Haspe. Mit viel Fatalismus trotzt der Hasper Gastronom Salvatore Bucco den Corona-Wochen. Über seine Hoffnungen spricht er im Gespräch der Woche.

Im Gastraum der Alten Reichsbank in Haspe, wo inzwischen seit vier Jahren die Familie Bucco ihr italienisches Spezialitäten-Restaurant „Da Salvatore“ betreibt, brennt auch in diesen Corona-Tagen das Licht. Allerdings bleibt die vordere Eingangspforte verschlossen, wer sein bestelltes Essen abholen möchte, muss sich an der Hintertür melden. Mit dem zweiten Lockdown für die Gastro-Branche setzt auch der Familienbetrieb notgedrungen auf Lieferservice und Take-away-Angebote. Wir haben mit Gastronom Salvatore Bucco (44) über die aktuelle Situation und die Perspektiven in Corona-Zeiten gesprochen.

Diese Einstiegsfrage mag ein wenig banal klingen, ist aber nach neun Monaten Pandemie durchaus brisant: Wie geht es Ihnen mit Ihrem Gastronomiebetrieb in dieser Coronazeit?

Salvatore Bucco: Uns geht es zunächst einmal gut, zumindest wenn man den Menschen in den Vordergrund rückt, und das sollte man ja tun. Nur dann kann man alles andere bewerkstelligen. Durch die Wiedereröffnung im Mai und unsere tollen Mitarbeiter sind wir bislang gut durch die Krise gekommen. Ich hoffe, dass dies so bleibt.

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Das heißt also, Sie konnten den ersten Lockdown noch gut überbrücken?

Als stolzer Gastronom kann ich auch im Namen meiner Familie sagen: Wir sind ein absolut gut funktionierender Laden. Dies alles finanziell auszugleichen, so viel Hilfe kann es gar nicht geben. Danke für das, was wir bekommen haben, davon kann man die Fixkosten begleichen, das war’s dann aber auch. Wir versuchen allerdings weiterhin für unsere Gäste da zu sein. Diese Mühen werden in dieser Situation von vielen wertgeschätzt. Ob wir das auch im Januar direkt weiterführen, wird sich zeigen, denn diese Situation zehrt enorm an den Nerven.

Das Mitnehm-Geschäft gewinnt mehr und mehr an Bedeutung für Salvatore Bucco und sein Team.
Das Mitnehm-Geschäft gewinnt mehr und mehr an Bedeutung für Salvatore Bucco und sein Team. © WP | Michael Kleinrensing

Hat Sie der zweite Lockdown härter erwischt?

Durch meinen regelmäßigen Blick nach Italien habe ich schon frühzeitig geahnt, dass da noch was kommt. Egal, wie gut wir aufgestellt sind und uns der Corona-Pandemie entgegengestemmt haben und egal, wie gut sich unsere Gäste verhalten haben – uns hat es erneut getroffen.

Die Gastronomen haben immer für sich in Anspruch genommen, dass sie in Corona-Zeiten nicht das Problem seien. Würden Sie das genauso sehen?

Zu 100 Prozent. Die Leute haben sich bei uns mit größter Vorsicht bewegt. Und die Gäste erwarten und erfahren auch von uns Gastronomen die höchste Aufmerksamkeit.

Wie viel Verständnis hat man dann, wenn der zweite Lockdown naht und die Restaurants erneut in den Fokus geraten?

Das dauert schon ein paar Tage bis man realisiert hat, dass man wieder zu Hause bleiben soll. Wenn man sich mal vor Augen führt, wie wenige Tage im Jahr wir sonst Urlaub machen, ist das schon eine spezielle Situation.

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Ist dieser Schritt beim zweiten Mal also sogar noch schmerzlicher?

Sicherlich, denn es geht zunehmend an die Existenz. Und jetzt kommt auch noch die Steuer, also die Vorsteuer fürs nächste Jahr. Meine Prognose lautet daher: Eine zweite Welle der Gastronomen-Schließungen folgt Ende dieses Jahres. Das ist für einen funktionierenden Laden schon schwierig genug. Aber es gibt auch Existenzen, die sich gerade gegründet haben oder die für viel Geld saniert haben: Die können diese Phase wahrscheinlich kaum überstehen, wenn der Apparat nicht funktioniert. Wenn das Finanzamt schreibt, sind das meist klare Ansagen und keine vermittelnden Gesprächsangebote.

Sind sie sauer auf Kanzlerin Angela Merkel?

Zum Glück ist sie da in diesem Wahn des Spektakels. Viele Persönlichkeiten, die eine besondere Verantwortung haben und deren Thesen in Regeln münden, sollten behutsamer mit ihren Worten umgehen. Diese widersprüchlichen Debatten im Vorfeld von Entscheidungen erzeugen unheimlich viel Unsicherheit.

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Sind diese vielen Meinungen aber nicht Teil der Transparenz, die eine solch einmalige Situation ja auch braucht?

Vielleicht schon, aber das kommt so nicht rüber. Die Situation ist für die Menschen ohnehin schon unsicher, und dieses Gefühl wird durch diese Debatten noch verstärkt. Plötzlich sind alle Experten, alle sind Virologen, und am Ende hat doch keiner wirklich Ahnung. Die Transparenz ist unser höchstes Gut, aber dann muss man auch verantwortlich damit umgehen. Wenn man nicht Bescheid weiß, sollte man lieber schweigen. Nur mal ein Beispiel: Wir haben im August noch Anrufe von Gästen gehabt, die wissen wollten, ob sie überhaupt ein Restaurant besuchen dürfen. Wie kann das in einer deutschen Mediengesellschaft sein, dass Menschen so uninformiert und verunsichert sind?

