Günz  © Loßröcke Boele

„Ich hätte morgen meine Boeler Fahne rausgehängt, Luftballons aufgeblasen. Meine Familie wäre dagewesen und die Enkel.“

Theo Becker ist 77 Jahre alt. Es ist 50 Jahre her, dass er als Oberloßrock durch Boeles Straßen rollte. „Ein unbeschreibliches Gefühl für alle Boeler“, sei dieser Zug. Wenn es um den Zug geht, spricht er von einer lieben Gewohnheit, die jetzt fehle. Er selbst lebt im Herzen Boeles, direkt am Start der Zugstrecke. „Ich hätte morgen meine Boeler Fahne rausgehängt, Luftballons aufgeblasen. Meine Familie wäre dagewesen und die Enkel. Ich weiß noch gar nicht, wie ich diesen Tag jetzt begehen werde, wenn der Zug nicht stattfindet.“

Der fehlende Karneval betrifft alle Generationen, nicht nur jene Theo Beckers. Im Kindergarten in Boele bauen sie eigentlich jedes Jahr ihren Karnevalswagen, jetzt ist dort Notbetreuung. Keine Prunksitzung, keine Altweiber-Tour durch die Geschäfte, keine Fete in der „Tute“ am Kirchplatz, keine fröhlichen Zugausklänge in den vielen Garagen und Wohnzimmern.

Mehr denn je gilt in dieser Zeit: Baile Hölt Pohl

„Baile hölt pohl“ rufen die Loßröcke traditionell – Boele steht zusammen. Schauen wir noch einmal auf das oben stehende Foto von Michael Kleinrensing. Karnevalsfreude in der Helfer Straße. Zu Hunderten. Mehr denn je muss es heißen: Pohl halten, weitermachen und auf eine Zeit nach der Pandemie hoffen.

Um 14.30 Uhr rollt am Sonntag der erste digitale Zug durchs Netz

Genauso gute Tradition ist es, dass am Montag nach dem Boeler Sonntagszug, noch der Zug durch Hagen rollt.

Alternativ für beide Züge wird am Sonntag, 14.30 Uhr,der digitale Karnevalszug gestreamt. Der Link wird über die Internetseiten (www.karneval-hagen.de und www.lossroecke.de) und über die Facebookseiten bekanntgegeben