Hagen. Viele Jahre war Stefan Ciupka das Gesicht der Vorhaller CDU. Jetzt hat er der Partei den Rücken gekehrt. Im Interview spricht er über die Gründe.

Im Hagener Norden war er für die CDU eine Institution. Über Jahrzehnte galt er als das Gesicht der Partei in Vorhalle und zuletzt auch in Eckesey. Doch am 11. November – keineswegs aus einer närrischen Laune heraus – hat Stefan Ciupka seinen Rücktritt von sämtlichen Ämtern erklärt und ist nach drei Jahrzehnten Mitgliedschaft bei der Union ausgetreten. Für den 47-Jährigen, der 2002 im Bundestagswahlkampf für seine Partei gegen René Röspel (SPD) antrat und wie alle anderen Konkurrenten des Genossen im Ringen um das Berliner Direktmandat scheiterte, ein wohlüberlegter Schritt, der lange gereift ist. Wir sprachen mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Ortsunion Vorhalle/Eckesey und langjährigen Ratsherrn über seine Beweggründe.

Jetzt können Sie es ja zugeben: Sie sind aus der CDU ausgetreten, weil sie beleidigt sind, diesmal nicht in den Rat gekommen zu sein?

Stefan Ciupka: Nein, überhaupt nicht. Im Prinzip hat man ja drei Möglichkeiten: Man kann etwas akzeptieren, man kann etwas verändern oder man muss sich von Dingen, Sachverhalten und Menschen auch mal trennen. Ich bin jetzt seit 30 Jahren in der CDU und seit 21 Jahren im Rat – da habe ich genug versucht zu verändern und mitzugestalten. Aber inzwischen spüre ich auch die berufliche Belastung. Wenn man bis 18 Uhr im Job ist und dann noch bis 22 Uhr ins Rathaus fährt, merkt man schon, dass man an Grenzen kommt. Das ist schon ein Unterschied, ob man das mit Anfang 20 macht oder mit Ende 40. Letztlich muss ich aber auch für mich feststellen, dass nicht mehr so viel zurückkommt.

Es fehlt Ihnen also ein wenig das Feuer?

Vielleicht auch das. Ich bin immer jemand gewesen, der sich offen und konstruktiv-kritisch geäußert hat. Das ist in den letzten Jahren in der Hagener CDU zunehmend schwieriger geworden: Zum einen, dass man das konnte, zum anderen, dass der Gegenüber auch damit umgehen konnte. Das war für mich der Punkt, an dem ich feststellen musste, dass man ja nicht bloß zusammenkommt, um sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen.

Meinen Sie damit den politischen Diskurs mit anderen Fraktionen oder mehr das innerparteiliche Geschäft?

Mit Hang zu Meer und Genuss

Meer oder Berge?
Meer, definitiv. Ich bin zwar schon einige Jahre Ski gelaufen, aber in den letzten Jahren zieht es mich schon in flachere Gegenden. „Meer light“ habe ich letztlich mit dem Harkortsee ja direkt vor der Haustür, wo ich im vergangenen Sommer sogar das erste Mal schwimmen war. Auf der Agenda steht durchaus Südtirol, aber meine Insel ist Föhr.

Ferrari oder Fahrrad?

Ich würde auch mal Ferrari fahren, aber für meine tägliche Wegstrecke von Vorhalle in die Innenstadt ist das Fahrrad die bessere und gesündere Alternative. Und das bei jedem Wetter. Wenn ich morgens aus dem Fenster schaue, tue ich das nur, um die richtige Jacke auszuwählen. Wir haben tatsächlich das zweite Auto abgeschafft.

Filetsteak oder vegan?
Die zweite Alternative ist keine. Meine Frau versucht mit kleinen Schritten eine Trendwende zu schaffen. Aber vermutlich bleibe ich Genussmensch, muss aber daran arbeiten, dass man das nicht so stark sieht.

Mehr das innerparteiliche Miteinander. Am Ende des Tages kommt dann die Erkenntnis, dass das, was man an Energie und Leidenschaft da reinbuttert in keinem sinnvollen Verhältnis mehr zum Ergebnis steht. Das war sicherlich eine Entwicklung über Monate, zu der Corona am Ende sicherlich auch noch zusätzlich beigetragen hat.

Aber sie haben sich ja im Herbst noch mal für eine Wahlperiode beworben. Warum?

