So trifft der Lockdown ganz aktuell die Hagener Wirtschaft und ihre Unternehmen. Katastrophen sind darunter, aber auch Lichtblicke.
Hagen. Wie anders alles ist, zeigt, dass Ralf Stoffels in einer Video-Konferenz diese mahnenden Worte spricht. „Eine Erweiterung des Lockdowns hält die Hagener Wirtschaft nicht aus. Sie ist an der Belastungsgrenze angekommen.“ Und das Schlimme ist nicht nur aus Sicht des Präsidenten der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer: Es liegt noch viel mehr im Argen, was die Unternehmen derzeit beeinträchtigt. Die Auszahlung der Corona-Hilfen stellt sich als Desaster heraus. Und: Mit Blick auf Inzidenzwerte nennt niemand Perspektiven.
Hagener Einzelhandel wird oft noch sehr klassisch geführt
536 Unternehmen haben teilgenommen an der Konjunktur-Umfrage der SIHK. Und vor allem am Hagener Beispiel zeigt sich, wie widersprüchlich bundesweite Veröffentlichungen und lokale Fakten zueinander stehen. So erklärt das statistische Bundesamt, dass der Einzelhandelsumsatz 2020 um über vier Prozent höher liegt als 2019. Ja, klagen denn viele Hagener Einzelhändler auf hohem Niveau oder sprechen sie etwa nicht die Wahrheit, wenn es um ihre Geschäftslage geht? „Die klassische Einzelhandels-Struktur im Zentrum und in den Nebenzentren ist im Wesentlichen geprägt durch Bekleidung, Schmuck oder Uhren, also Bereiche, die gerade nicht zu den Sektoren gehören, die zu den Wachstumsgewinnern gehören. Gerade die klassischen familien- oder inhabergeführten Geschäfte leiden unter der Corona-Pandemie“, erklären beispielsweise Hagen-Agentur-Chef Volker Ruff und Kollege Wladimir Tisch (Citymanagement) auf Anfrage. Genau von diesen Geschäften gibt es eine Vielzahl in der Hagener Innenstadt.
Hagen-Agentur hat in der Pandemie-Zeit zwei Formate aufgelegt
Viele betroffene Unternehmen hätten in der Zeit des ersten Lockdowns Wege gefunden, um Umsätze zu generieren, so seien Social-Media-Kampagnen vorangetrieben, Online-Shops erstellt und die Abholung-und Lieferung eingeführt worden. Auch die Hagen-Agentur habe mit unterschiedlichen Partnern verschiedene Projekte angestoßen. Das Portal „hagenliefert.de“ und das Projekt „handel goes online“ seien zwei Beispiele aus diesem Bereich.
Auftragslage in der Industrie ist aktuell stabil
Die Umfrage der SIHK sieht im Einzelhandel hingegen „ein katastrophales Ergebnis“, wenngleich es Bereiche wie Lebensmittel gibt, die zu den absoluten Krisen-Gewinnern zählen. Der Geschäftsklima-Index im Bereich des Großhandels und der Industrie steige laut SIHK aber. Also der Index, der Auskunft über die Erwartungen und die Stimmungen der Geschäftsleitungen gibt. Im Großhandel spürt man beispielsweise bei den Baustoffhändlern aktuell wenig von der Krise. „Und in der heimischen Industrie macht sich erster Optimismus breit. Die Auftragslage ist stabil“, sagt Ralf Stoffels. Dennoch hätten viele Unternehmen mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen, die Reserven seien aufgebraucht. Dennoch: Während in Hagen 25 Prozent der Einzelhändler Sorge vor einer Insolvenz haben, sind es in der Industrie nur drei Prozent. „Es darf jetzt keine weiteren Lockdown-Maßnahmen geben. Die Industrie ist an der Belastungsgrenze angelangt“, so Stoffels. Die Geschäftslage beschreiben 22 Prozent mit „gut“, 55 Prozent mit „gleichbleibend“ und 23 Prozent als „schlecht“.
Auszahlung der Corona-Hilfen entwickelt sich als Desaster
Ein riesiges Problem sind die Corona Hilfen: Laut Institut der Deutschen Wirtschaft waren Ende 2020 von den Überbrückungshilfen I und II erst acht Prozent der Gelder abgeflossen, bei den November- und Dezemberhilfen waren es zum Jahresende wegen IT-Problemen sogar nur vier Prozent. Das liegt, wie das Hagener Beispiel laut SIHK zeigt, nicht daran, dass die Firmen das Geld nicht nötig hätten, sondern, dass die Antragstellung ein Bürokratie-Monster ist. Es fängt damit an, dass verpflichtend ein Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer diese Anträge stellen muss. Ralf Stoffels: „Und selbst die beschreiben den Prozess als zu kompliziert. Natürlich muss Missbrauch bei den Hilfen vermieden werden. Aber wir sind dafür, erstmal unbürokratisch auszuzahlen und dann in Ruhe zu prüfen.“
Seit vier Monaten keine Rückmeldung zu beantragten Hilfen
Dass fragenden Unternehmern aktuell noch nicht mal Auskunft zu ihrem Fall gegeben werden kann, zeigt das Hagener Beispiel von Sascha Voß, Inhaber des Sanitärinstallateurbetriebes „Kaup + Voß“, der sich beim zuständigen Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) erkundigte, weil er seit vier Monaten auf Lohnerstattungen in Höhe von knapp 4000 Euro warte. „Der Betrieb läuft zwar, aber es geht ja hier auch um das Prinzip und den Umgang“, so Voß. Die Antwort des LWL: Sachstandsfragen könnten angesichts Hunderter Anträge nicht beantwortet werden. Selbstverständlich werde der Antrag auf Vollständigkeit geprüft. „Was soll ich nach vier Monaten mit solchen Aussagen anfangen?“, fragt Voß.