Hagen. Hört ein Vermieter, dass sich Rumänen oder Bulgaren für seine Wohnung interessieren, legt er sofort auf. Eine Ausstellung im Osthaus-Museum.

Die von Vorurteilen und Feindseligkeit geprägte Haltung gegenüber Sinti und Roma ist tief in der europäischen Geschichte verankert. Ihren Höhepunkt erreichte sie in der systematischen Vernichtung der „Zigeuner“ durch die Nazis. Doch Ausgrenzung und Entrechtung existierten auch schon vorher – und danach: „Sinti und Roma erleben Diskriminierung bis heute auf unterschiedliche Weise“, so Güler Kahraman, Leiterin des Kommunalen Integrationszen­trums der Stadt Hagen.

Gemeinsam mit dem Leiter des Hagener Stadtarchivs, Dr. Ralf Blank, hat sie die Ausstellung „Rassendiagnose: Zigeuner“ nach Hagen geholt, die historische Fotos von Sinti und Roma den bis heute wirkmächtigen „Zigeuner“-Klischees gegenüber stellt. Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien werde von der Hagener Mehrheitsbevölkerung negativ wahrgenommen und mit Diebstahl, Unsauberkeit und Bildungsferne assoziiert, so Kahraman: „Um zu zeigen, wie diese Ressentiments überdauern, zeigen wir diese Ausstellung.“

Schicksale in Hagen erforschen

Die Verfolgung von Sinti und Roma war kein Geschehen, das sich in seiner geschichtlichen Entwicklung entfernt von Hagen zugetragen hat. Weil er einer Familie von Zigeunern entstammte, demütigten die Nazis den Schleifer Julius W., der als Frontsoldat in der Wehrmacht kämpfte, indem sie ihm untersagten zu heiraten und schließlich als „wehrunwürdig“ aus der Armee entließen. „Und dabei hatte dieser Mann seine Knochen für das Land hingehalten“, so Blank.

W. überlebte den Krieg und stellte später einen Antrag auf Wiedergutmachung, wobei er es in der Stadtverwaltung teilweise mit denselben Beamten zu tun bekam, die ihm schon im Dritten Reich gegenübergetreten waren. Wie das Verfahren ausging und was aus W. wurde, will Stadtarchivar Blank ebenso erforschen lassen wie das Schicksal anderer Hagener Sinti und Roma, deren Familien in den Jahren der NS-Diktatur ausgelöscht wurden.

Barbarische Bürokratie

Das städtische Gesundheitsamt und das 1934 eingerichtete Hagener Erbgesundheitsgericht spielten in jener Zeit eine barbarische Rolle. „Das Gericht war der Vorhof zur Gaskammer, das Gesundheitsamt hat eifrig mitgeholfen“, so Blank.

Akten belegen aber auch, dass es obrigkeitliche Maßnahmen gegen Zigeuner in Hagen spätestens zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab. Im Februar 1906 gab die kaiserliche Regierung „Anweisungen zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ heraus, die den städtischen Ämtern vorgaben, dass Sinti und Roma möglichst über die Reichsgrenzen abzuschieben seien.

Die einseitige Quellenüberlieferung, die fast immer den vorurteilsbeladenen, zumeist abschätzigen Blick der Mehrheitsgesellschaft spiegelt, sei ein grundlegendes Problem für den Historiker, so Dr. Blank: „Die Bilder vom Zigeuner bewegen sich im Spannungsfeld von Stigmatisierung und romantischer Verklärung.“

Traumatische Erfahrung

Aber natürlich hat sich vor allem die traumatische Erfahrung totaler Rechtlosigkeit und Entmenschlichung im NS-Staat tief in das kollektive Gedächtnis der Sinti und Roma eingegraben. „Das ist durchaus mit der Judenvernichtung gleichzusetzen“, urteilt Blank.

Die Zerrbilder der NS-Propaganda lebten nach 1945 ungebrochen fort – bis heute, wie Björn Bauernfeind vom Kommunalen Integrationszentrum öfter erleben muss: „Viele Sinti und Roma in Hagen leben in Schrottimmobilien. Es ist nicht möglich, angemessenen Wohnraum auf dem freien Markt für sie zu finden. Wenn man einem Vermieter sagt, dass sich Menschen aus Rumänien oder Bulgarien für seine Wohnung interessieren, legt er sofort auf.“