Das ist so. Aber vielleicht ist es auch eine glückliche Fügung, dass es jetzt so gekommen ist, dass ich die Rückkehr in den Rat nicht erreicht habe. Wäre es anders gekommen, hätte ich das Mandat sicherlich angenommen. Aber jetzt, wo es anders gelaufen ist, fühlt es sich auch ganz gut an.

Dabei war dieses Ergebnis doch absehbar, oder? Schließlich haben Sie ihren Vorhaller Wahlkreis nie direkt gegen die SPD gewinnen können, und Ihr Listenplatz war aussichtslos schlecht…

Ja das stimmt. Aber ich habe das ja auch selbst mit vorangetrieben und im Rahmen der Sparbeschlüsse mitentschieden, dass der Hagener Rat verkleinert wird. Schließlich ist es keinem Bürger erklärbar, wenn Politik immer sagt: Wir machen so weiter wie bisher. Ich habe es mit 21 Jahren ja relativ lange im Rathaus ausgehalten, daher ist das jetzt auch okay. Ich bin ja zum Glück wirtschaftlich nicht von dem politischen Hobby abhängig. Inzwischen habe ich auch festgestellt, dass die Menschen in meiner Familie ganz nette Leute sind.

Also bisher noch keine Wehmut?

Nein, gar nicht. Davon bin ich ein Stück weit selbst überrascht. Es ist schon Luxus, um 18 Uhr nach Hause zu kommen und um 19 Uhr nicht schon wieder in eine Videokonferenz sich einloggen oder zu einer Versammlungen auf verschiedenen Bildflächen fahren zu müssen.

Aber warum dann gleich der Parteiaustritt und Rückzug aus allen Ämtern?

Für mich wäre alles andere bloß eine halbe Sache gewesen. Wenn man zu der Erkenntnis gelangt, nicht mehr wirklich viel verändern zu können beziehungsweise nicht überall den gleichen Willen zur Veränderung entdecken zu können, dann muss man auch konsequent handeln.

Was hätten sie denn verändern wollen? An welchen Punkten haben sie sich aufgerieben?

Stefan Ciupka- Vermögensberater bei der Sparkasse

Stefan Ciupka ist 47 Jahre alt, verheiratet und Vater einer Tochter.

Der gebürtige Dortmunder lebt seit dem sechsten Lebensjahr in Vorhalle.

Er hat dort die Grundschule besucht, bevor er später nach Herdecke wechselte.

Nach dem Schulabschluss absolvierte er eine Ausbildung bei der Hagener Sparkasse und arbeitet dort bis heute als Vermögensberater.

Da gibt es nicht den einen großen Punkt, sondern es sind viele, aber in der Häufung eben entscheidende Punkte. Vor allem das Miteinander in der Partei war in den letzten Jahren schon arg gewöhnungsbedürftig.

Geht es vielleicht ein bisschen konkreter?

In der Partei gibt es inzwischen mehr Gräben und auch tiefere Gräben als jemals zuvor. Dennoch finden zu den einzelnen Themen keine Diskussionsrunden statt. Hier vermisse ich eine offene Kommunikationskultur, die natürlich vom Kreisvorsitzenden getragen werden muss. Damit meine ich nicht, dass Leute ihre Meinung unbedingt aufgeben müssen, aber es muss zumindest einen Austausch geben können. Und das war eben zuletzt nicht mehr der Fall. Ich habe ja kein Problem damit, wenn jemand eine Meinung hat – das finde ich sogar gut.

Ihnen fehlt also eine konstruktive Diskussionskultur?

Ja, einfach mal miteinander streiten. Dazu gehört sicherlich auch, hinter verschlossener Tür mal deutlich zu werden und dann am Ende mit einer gemeinsam erarbeiteten Position an die Öffentlichkeit zu gehen und nicht mit einer Haltung, die einfach nur von oben mitgeteilt wird. Da war für mich ein Punkt erreicht, wo ich gesagt habe: Dann macht ihr mal ohne mich. Kritik ist in der Hagener CDU eine schwierige Sache. Ich bilde mir ein, diese immer relativ konstruktiv vorgetragen zu haben, bin aber dennoch zu selten auf offene Ohren und eine offene Gesprächsbereitschaft gestoßen.

Die meisten Bürger glauben weiterhin, dass die Haltung einer Partei das Ergebnis eines intensiven Diskussionsprozesses sei. Sie erklären ausdrücklich, dass dies in der Hagener CDU anders läuft?

Das ist zumindest in den letzten Jahren deutlich weniger geworden.

Hat das auch mit handelnden Personen was zu tun?

