Hagen. Computer sind nicht verteilt und das entsprechende Online-Netz fehlt. Dennoch startet in Hagen heute der Distanzunterricht.

Man stelle sich vor, es ist wieder Schule, keiner soll aufgrund der Pandemie hingehen, aber die Online-Netze für Distanz- oder Hybridunterricht funktionieren ebenfalls nicht. In Hagen scheint diese deprimierende Konstellation aufgrund der mangelhaften technischen Ausstattung der Bildungsstätten Realität zu werden.

Pünktlich zu den Sommerferien 2020 schüttete NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) unter dem Eindruck der ersten Corona-Infektionswelle ihr Füllhorn über dem Land aus. Ihr Ziel: Die Kommunen und Kreise sollten im großen Stil Computer für die Schüler anschaffen, um den Online-Unterricht und digitales Lernen aus der Distanz flächendeckend zu sichern. Für Hagen gab’s seinerzeit 2,5 Millionen Euro, mit denen die Stadt etwa 7000 iPads (weniger störanfällig, längere Garantiezeiten) anschaffen sollte. Das große Problem: Es gab auf dem leergefegten Markt kaum Endgeräte. Hinzu kommt: Kaum eine Schule in der Stadt verfügt über die erforderlichen Breitbandanschlüsse oder die entsprechenden WLAN-Netze, um eine stabile Online-Kommunikation für Hybrid-Unterricht aufziehen zu können.

Keine Zeit für die Vorbereitung

Entsprechend hielt sich die Euphorie in Hagen angesichts der unkoordinierten Ad-hoc-Aktion der Landesregierung in Grenzen: „Natürlich freuen wir uns, das Geld für die Endgeräte zu bekommen. Aber man hätte uns ruhig die Zeit geben können, das sorgfältig vorzubereiten und strukturiert anzugehen“, formulierte seinerzeit Kämmerer Christoph Gerbersmann, der in Hagen auch den IT-Bereich verantwortet. Zumal sich auch schon abzeichnete, dass der notwendige technische Support vom Hagener Betrieb für Informationstechnologie nicht geleistet werden kann. Immerhin bedeuten 7000 Schulcomputer etwa das Zweieinhalbfache dessen, was bislang von den städtischen Profis an Endgeräten betreut wird.

Inzwischen sind die Computer für die Schüler in Hagen zwar eingetroffen, allerdings noch nicht verteilt worden. Dies soll erst Ende Januar erfolgen, also dann, wenn der Lockdown absehbar ausläuft. Bis dahin sollen dann auch die noch fehlenden Geräte für die Lehrer bereitstehen. Wie die Verteilung letztlich erfolgt, wird seitens der Stadt noch geprüft. Grundlage soll ein Schulsozialindex sein, der auf einer Umfrage zur Ausstattung der einzelnen Schüler fußt.

Breitbandversorgung wird erst vervollständigt

Obendrein bleibt die Absurdität, dass ein leistungsfähiges, schnelles Internet in Hagen vielerorts noch immer nicht zur Verfügung steht. Dank eines 25-Millionen-Euro-Zuschusses läuft die flächendeckende Breitbandversorgung zwar gerade mit Hilfe der Profis von „Deutsche Glasfaser“ an, aber der flächendeckende Ausbau im gesamten Stadtgebiet wird sich noch über Monate hinziehen. Oberbürgermeister Erik O. Schulz geht davon aus, dass frühestens Ende des Jahres sämtliche weiterführenden Schulen mit Breitbandanschlüssen versorgt sind. Weitere Grundschulstandorte werden sogar erst bis 2023 eine Glasfaseranbindung erhalten, wenn der Wirtschaftsbetrieb auch das Ampel-Netz in Hagen erneuert.

Nächste Posse: Die erforderlichen WLAN-Netze in den Schulen, die wiederum die Breitbandsignale stabil in jeden Klassenraum weiterverteilen, stehen nach Angaben des Verwaltungschefs sogar erst im Jahr 2025 flächendeckend zur Verfügung. Zurzeit wird seitens des Fachbereichs für Informationstechnologie zwar in den einzelnen Schulgebäuden im Rahmen von Voruntersuchungen die technische Situation begutachtet, so dass die erforderlichen baulichen Maßnahmen – vorzugsweise Verkabelungen – im Anschluss von der Gebäudewirtschaft praktisch umgesetzt werden können. Dabei räumt die Stadt allerdings ein, dass eine vollständige WLAN-Infrastruktur, neben einigen in Privatinitiative provisorisch erstellten Netzen, lediglich in der Overberg-Grundschule vorhanden sei. An allen anderen Schulen bestehen technische Defizite, die erst im Laufe der nächsten fünf Jahre beseitigt werden.