Hagen. Klementina Knust und Lena Klinkmann rücken das Pariser Klimaabkommen in den Fokus. Hagens Politik liefere weiterhin keine Lösungen.

Hagen. Die Corona-Pandemie bügelt nahezu jedes andere Thema weg. Das betraf anfangs auch die Botschaften der Fridays-for-future-Bewegung, die in Hagen in großer Zahl organisiert ist. Mit Blick auf das neue Jahr, die Bundestagswahl und das gerade erst fünf Jahre alt gewordene Pariser Klimaabkommen meldet sich die Bewegung jetzt wieder deutlich zu Wort in der Öffentlichkeit. Ein Gespräch mit Lena Klinkmann (14) und Klementina Knust (19).

Man kann ein wenig den Eindruck gewinnen, dass Corona von dem großen Hype um Umwelt- und Klimaschutz irgendwie nichts übrig gelassen hat.


Lena Klinkmann: Zuerst einmal sollte man Umwelt- und Klimaschutz nicht als Hype darstellen, sondern als eine politisch, ökonomisch und ökologisch langfristige Notwendigkeit ansehen. Gegen diesen Eindruck eines Hypes gehen wir sehr deutlich vor. Ja, wir haben jetzt gerade diese Corona-Krise und es verlangt der Politik und den Menschen viel ab, sie zu bewältigen. Aber daneben hatten und haben wir immer noch eine existentielle Krise, die den ganzen Planeten vor die Frage stellt, wie lange es ihn noch geben wird. Die Klima-Krise ist nicht verschwunden, nur weil es jetzt eine Corona-Pandemie gibt. Es werden weiterhin permanent falsche Entscheidungen getroffen.

Welche zum Beispiel?

Lena Klinkmann: Es gibt milliardenhohe Staatshilfen für die Kohle- und Luftfahrtindustrie und eine Abwrackprämie für Autos mit Brennstoffzellen. Der Ausbau regenerativer Energien wird jedoch nicht vorangetrieben. Es wird auch weiterhin Subventionen für fossile Energieträger geben, obwohl erneuerbare Energien dringend forciert werden müssen. Und darüber schwebt unsere große Angst, dass wir vermutlich noch nicht mal das 2-Grad-Ziel schaffen werden, wenn die Verantwortlichen so weiter machen.

Der menschengemachte globale Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt soll auf 1,5 Grad begrenzt werden. Glauben Sie, dass das bis 2050 klappen wird?

Klementina Knust: Wir unternehmen aktuell viel zu wenig, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn wir das jetzige Klimaschutzkonzept beibehalten, steuern wir auf eine Erderwärmung von 4 Grad zu. Wenn das jetzige Zwischenziel der CO2-Reduktion eingehalten wird, welches bei 40 Prozent liegt, werden wir die 2 Grad zweifellos überschreiten. Wissenschaftlich notwendig ist eine Reduktion von 80 Prozent, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.

Und auf lokaler Ebene? Also tut Hagen zum Beispiel nicht genug?

Klementina Knust: Viel zu wenig. Der Rat der Stadt hat hier den Klimanotstand ausgerufen, aber keines der Klimaschutzkonzepte, die die Stadt Hagen aufgelegt hat, passt in irgendeiner Weise dazu, die wesentlichen Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Wenn ich allein sehe, dass wir das Stickstoff-Problem in der Hagener Innenstadt nicht in den Griff bekommen, dann kann man daran sehen, dass die Politik hier keine Lösungen findet.

Die Bewegung blickt bei allen anstehenden Aktionen sicher auch auf die Bundestagswahl im kommenden Herbst. Kann das eine Klima-Wahl werden?

Lena Klinkmann: Sie muss es. Man darf sich politisch nicht weiter hinter der Coronakrise verstecken. Die Politik muss Antworten auf die Anforderungen des Pariser Klimaabkommens finden. Und sie muss den Rahmen setzen, dass auf dem Weg zu mehr Klimaschutz sozial niemand zurückgelassen wird.

Sie deuten an, dass der, der umweltfreundlich unterwegs sein möchte, auch reich sein muss.

Lena Klinkmann: Reich klingt etwas zu groß, aber es stimmt schon. E-Mobilität und der ÖPNV-Ausbau sind beispielsweise noch viel zu teuer. Alle Schichten der Gesellschaft müssen sozialverträglich Zugang zu klimafreundlichen Produkten haben. Außerdem muss auch global Verantwortung übernommen werden, die Industriestaaten müssen gegenüber dem globalen Süden ihrer Verantwortung nachkommen. Es kann nicht sein, dass die Klimakatastrophe, diejenigen am meisten betrifft, sprich der globalen Süden, die historisch am wenigsten dazu beigetragen haben.

Werden die Grünen weiter vom Fridays-for-future-Trend profitieren können oder ebbt dieser Effekt bis zur Bundestagswahl ab?

Klementina Knust: Das liegt an den Grünen. CDU und SPD haben zuletzt faktisch nichts getan, um ernsthaften Klimaschutz zu betreiben. Die Grünen haben das ernst genommen. Aber auch sie müssen immer wieder an das 1,5-Grad-Ziel erinnert werden und dass wir daran festhalten müssen.

Wann ist mit weiteren öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Fridays-for-future-Bewegung in Hagen zu rechnen?

Lena Klinkmann: Wir machen das, was unter Pandemie-Bedingungen möglich ist. In Hagen steht noch nicht fest, wann wir wieder etwas Größeres machen. Klar ist aber: Sobald wir wieder öffentlich zusammenkommen können, werden wir das auch tun. Die Bewegung ruht nicht, sie ist nur weniger sichtbar aktuell, denn es gilt, die schwerste bis jetzt erlebte Krise, zu überwinden, denn sonst werden wir Ausmaße haben, die die Frage stellen: Wie lange wird der Planet für Menschen noch bewohnbar sein und diese Frage wird mit der jetzigen Politik keine 100 Jahre mehr dauern.

Was sind Ihre Erwartungen an die Politik?

Klementina Knust: Die Politik muss alle Entscheidungen auf die Machbarkeit des Parisers Klimaabkommen überprüfen und demnach so anpassen, dass wir in Zukunft nicht auf 4 Grad zusteuern, sondern deutlich unter 2 Grad bleiben, um irreversible Folgen zu vermeiden.