Als Gastronom haben Sie die Chance, über Lieferservice und Mitnahme-Angebote ihre Produkte weiter an den Kunden zu bringen. Inwieweit funktioniert das?

Wir haben uns mit sehr viel Fleiß und Kreativität in den vergangenen Jahren einen Status erarbeitet. Rinderfiletspitzen mit Bandnudeln in einem Package-to-Go – das funktioniert immer nur mit einem Kompromiss. Dieser Markt ist jenen vorbehalten, die das schon seit Jahren so machen. Gastronomie mit unserem Charakter tut sich da sicherlich etwas schwerer. Es sei denn, man erfindet sich in Teilen neu und weckt eine gewisse Neugierde zu neuen Speisen, so wie wir mit der Pinsa Romana. Aber wir haben letztlich auch eine besondere Produktselektion, die wir uns über Jahre erarbeitet haben. Sollen wir jetzt Kompromisse eingehen, nur um dem Pizza-Mann von nebenan Paroli bieten zu können?Mal ganz davon abgesehen, dass uns das Take-away durch die Verpackungspreise natürlich deutlich mehr kostet als ein Gericht auf dem Teller.

Nicco und Salvatore Bucco bei den „Hasper Lichtern“
Nicco und Salvatore Bucco bei den „Hasper Lichtern“ © Alex Talash

Lässt es sich denn beziffern, wie viel Lieferservice und Take-away vom Gesamtumsatz abfedern können?

Wir werden vermutlich nicht einmal ein Viertel unseres Umsatzes aus dem Jahr 2019 erreichen. Es geht ja nicht nur um die Lockdown-Monate, sondern die Menschen sind ja auch insgesamt zurückhaltender mit Restaurantbesuchen. Hinzu brechen uns die gesamten Caterings und Familienfeiern weg. Das Weihnachtsgeschäft ist dahin, und unser Silvester-Galamenü fällt wahrscheinlich auch aus. Wir sind seit über sechs Monaten für den 31. Dezember ausverkauft, aber man muss damit rechnen dass es unter diesen Umständen einfach nicht stattfinden kann.

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Wie denken Sie insgesamt über die Lockdown-Lockerungen zwischen Weihnachten und Silvester sowie die Besuchsregeln bei Familien- und Neujahrsfeiern?

Das passt einfach nicht in diese Zeit. Warum wird dort dieses Fenster geöffnet? Warum traut sich keiner die Entscheidung zu treffen, dies alles nicht zuzulassen? Uns Gastronomen bringt das gar nichts. Im Gegenteil: Ich fürchte sogar, dass wir Gastronomen im Anschluss sogar noch länger geschlossen bleiben müssen, weil die Zahlen im Januar wieder steigen.

Was würde man sich denn als Restaurantbetreiber wünschen?

Wir brauchen endlich eine längerfristige Perspektive, auf die wir uns dann aber verlassen können. Das wäre für mich der Weg. Ich gehe davon aus, dass wir erst im Frühjahr wieder öffnen können.

Bezahlen Sie momentan für Ihr Restaurant die komplette Pacht?

Ganz ehrlich, wir sind zurzeit bei 65 Prozent und hatten den Eindruck, mit dem Vermieter einen Weg gefunden zu haben. Doch pochen plötzlich einige Berater auf 100 Prozent plus Verzugszinsen. Das ist angesichts dieser prekären Situation im Moment aber nicht mehr möglich, denn trotz der Hilfen bleibt uns Inhabern am Ende nichts. Jeder verliert, und es gibt keine einzelnen Gewinner. Leider gibt es einige Persönlichkeiten, die in dieser Situation den Ernst der Lage aus den Augen verlieren und letztlich nicht verstehen, dass hier Existenzen auf dem Spiel stehen, wenn man nicht zusammenrückt. Zu gegebener Zeit werden wir im nächsten Jahr mit unserem Vermieter darüber sprechen, wie man diese Situation gemeinsam überbrückt.

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Wann glauben Sie denn, realistisch wieder aus der Corona-Krise heraus sanft starten zu können?

Die Menschen brauchen wieder die Leichtigkeit, ohne Sorgen essen zu gehen. Das ist dann wieder der Status des vergangenen Sommers. Aber das Tal ist diesmal deutlich tiefer. Meine Prognose lautet, dass wir erst zum Sommer hin uns wieder ein Stück Normalität zurückholen. Dass ich im Januar wieder aufmache, kann ich mir im Moment nicht vorstellen.

Gibt es eigentlich noch ihre vertraute Belegschaft? Es ist doch gerade für die Gastronomie sehr schwierig, gutes Personal zu finden...

Wir haben sie glücklicherweise noch alle im Boot, jeden einzelnen. Natürlich befinden sie sich zurzeit in Kurzarbeit. Unser Glück ist bis jetzt, dass wir das Team noch zusammenhalten können, natürlich wissen wir alle, was wir an diesem Job und unseren Gästen haben. Wir sind eben ein Team, das über Jahre zusammengewachsen ist. Zumindest um diesen Punkt müssen wir uns keine Sorgen machen und freuen uns, bald wieder loszulegen.