Richtig.

Wen meinen Sie konkret?

Die Personen, die es betrifft, werden es wissen. Fernab von meiner Entscheidung wünsche ich jedem, der jetzt Verantwortung trägt, wirklich viel Erfolg bei der Arbeit für unser Volmestädtchen.

Jetzt ist es fünf Wochen her, dass Sie Ihren CDU-Austritt und damit Rückzug aus der Politik erklärt haben. Welche Reaktionen haben sie seitdem erfahren?

Ich habe deutlich mehr E-Mails, WhatsApps und Anrufe bekommen als vermutet. Auch von Leuten, von denen ich es nicht erwartet hätte. Die meisten haben mir tatsächlich versichert, sie könnten meinen Schritt nachvollziehen. Das hat mich tatsächlich erstaunt.

Aber melden sich nach einem solchen Schritt nicht ohnehin meist nur die Schulterklopfer?

Das war in den Jahren zuletzt sicherlich so, wenn man bei Parteitagen mal aufgestanden ist und kritische Worte gefunden hat. Dann gibt es hinterher immer welche, die einen unterstützen und am Rande sagen: Genau, das musste mal gesagt werden. Diese Vielfalt der Meinungen spiegelt sich bei der CDU dann aber nicht in Abstimmungsergebnissen wider. Da hätte ich mir manchmal mehr Ehrlichkeit gewünscht. Aber es ist ja auch nicht maßgeblich, was ich mir wünsche. Für mich stellte sich einfach die Frage: mitmachen und verändern oder loslassen? Ich bin letztlich zu dem Schluss gekommen, dass es sich im Moment nicht mehr lohnt, die Energie da reinzustecken. Ich bin froh, dass jetzt zumindest in der Fraktion eine Gruppe unterwegs ist, die homogener miteinander agiert.

Werden Sie sich jetzt politisch anders orientieren?

Ich werde vermutlich nicht zum Sozialdemokraten werden und werde absehbar auch nicht zu einer anderen Partei gehen. Für mich war der Zeitpunkt gekommen, keine halbgaren Sachen zu machen, sondern einen klaren Schnitt.

Haben sich denn auch Leute bei Ihnen gemeldet, die sie gefragt haben, ob sie noch alle Latten am Zaun haben?

Ja, auch die hat es gegeben, die überhaupt kein Verständnis dafür hatten, jetzt aufzugeben. Für mich ist das aber kein Aufgeben. Ich gehe letztlich ohne Groll. Ich habe halt meine Meinung, auch dann, wenn man nicht danach gefragt wird. Vielleicht habe ich ja irgendwann mal wieder die Energie und die Kraft, mich einzubringen.

Das klingt aber schon nach großer Enttäuschung…

Ja schon. Das gehört sicherlich dazu.

Hat der Kreisvorsitzende Christoph Purps sich denn mal bei Ihnen gemeldet?

Nein.

Hatten sie das erwartet?

Nein. Ich habe die Entscheidung auch bewusst bloß per E-Mail mitgeteilt, weil ich mit nichts anderem gerechnet habe. Das ist aber auch in Ordnung so, denn ich habe mich entschieden und dann steht so eine Entscheidung auch. Gespräche hat es im Vorfeld genug gegeben. Mir fehlt einfach der klare Hinweis, dass diese Partei sich durch schlüssiges Handeln in die richtige Richtung bewegt.

Warum steigt man bei der CDU ausgerechnet dann aus, wenn der Charme der Macht lockt und man endlich mehr gestalten kann?

Ja, die Möglichkeit gibt es. Allerdings stellt sich für mich die Frage: Sind wir so stark, weil wir so spitze sind, oder sind die anderen so schwach? Das muss man tatsächlich kritisch hinterfragen und auch das eigene Tun und Handeln mal beleuchten. Ich glaube durchaus, dass wir eine solide Politik gemacht haben mit dieser Allianz, aber man darf sich darauf nicht ausruhen. Ich empfinde es als durchaus erschreckend, dass es bei der letzten Kommunalwahl mit der AfD letztlich nur ein Gewinner gegeben hat. So überzeugend war das CDU-Ergebnis wahrlich nicht.

Wo werden Sie im kommenden Herbst bei der Bundestagswahl Ihr Kreuz machen?

Dort, wo ich den Eindruck habe, dass der Bewerber authentisch und in der Lage ist, eine solide, politische Arbeit abzuliefern. Das reduziert zumindest schon mal die Auswahl.